NRW-Landespolitik Risse im rot-grünen Bündnis

Bochum / Oberhausen · Die zur Schau gestellte Freundschaft zwischen Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann hat Grenzen: Vor der Wahl kämpft jeder für sich.

 So unterschiedlich können Parteitage sein: SPD-Chefin Hannelore Kraft war gerührt, Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann wurde abgestraft.

So unterschiedlich können Parteitage sein: SPD-Chefin Hannelore Kraft war gerührt, Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann wurde abgestraft.

Foto: dpa

Die Gelegenheit, acht Monate vor der Landtagswahl frische politische Impulse für NRW zu setzen, haben SPD und Grüne auf ihren Landesparteitagen am Wochenende ungenutzt verstreichen lassen. Stattdessen beschränkten sich beide darauf, ihre Erfolge bei der rot-grünen Regierung des Landes aufzuzählen und personelle Weichen für die Wahl am 14. Mai 2017 zu stellen.

Unter der Decke des zufriedenen Rückblicks wurden allerdings auch die Risse deutlich, die sich nach sechs Jahren gemeinsamer Regierung inzwischen durch die Koalition ziehen. Zwar richtete Kraft nach ihrer Wiederwahl als Landesvorsitzende der SPD mit einem Traumergebnis 98,5 Prozent solidarisch "Grüße und herzlichen Glückwunsch" an die Spitzenkandidatin der Grünen aus: Sylvia Löhrmann wurde fast gleichzeitig in Bochum von ihren Parteifreunden mit einem beinahe blamablen Wahlergebnis von 80,6 Prozent auf Platz eins der Landesliste gewählt. Aber Kraft stellte sogleich klar, dass ihre demonstrative Freundschaft mit Löhrmann im NRW-Wahlkampf Grenzen haben wird. Die Fortsetzung von Rot-Grün strebe die SPD zwar an. Aber Kraft erklärte klipp und klar: "Wir kämpfen allein."

Bei den Grünen gab es gleich mehrfach explizite Kritik am Koalitionspartner. Insbesondere Bauminister Michael Groschek (SPD) wurde von Löhrmann scharf attackiert. Angesichts der zahlreichen Bürgerinitativen, die in NRW immer mehr wichtige Bauvorhaben kippen oder verzögern, hatte Groschek kürzlich vor den Gefahren einer "druchgrünten Gesellschaft" gewarnt. Löhrmann sagte dazu: "Basta-Politik ist in Wahrheit Verhinderungspolitik. Wer das nach dem Metrorapid-Desaster von Herrn Clement nicht gelernt hat, dem ist nicht zu helfen, lieber Mike Groschek." Bürgerbeteilung sei "nicht durchgrünt - das ist Demokratie", schrieb Löhrmann ihrem Kabinettskollegen ins Stammbuch. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Monika Düker, griff Innenminister Ralf Jäger (SPD) an: "Es ist ein Armutszeugnis, wenn der Innenminister sich damit brüstet, die Zahl der Abschiebungen gesteigert zu haben", sagte sie unter Applaus.

Schon im Vorfeld des Landesparteitages waren die wachsenden Konflikte innerhalb der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen sichtbar geworden. So vertreten SPD und Grüne auch beim Streit um den Ausbau des Düsseldorfer Flughafens, bei der Ausweitung der Videoüberwachung als Reaktion auf die Ausschreitungen in der Kölner Silvesternacht und bei der Einschränkung des Bargeldverkehrs zur Bekämpfung illegaler Geschäfte inzwischen ganz offiziell unterschiedliche Positionen. Auch in der Schulpolitik weichen die Konzepte voneinander ab.

Die Unzufriedenheit von Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) mit der restriktiven Umweltschutzpolitik von Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) führte vor wenigen Wochen sogar dazu, dass Duin sich öffentlich vom rot-grünen Koalitionsvertrag distanzierte. Hinzu kommen zahlreiche Konflikte, die bislang nur hinter den Kulissen ausgetragen werden. Die verschärfte Frauenförderung im öffentlichen Dienst des Landes etwa, die ein Lieblingsprojekt der Grünen ist, wird von mehreren SPD-Ministern im Kabinett hinter vorgehaltener Hand kritisiert und zum Teil sogar sabotiert. Führende Grüne halten umgekehrt die Sparbemühungen von Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) beim Landeshaushalt für unzureichend.

Wie in Wahlkämpfen üblich, sind die Absetzbewegungen des kleineren Koalitionspartners größer als umgekehrt: Die NRW-Grünen müssen naturgemäß mehr um Aufmerksamkeit kämpfen. Außerdem müssen sie ihr eigenständiges Profil stärker betonen, wenn sie nicht mit in den Abwärtssog der SPD geraten wollen: Die dümpelt seit Jahresanfang in allen relevanten Umfragen nur noch zwischen 29 und 34 Prozent. Bis Ende 2014 waren für die SPD noch rund 40 Prozent normal. Die Grünen hingegen liegen seit Ende 2013 fast ohne Ausnahme stabil zwischen zehn und 13 Prozent.

Die Grünen haben offenbar die treuere Wählerschaft. Dafür ist die SPD intern stärker aufgestellt. Die Landesdelegierten in Oberhausen versammelten sich mit fast schon beeindruckender Solidarität hinter ihrer Spitzenkandidatin Kraft. Und auch sonst ist von Querelen innerhalb der SPD nicht viel zu hören.

Innerhalb der Landes-Grünen werden derweil die Grabenkämpfe heftiger. Das wurde nicht nur sichtbar an dem schwachen Wahlergebnis von Silvia Löhrmann. Auch Mehrdad Mostofizadeh, der sich Anfang 2015 in einer Kampfabstimmung mit einer Stimme Mehrheit gegen die Favoritin Monika Düker als neuer Fraktionschef durchgesetzt hatte, erhielt in Oberhausen bei seiner Listenplatz-Kandidatur nur 81,7 Prozent. Düker erhielt mit 90,8 Prozent der Stimmen das beste Wahlergebnis des gesamten Landesparteitages - obwohl sie seit ihrer Niederlage gegen Mostofizadeh fast nur noch auf den hinteren Bänken des Landtages zu sehen ist.

Es sind messbare Widersprüche wie diese, die zeigen, dass die SPD derzeit intern besser aufgestellt ist als die Grünen.

(RP)
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