Mehr Hilfe für Opfer und Häftlinge NRW reformiert Strafvollzug

Düsseldorf · Opfer von Straftaten sollen in Nordrhein-Westfalen künftig besser geschützt und Häftlinge intensiver auf ihr Leben in Freiheit vorbereitet werden. Das sind die Kernpunkte des neuen rot-grünen Strafvollzugsgesetzes.

Ulmer Höh': Ein Blick in die neue JVA
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Foto: Bretz, Andreas

Es soll im Herbst vom Landtag verabschiedet werden und bis Ende des Jahres in NRW in Kraft treten. Opfer von Straftaten erhalten damit künftig bei begründeten Anträgen Informationen über Freigänge oder die bevorstehende Entlassung des Täters. Sie können bei Schadensersatzforderungen auch Auskunft über Vermögensverhältnisse des Täters verlangen.

Für alle Gefangenen sehe das neue Gesetz eine individuelle Behandlung und Sozialtherapien vor, sagte die stellvertretende SPD-Landtagsfraktionschefin Nadja Lüders am Dienstag in Düsseldorf. Außerdem soll die Regelbesuchszeit von derzeit einer Stunde auf zwei Stunden im Monat ausgedehnt werden. Weitere zwei Stunden stehen Häftlingen mit minderjährigen Kindern zu.

135 neue Stellen

Für die Neuerungen im Strafvollzug sollen laut Gesetzentwurf 135 neue Stellen geschaffen werden. Die Gesamtkosten liegen bei 4,8 Millionen Euro. Den Bundesländern wurde 2006 mit Änderung des Grundgesetzes das Recht zur Regelung des Vollzugs übertragen.

"Wir haben zunehmend Menschen im Vollzug, die nicht mit ihrem Leben klarkommen", sagte Lüders. "Sie haben oft keinen Schulabschluss, keine Arbeit, keine familiären Bindungen." Das bisher auf Sexualstraftäter beschränkte Angebot für Sozialtherapien soll auf andere Gefangene ausgeweitet werden. Ehemalige Häftlinge können dann auch in sozialtherapeutischen Nachsorgeambulanzen weiter betreut werden. Denn es gebe viele Häftlinge mit "psychischen Defiziten", die im Gefängnis schwer zu behandeln seien, sagte Lüders. Außerdem soll nach dem Willen von Rot-Grün für jeden Gefangenen künftig eine individuelle Diagnose und Prognose gestellt werden. Die CDU wollte in einem früheren Entwurf Kurzstrafler davon ausnehmen.

Wo es baulich und finanziell möglich ist, sollen in Haftanstalten Wohngruppen für Häftlinge eingerichtet werden, sagte Lüders. Dies scheitere allerdings häufig an der wilhelminischen Architektur der Gefängnisse. Für arbeitende Langzeithäftlinge möchte die SPD trotz der geringen Verdiensthöhe eine Rentenversicherungspflicht einführen.
Da dies auf Bundesebene bisher abgelehnt worden sei, sei es denkbar, das Thema über eine Bundesratsinitiative anzugehen, sagte Lüders.

Keine Änderungen plant die SPD bei den Belegungsobergrenzen in Zellen. In NRW dürfen derzeit maximal fünf Häftlinge in einer Zelle einsitzen. Die CDU wollte die Zahl auf drei begrenzen. Dies sei aber baulich nicht umzusetzen, sagte Lüders. Es gebe zur Zeit angesichts rückläufiger Gefangenenzahlen keine Überbelegungen vor Ort. Von fast 6400 Gemeinschaftsplätzen in NRW-Gefängnissen befänden sich rund 1340 in Zellen für mehr als drei Personen.

Auch im Jugendstrafvollzug sollen weiterhin mehrere Gefangene eine Zelle belegen dürfen. Seit dem Foltermord von Siegburg im Jahr 2006, als drei junge Häftlinge einen Mitgefangenen zu Tode gequält hatten, ist eine Einzelbelegung im Jugendstrafvollzug eigentlich Grundsatz. Aber einige junge Gefangene wünschten freiwillig eine Zelle mit Mitbewohnern, sagte Lüders. Auch selbstmordgefährdete Häftlinge würden im Jugendstrafvollzug nicht in Einzelzellen gesteckt.

Zahlen und Fakten

Rund 16.250 Gefangene sitzen nach Angaben des Landesjustizministeriums zur Zeit in Haftanstalten in Nordrhein-Westfalen ein. Insgesamt gibt es 37 Justizvollzugsanstalten mit fünf Zweiganstalten und 18 Außenstellen. Platz ist für 19 200 Häftlinge, wobei der weitaus größte Teil für den Männervollzug reserviert ist. Nur 1050 Plätze gibt es im Frauenvollzug. Außerdem hat NRW sechs Jugendarrestanstalten mit gut 260 Plätzen, davon 30 für junge Frauen.

Drei Viertel der Häftlinge in NRW sind erwachsene Strafgefangene, 14 Prozent sind Untersuchungsgefangene, knapp sechs Prozent der Häftlinge sind Frauen. 8,4 Prozent sitzen im Jugendstrafvollzug. 108 Gefangene befinden sich in Sicherungsverwahrung.

(lnw)
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