OB-Wahlen in NRW Kampf um die Chefsessel

Düsseldorf · Am Sonntag in zwei Wochen entscheiden die Bürger in weiten Teilen des Landes, wer für die nächsten fünf Jahre Bürgermeister oder Landrat wird. Doch nicht überall wird es auf Anhieb eine absolute Mehrheit für einen Bewerber geben.

OB-Wahlen in NRW - Kampf um die Chefsessel
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Muss, wer künftig mit dem Auto nach Köln fährt, dort eine Gebühr entrichten? Der Streit um die City- Maut beherrschte zeitweise den Oberbürgermeister-Wahlkampf inder Domstadt. Während die SPD abwinkt ("Wir haben wirklich andere Sorgen"), warnt Sozialdezernentin Henriette Reker vor voreiligen Schlüssen. "Warum soll das, was in Oslo, London oder Singapur geht, nicht auch bei uns gehen?" fragt die parteilose 58-Jährige, die als OB-Kandidatin von den Grünen (denensie inhaltlich nahesteht) sowie von CDU und FDP unterstützt wird.

Die Union hat trotz längeren Suchens keinen eigenen Kandidaten finden können. Jetzt geht es ihr nur noch darum, mit vereinten Kräften die SPD zu stoppen, die mit ihrem Stadtchef Jochen Ott (41) zur Wahl´am 13. September antritt.

Reker muss Rücksicht nehmen

Während Reker bei ihren öffentlichen Auftritten Rücksicht auf gleich drei Parteien nehmen muss, kann Ott den Wahlkampf ganz auf sich fokussieren. Und das tut er auch. "Die Stadtverwaltung braucht klare Führung, die Stadt braucht einen Antreiber", sagt er und versetzt damit nicht nur dem amtierenden SPD-OB und Verwaltungschef Jürgen Roters einen Hieb, sondern er knöpft sich im selben Atemzug auch die Juristin Reker vor, die hochrangiges Mitglied der Verwaltung ist. "Ein weiteres Moderieren von Verwaltungsjuristen wird diese Stadt nicht weiterbringen", stichelt Ott.

Die Stadt "nach vorne bringen" — das versprechen viele Frauen und Männer, die sich in zwei Wochen um das Amt des Bürgermeisters oder Oberbürgermeisters bewerben. In insgesamt 156 kreisangehörigen Kommunen wird gewählt sowie in zwölf der 23 kreisfreien Städte. Hinzu kommen Landratswahlen in elf NRW-Kreisen.

In den übrigen Kommunen sind die Spitzenämter bereits im vorigen Jahr besetzt worden. Der Hintergrund: CDU und FDP hatten in ihrer Regierungszeit die Wahl der Bürgermeister von den Ratswahlen "abgekoppelt": Während die Räte weiterhin für fünf Jahre gewählt wurden, ist die Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten auf sechs Jahre verlängert worden.

Trennung der Wahlen hat sich nicht bewährt

Doch die Trennung der beiden Wahlen hat sich nicht bewährt — die Beteiligung der Bürger war mancherorts außerordentlich schwach. Deswegen haben SPD und Grüne beschlossen, beide Wahlen im Jahr 2020 wieder zusammenzulegen. Im vorigen Jahr konnten Bürgermeister ihr Amt (ohne Pensionsverlust) vorzeitig niederlegen, wenn sie es wollten, so dass bereits 2014 Bürgermeister- und Ratswahlen an einem Tag erfolgen konnten. Aber nur rund 60 Prozent der Amtsinhaber haben davon Gebrauch gemacht. Deswegen stehen jetzt erneut Wahlen an.

Die großen Parteien haben dabei vor allem die prestigeträchtigen OB-Wahlen im Auge. Für die CDU wäre es ein großer Erfolg, wenn sie mit ihrem Kandidaten Thomas Kufen die Stadt Essen "zurückerobern" könnte. Kufen, der sich Wahlkampf als homosexuell geoutet hat, hofft auf die Stimmen auch der jüngeren Wähler. Sein Gegenspieler ist der amtierende SPD-OB Reinhard Paß, den sogar die eigene Parteichefin als "die falsche Person" für diesen Posten diskreditiert hat. Paß konnte sich aber bei einer Mitgliederbefragung durchsetzen.

SPD hofft auf Erfolge in Krefeld, Münster, Solingen und Wuppertal

Große Hoffnungen setzt die Union auch auf Bonn, wo der "indische Rheinländer" Ashok-Alexander Sridharan gegen den früheren Staatssekretär Peter Ruhenstroth Bauer (SPD) antritt. Sridharan, Kämmerer in Königswinter, bezeichnet sich als "ne bönnsche Jung", macht aber aus seinem indischen Hintergrund (der Vater kam in den 50er Jahren nach Deutschland) keinen Hehl. In Finanzfragen, so sagt er verschmitzt, dürfe es "keine heiligen Kühe" geben.

Für die SPD wäre es wiederum ein beachtlicher Erfolg, wenn sie der CDU Städte wie Krefeld, Münster, Solingen oder Wuppertal entreißen könnte. Dass in ihrer Hochburg Bochum ein Unionspolitiker die Amtskette anlegen könnte, ist eher unwahrscheinlich: Dort sitzt die SPD seit 1946 auf dem OB-Sessel. Ähnlich zementiert sind die Verhältnisse in Neuss. In der Stadt, die seit 1946 einen CDU-OB hat, wollen fünf Bewerber die Nachfolge von Bürgermeister Herbert Napp ("Vesuv von Neuss") antreten, darunter die Grüne Susanne Benary-Höck ("Frau tut Neuss gut"). Doch bis nächsten Donnerstag haben CDU, SPD und Grüne in der größten kreisangehörigen Stadt Deutschlands wegen des Schützenfestes einen Burgfrieden vereinbart. Dazu gehört, dass an den Zugwegen der Schützen keine Wahlplakate zu sehen sind.

Zeit für einen Wechsel in Neuss?

Auch im Rhein-Kreis Neuss gibt die Union seit Jahrzehnten den Ton an. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Hans Christian Markert meint, dass es Zeit für einen Wechsel sei. Unterstützt wird er von SPD, Piraten, Aktive und Linkspartei. Überhaupt fällt auf, dass sich häufig mehrere Parteien und Wählergruppen auf einen Kandidaten verständigt haben in der Hoffnung, die bestehenden Machtverhältnisse aufzuknacken. In Kaarst (Kreis Neuss) etwa tritt gegen die CDU-Kandidatin Ulrike Nienhaus ein Grüner an, der von SPD, FDP, Zentrum und UWG unterstützt wird. In manchen Gemeinden haben sich Parteien und Wählergruppen auf einen parteilosen Kandidaten verständigt.

In etlichen niederrheinischen Städten — etwa Kerken, Rheurdt und Weeze — tritt nur ein Bewerber zur Wahl an. Entweder es handelt sich um den "Platzhirsch", der Gegenkandidaturen von vornherein aussichtslos erscheinen lässt. Oder aber die anderen Parteien haben niemanden gefunden, wie etwa die es auch keine "echten Favoriten" gibt. Altersmäßige Beschränkungen bestehen nur nach unten: Das Mindestalter liegt bei 23 Jahren. Nach oben ist die Skala offen. In Jüchen tritt für die SPD Holger Tesmann zur Bürgermeisterwahl an. Der promovierte Chemiker ist 74 Jahre alt. Beobachter rechnen damit, dass die Wahlbeteiligung landesweit noch niedriger ausfallen könnte als bei der Kommunalwahl 2014, bei der mit nur 50 Prozent ein Tiefststand zu verzeichnen war. In den Kommunen, in denen am 13. September kein Bewerber auf Anhieb die absolute Mehrheit der Stimmen (50 Prozent plus x) erreicht, wird es zwei Wochen später zur Stichwahl kommen. Dann treten die beiden bestplatzierten Kandidaten gegeneinander an. Erst dann wird auch in diesen Kommunen klar sein, wer bis 2020 auf dem Chefsessel im Rathaus sitzt. Unter Mitarbeit unserer Lokalredaktionen SPD im Kreis Viersen. Die Parteiführung hatte Ortsvereine und Gliederungen aufgefordert, Namensvorschläge für die Landratswahl am 13. September zu unterbreiten — ohne Erfolg.

Komplizierte Ausgangslage in Geldern

Rheinisch kompliziert ist die Ausgangslage in Geldern: Der amtierende CDU-Bürgermeister Ulrich Janssen war bereits zur erneuten Kandidatur aufgestellt worden, als er wegen einer offenbar manipulierten Facebook- Abstimmung über ein Bauprojekt in die Schusslinie geriet. Die CDU widerrief daraufhin die Nominierung und schickt nun Sven Kaiser ins Rennen. Janssen aber tritt als unabhängiger Bewerber an. Am Donnerstag entschied sich auch die FDP für ihn.

Kurios auch dies: In Grefrath kämpft der Parteilose Volkmar Josten gegen seinen Chef, den ebenfalls parteilosen Bürgermeister Manfred Lommetz. In zahlreichen Kommunen stehen drei und mehr Bewerber auf dem Wahlzettel, deren Chancen schlecht abzuschätzen sind, so dass es auch keine "echten Favoriten" gibt. Altersmäßige Beschränkungen bestehen nur nach unten: Das Mindestalter liegt bei 23 Jahren. Nach oben ist die Skala offen. In Jüchen tritt für die SPD Holger Tesmann zur Bürgermeisterwahl an. Der promovierte Chemiker ist 74 Jahre alt.

Beobachter rechnen damit, dass die Wahlbeteiligung landesweit noch niedriger ausfallen könnte als bei der Kommunalwahl 2014, bei der mit nur 50 Prozent ein Tiefststand zu verzeichnen war. In den Kommunen, in denen am 13. September kein Bewerber auf Anhieb die absolute Mehrheit der Stimmen (50 Prozent plus x) erreicht, wird es zwei Wochen später zur Stichwahl kommen. Dann treten die beiden bestplatzierten Kandidaten gegeneinander an. Erst dann wird auch in diesen Kommunen klar sein, wer bis 2020 auf dem Chefsessel im Rathaus sitzt.

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