Nordrhein-Westfalen Wahl-Manipulation und entsorgte Stimmzettel setzen AfD unter Druck

Düsseldorf · Die AfD in Nordrhein-Westfalen wird nervös, so scheint es. Gut fünf Monate vor der Landtagswahl setzen zwei schwerwiegende Vorwürfe die Populisten-Partei unter Zugzwang.

 AfD-Politiker Marcus Pretzell.

AfD-Politiker Marcus Pretzell.

Foto: dpa, mb pil fg

Erst werden geheime "Whatsapp"-Chats bekannt, die den Verdacht nahelegen, die Wahl der Kandidatenliste für die Landesliste sei manipuliert worden. Und nun kommt noch eine womöglich folgenreiche Beschuldigung hinzu: Eine Frau, die im September bei einer Landeswahlversammlung zur Zählkommission gehörte, soll auf Anweisung mehrere nicht ausgezählte Stimmzettel vernichtet haben. Das sagt sie selbst. Im größten AfD-Landesverband herrscht hektisches Treiben - noch am Abend soll es ein Krisentreffen geben.

Der Vorstand habe erst am vergangenen Sonntag von der "ungeheuerlichen Behauptung" der entsorgten Stimmzettel erfahren, sagt die Sprecherin der NRW-AfD. Der Fall müsse aufgeklärt werden. Im Vorstand gebe es allerdings "massive Zweifel" an der Darstellung der Dame aus der Zählkommission, auch wenn diese eine eidesstattliche Erklärung abgegeben habe, sagt Parteisprecherin Renate Zillessen. Die "FAZ" hatte zuerst berichtet, dass es um fünf Stimmzettel gehen soll - für eine Stichwahl zum aussichtsreichen Listenplatz drei. Man wolle den Fall prüfen, kündigte Zillessen an. "Wir werden jetzt aber nicht gleich die ganze Wahl infrage stellen."

Der Landeswahlleiter hat sich bisher nicht eingeschaltet. Darf er auch nicht - noch nicht. Als "neutrales Wahlorgan" könne er sich mit einer "rein innerparteilichen Angelegenheit" nicht befassen, erläutert ein Sprecher aus dem Düsseldorfer Innenministerium. Selbst wenn öffentlich "Rechtsverstöße bei der Kandidatenaufstellung bekannt oder behauptet werden", habe der Wahlleiter kein "Beanstandungs- oder Untersuchungsrecht".

Aber: Bis zu 27. März müssen ihm alle Parteien ihre Landeslisten vorlegen, wenn sie an der Landtagswahl am 14. Mai antreten wollen. Sollte die AfD Teile der Liste neu wählen und dazu wieder alle Delegierte zusammenrufen müssen, könnte es knapp werden.

Denn die AfD ist alles andere als fix bei der Kandidatenaufstellung: Nach zwei Versammlungen im September ist erst über 22 Listenplätze abgestimmt. Auch die Wahl des innerparteilich umstrittenen Landeschefs Marcus Pretzell zum Spitzenkandidaten hatte sich hingezogen - und endete mit mageren 54 Prozent Zustimmung. Die Partei will bis zu 35 Kandidaten küren und hat dafür noch zwei Treffen vorgesehen - eines an diesem Samstag und Sonntag in Rheda-Wiedenbrück. Ob es dabei bleibt, ist unklar. Zunächst sind eilig alle Kreis- und Bezirksverbandschefs zu einem Krisentreffen in einer Essener Gaststätte zusammengetrommelt worden.

Wie brisant die Lage eingeschätzt wird, zeigt auch der hitzige Austausch in einer geschlossenen Facebook-Gruppe, über den mehrere Medien berichten. Pretzell ist am Chat beteiligt. Er bezeichnet die Vernichtung der Stimmzettel als Fälschung eines Wahlgangs und als einen "Fall für den Staatsanwaltschaft".

Sie kenne diese Postings nicht, sagt Parteisprecherin Zillessen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre der Wahlgang ungültig und die Parteispitze müsse klären, wie man das "heilen" könne. Ob "nur" dieser Wahlgang oder mehrere oder alle wiederholt werden müssten - zur Klärung dieser Frage müsse man dann wohl auch juristischen Sachverstand hinzuziehen. Das alles sei offen.

Zuvor hatten schon Veröffentlichungen über "Tricksereien" und versuchte Einflussnahme bei der Listenwahl für Wirbel gesorgt. Mit bissiger Kritik hatten der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke und Vize-Bundeschef Alexander Gauland reagiert, beide sind Gegner Pretzells und dessen Lebensgefährtin, der Bundesvorsitzenden Frauke Petry. Pretzell hält den Kontrahenten vor, seine Partei "in den Schmutz zu ziehen". Der Imageschaden ist da. Ein Delegierter zeichnet in der "FAZ" als Worst-Case-Szenario: Die AfD bringt eine ordnungsgemäße Liste nicht fristgerecht zustande und tritt zur NRW-Landtagswahl nicht an.

(felt/dpa)
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