NSU-Untersuchungsausschuss Wird der Tod von V-Mann Corelli neu untersucht?

Düsseldorf · Der Tod des V-Manns "Corelli" ist eine der mysteriösesten Geschichten rund um die Ermittlungen zur Terrgruppe NSU. Jetzt hat ein Gutachter offenbar seine Meinung zur Todesursache geändert: Auch eine Vergiftung sei möglich.

 Mutmaßliche NSU-Terroristen Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos: CD mit Bezeichnung "NSU" übergeben

Mutmaßliche NSU-Terroristen Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos: CD mit Bezeichnung "NSU" übergeben

Foto: dpa, Frank Doebert

Überraschende Wende im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA), der sich mit den Bluttaten der rechtsterroristischen Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) befasst: Ein Gutachter, der seinerzeit Fremdeinwirkung beim Tod des V-Mannes "Corelli" ausgeschlossen hat, sagte vor dem PUA, er würde dies jetzt nicht mehr so formulieren.

Der PUA-Vorsitzende Sven Wolf (SPD) sagte unserer Zeitung, der Mediziner habe sich zwischenzeitlich eingehend informiert und sei auf eine Art Rattengift gestoßen, das zu ähnlichen Symptomen wie bei "Corelli" führen könnte. Wolf hält es für denkbar, dass nach dieser Feststellung des Diabetologen der Tod Corellis neu aufgerollt wird, zumal die seinerzeit sichergestellten Beweismittel noch vorhanden seien.

"Corelli", der dem Bundesverfassungsschutz 18 Jahre Informationen aus der rechtsradikalen Szene in Sachsen und Sachsen-Anhalt geliefert und bereits 2005 eine CD mit der Bezeichnung "NSU" übergeben hatte, war Anfang April 2014 tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. Die Ärzte gaben als Todesursache eine bis dahin bei ihm nicht festgestellte Form der Diabetes an. Vermutungen, dass sich der 39-Jährige, der nach seiner Enttarnung im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms in Paderborn lebte, eines gewaltsamen Todes gestorben sein könnte, haben sich bislang nicht erhärtet.

Vorliebe für Computerspiele mit Panzern

Vor dem PUA sagte jetzt der Vermieter der Wohnung in der 2. Etage aus, in der Corelli starb. Der Mann spricht von einem zurückgezogenen Mieter, der offenbar keinen Besuch empfangen und selbst für die kleinsten Wege seinen VW Scirocco benutzt habe. Einmal im Monat habe er sich von ihm die Miete — 600 Euro — in der Wohnung abgeholt. Bei dieser Gelegenheit sei ihm aufgefallen, dass Corelli, der eigentlich Thomas Richter hieß, eine Vorliebe für Computerspiele mit Panzern hatte.

Am 7. April 2014 seien ein Mann und eine Frau zu ihm gekommen und hätten sich als "Bekannte" von "Corelli" vorgestellt. Sie hätten sich angeblich Sorge gemacht, weil der Mann schon seit zwei Tagen nichts habe von sich hören lassen. Das Paar — es handelte sich um Mitarbeiter des Verfassungsschutzes - ging mit dem Vermieter die Holztreppen nach oben zur Wohnungstür. Nach mehrfachem vergeblichen Klopfen brach der Vermieter die Tür auf; sein Zweitschlüssel nutzte nichts, da der Wohnungstürschlüssel von innen im Schloss steckte.

Auf dem Wasserbett habe Corelli gelegen. "Er war schon blau angelaufen", sagte der Vermieter. Die "Bekannten" hätten gesagt: "Da können wir nichts mehr machen." Gemeinsam sei man wieder nach unten gegangen, und er habe die Polizei verständigt, die wenig später mit einem Notarzt eingetroffen sei. Die Wohnung des Toten wurde schließlich versiegelt, aber in der Folgezeit mehrfach geöffnet. Vier oder fünf Männer, die aus Düsseldorf gekommen seien, und ein Kriminalbeamter hätten in der Wohnung offenbar etwas gesucht und dabei sogar in den Wassertank der Toilette geguckt. Schließlich sei auch der Bruder des Verstorbenen in die Wohnung gegangen.

"Wir erwarten vollständige und maximale Aufklärung"

Neuerdings weiß man: Ein Handy und mehrere SIM-Karten "Corellis" lagen jahrelang unbeachtet in einem Panzerschrank des Verfassungsschutzes. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich darüber sehr ungehalten gezeigt. "Wir erwarten vollständige und maximale Aufklärung", sagte er barsch an die Adresse des Geheimdienstes.

Dem Paderborner Vermieter wird das wohl nichts nutzen. Er ist, wie er dem PUA darlegte, auf den Kosten für Entsorgung des Wasserbettes und die kaputte Wohnungstür sowie auf dem Mietausfall sitzengeblieben. Den Gesamtschaden gab er mit 3000 Euro an.

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