Parteitag in Duisburg Basis wählt Groschek mit 86 Prozent zum neuen NRW-SPD-Chef

Auf einem außerordentlichen Parteitag arbeitet die NRW-SPD ihre Wahlniederlage auf. Der neue Parteichef entschuldigt sich für das Debakel, während Martin Schulz die Landes-SPD schon auf den Bundestagswahlkampf einschwört.

 Der SPD-Landesvorsitzende Michael Groschek und die Generalsekretärin Svenja Schulze.

Der SPD-Landesvorsitzende Michael Groschek und die Generalsekretärin Svenja Schulze.

Foto: dpa, fg tba

Die nordrhein-westfälische SPD hat einen Nachfolger für Hannelore Kraft gewählt. Mit 85,8 Prozent der Stimmen wurde der bisherige Bau- und Verkehrsminister Michael Groschek auf einem außerordentlichen Parteitag zum neuen Parteichef in NRW gewählt. Für Groschek stimmten 353 Genossen mit "Ja", 43 mit "Nein", es gab 15 Enthaltungen. Weniger Unterstützung von der Parteibasis erhielt die bisherige NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze, die neue Generalsekretärin wird. Nur 68,6 Prozent der Delegierten gaben ihr die Stimme.

Zuvor hatte sich Groschek bei der Basis für die verlorene Wahl entschuldigt. "Die Landtagswahl wurde nicht bei Euch, sondern auf Landesebene verloren", sagte Groschek. Dafür wolle er sich stellvertretend für die Führungsspitze und das Kabinett entschuldigen: "Wir haben die Karre vor die Wand gefahren, weil wir uns zu sicher waren", rief Groschek den Genossen zu. Sie hätten nicht geglaubt, dass CDU-Gegenkandidat Armin Laschet die bisherige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft schlagen könnte. Laschet habe mit Hilfe von "Leihstimmen" für Bundeskanzlerin Angela Merkel und den CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach gewonnen. Zudem habe die Landes-SPD trotz der Erfolge der eigenen Regierungspolitik keine schlüssigen Antworten auf die Schlusslicht-Debatte der CDU gehabt.

Nach Krafts Rücktritt war es zu einem internen Machtkampf um die Nachfolge an der Parteispitze und um den Posten des Fraktionschefs gekommen. Von einem Parteichef wird in dieser Situation erwartet, die Partei wieder zusammenzuschweißen, aufzurichten und zugleich auf ihre Oppositionsrolle im Landtag vorzubereiten.

Entsprechend griff Groschek gleich zu Beginn seiner Rede die Pläne der voraussichtlichen schwarz-gelben Regierung an, nach dem Vorbild von Grün-Schwarz in Baden-Württemberg Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einzuführen. "Das ist eine Murks-Maut im Bildungssystem", sagte Groschek.

Viel Applaus für Groschek

Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kritisierte die Pläne in Duisburg als schwarz-gelben Alptraum: "Was für eine unanständige Politik." Begabten Menschen aus anderen Ländern sei es damit verwehrt, nach Deutschland zu kommen. Schulz stellte auf dem Parteitag die Europapolitik in den Mittelpunkt seiner Rede und sprach sich zugleich dagegen aus, künftig - wie von US-Präsident Donald Trump gefordert - zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben. "Mit mir wird es das Zwei-Prozent-Ziel nicht geben."

Schulz: Müssen ein Volk der guten Nachbarn sein

Zwar werde auch die SPD die Bundeswehr besser ausstatten. "Aber ich unterwerfe mich keiner Aufrüstungsspirale à la Donald Trump", sagte Schulz unter dem Applaus der Genossen. Die Deutschen müssten alles dafür tun, ein Volk der guten Nachbarn in Europa zu sein, sagte Schulz in Anlehnung an Willy Brandt, und sozialer Ungleichheit entgegen zu treten. Dazu zähle auch, nicht immer neue Opfer von Griechenland zu fordern, wie dies etwa Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verlange. Dagegen stehe der bisherige NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) dafür, Steuerflüchtlingen das Handwerk zu legen und so für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. "Darauf kommen wir im Wahlkampf zurück", sagte Schulz mit Blick auf die Bundestagswahl am 24. September. Dass Europa trotz der Brexit-Abstimmung nicht verloren sei, zeige auch das jüngste Wahlergebnis in Großbritannien. Die junge Generation in Großbritannien habe ein Recht, dazuzugehören.

Während Schulz die Landes-SPD auf den Bundestagswahlkampf einschwor, analysierte Groschek in seiner knapp einstündigen, von Applaus begleiteten Rede, Ursachen der Wahlniederlage in NRW: Die SPD sei zu wenig auf Augenhöhe mit ihrer klassischen Wählerklientel gewesen, habe sich zu sehr von ihr entfernt. In der Folge habe die AfD auch in klassischen SPD-Hochburgen stark zulegen können: "Wir werden nicht mehr als sozial nahestehend begriffen, sondern als 'die da oben'", sagte Groschek. Künftig müsse die SPD wieder mehr über Politik und weniger über einzelne Spiegelstriche in Parteipapieren diskutieren. "Wir brauchen einen Neuanfang, der sich gewaschen hat", sagte der 60-Jährige. Mit alten Klischees wie NRW als dem "Herzkammer-Stammland" müsse Schluss sein. "Alles Pustekuchen - weg damit", so der neue Parteichef.

"Opposition ist Pflicht"

Groschek widersprach zugleich Franz Müntefering, der einst gesagt hatte, Opposition sei Mist: "Opposition ist Pflicht." Die NRW-SPD müsse diese Rolle sehr ernst nehmen: "Nicht wie bei der Sesamstraße und der Muppet-Show, wo vom Balkon herunter geehrpusselt wird."

In der anschließenden Debatte gab es heftige Kritik an der Art und Weise, wie die Partei- und Fraktionsposten neu besetzt wurden. Die Erkenntnis, dass es nach der Wahlniederlage eine grundlegende und geordnete Analyse brauche, habe nur wenige Tage gehalten, kritisierte NRW-Juso-Chef Frederick Cordes. Viel zu schnell sei über das neue Spitzenpersonal entschieden worden. Auf Unmut stieß zudem, dass der bisherige Fraktionschef Norbert Römer für ein weiteres Jahr im Amt bleiben soll. "Der Fraktionsvorstand hat es ja schon in den vergangenen sieben Jahren nicht geschafft, die Landespolitik zu erklären", sagte ein Delegierter. Ausgerechnet der solle aber nun in der sensiblen Phase bis zur Bundestagswahl weiter die Fraktion führen.

(RP)
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