Brav und oberflächlich Profi-Werber kritisieren Wahlplakate in NRW

Düsseldorf · Bildung, Verkehr, Sicherheit - das sind bestimmende Themen auf den Werbeplakaten im Wahlkampf. Umgesetzt sind sie mal mehr, mal weniger gut. Lob gibt es von Experten für die Linke, Kritik für die FDP und ihre Lindner-Kampagne.

Ein wenig erinnert die Szene auf dem schwarz-weißen Plakat an die Verfilmung eines skandinavischen Krimis: Mit ernster Miene sitzt der Ermittler nachts bei Dauerregen in seinem Auto, hat den Blick gesenkt und ist lediglich durch den Rückspiegel zu sehen. Der Mann ist jedoch kein Ermittler, sondern ein Politiker: Christian Lindner, Parteivorsitzender der FDP und Spitzenkandidat für die Liberalen bei der Landtagswahl am 14. Mai. Auf fast allen Plakaten, die seit vergangener Woche mehr und mehr im Straßenbild zu sehen sind, zeigt sich Lindner so wie im Rückspiegel seines Autos. Von Werbe-Profis und Wissenschaftlern bekommen der Politiker und seine Partei dafür jedoch schlechte Noten.

"Wer die Plakate der FDP ansieht, sieht einen Politiker, der ausschließlich mit sich selbst beschäftigt ist, der noch nicht einmal seine Wähler aus dem Plakat heraus richtig ansieht", sagt Jochen Rädeker, Professor für Kommunikationsdesign an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung in Konstanz. Für ihn ist die Plakatkampagne der Liberalen im NRW-Wahlkampf deshalb auch die schlechteste Werbekampagne aller Parteien.

Wenig Wiedererkennungswert

Ähnlich - wenn auch nicht ganz so negativ - urteilt Rüdiger Goetz aus der Geschäftsführung der Düsseldorfer Werbeagentur Grey. Er kritisiert, die Plakate der Liberalen hätten keinen Wiedererkennungswert: "Seit die FDP ihren Markenauftritt verändert hat, ist sie kaum wiederzuerkennen. Für eine Partei, die aus dem Bundestag geflogen ist, kann das natürlich ein Befreiungsschlag sein. Aber ich finde, das ist zu viel", sagt er. Erkennbar werde die Partei nur noch durch Leitwolf Christian Lindner. "Das Plakat könnte auch einfach eine Konzertankündigung sein."

Gleichwohl sei die Gestaltung der FDP-Plakate innovativ, modern, "und es ist natürlich klug, jemanden wie Lindner in den Vordergrund zu stellen: Er ist fotogen und für die Partei äußerst repräsentativ". Wahlforscher und Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim hält es dagegen für klug, Lindner zu zeigen: "Er ist die Galionsfigur der FDP, hat eine große Strahlkraft. Schwierig ist allerdings, dass man von den Fotos nicht aufs Thema schließen kann", sagt er. Dafür müsse man die Plakatsprüche lesen, die mit Aussagen wie "Nicht Pendler sollten früher aufstehen, sondern die Regierung" jedoch recht kompliziert seien, "vor allem, wenn man bedenkt, dass ein Betrachter höchstens 3,5 Sekunden auf so ein Wahlplakat schaut."

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Doch nicht nur für die FDP verteilen die Experten schlechte Noten im Plakat-Wahlkampf. Bei allen Parteien gibt es Verbesserungsbedarf. Außerdem - so Jochen Rädeker - habe er nie so viele "harmlose" Wahlkampagnen gesehen wie in diesem Jahr in NRW. "Man könnte meinen, in Nordrhein-Westfalen ist die Welt noch in Ordnung." Die Kampagne der CDU findet er beispielsweise "viel zu brav für eine Oppositionspartei". Forderungen wie "Mehr Bewegung. Weniger Stau" oder "Weniger Bürokratie. Mehr Arbeitsplätze" seien zu allgemein gehalten, da fehle die nötige Schärfe. Kritik gibt es auch am Logo zum Wahlkampf-Motto "NRW geht vor". Das stehe in einer zu großen Konkurrenzsituation zum Parteilogo. "Man fragt sich, was ,NRW geht vor' mit der CDU zu tun hat. Das hätte man besser verknüpfen sollen", meint Rüdiger Goetz von Grey. "Mich erinnert es sogar mehr an einen Verkehrbetrieb als an eine politische Botschaft", sagt Rädeker.

Kritik am SPD-Hashtag

Die Frage, ob nun Armin Laschets Motto "Zuhören. Entscheiden. Handeln" tatsächlich von einer Kampagne Gerhard Schröders aus dem Jahr 1994 abgekupfert ist, kann Rüdiger Goetz nicht klar beantworten. "Aber vermutlich ist das Motto schon von Dutzenden Politikern genutzt worden. Das viel größere Problem ist, dass es nicht viel aussagt." Das zeuge von Einfalls- und Mutlosigkeit. Gerade weil die Sätze auf den kleinen Plakaten der CDU jedoch so kurz sind, findet Brettschneider sie überzeugend. "Man schaut drauf und weiß, worum es geht. Allerdings hätte die Bildauswahl besser sein können. Die Fotos sind teilweise karg."

Lob von den Experten gibt es für die Wahlplakate der Linken - vor allem, weil die Partei im Gegensatz zu vergangenen Wahlen nicht nur auf Text, sondern auch auf Fotos setzt. "Das ist ein Quantensprung im Vergleich zu früher. Das Rot passt zur Partei, und durch das immer gleiche Motiv mit anderen Sprüchen ist der Wiedererkennungswert hoch", sagt Brettschneider. Allerdings sei ihm die geballte Faust ein wenig zu aggressiv. Das stört auch Rädeker: "Um die Stammwählerschaft anzusprechen, ist das Plakat perfekt. Die Faust gleicht dem kommunistischen Gruß. Das könnte auch ein Plakat der MLPD oder der DKP sein. Aber ich dachte immer, die Partei wollte sich bewusst von diesem Image distanzieren." Rüdiger Goetz verleiht der Kampagne der Linken dagegen Bestnoten: "Die Botschaft ist dort am besten und am stringentesten transportiert, und in der Farbgebung hat die Partei konsequent nur ihre Farben Rot, Weiß und Schwarz genutzt."

Überwiegend gut bewerten die Experten auch die Kampagne der SPD. Goetz nennt sie "edel". Rädeker hält vor allem das Plakat der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft für äußerst glaubwürdig. Kritik gibt es jedoch am Hashtag im Motto "#NRWIR". "Das geht komplett an der Wählerschaft der SPD vorbei. Da will die Partei zeigen, dass sie modern ist, schafft es aber nicht", sagt Frank Brettschneider. Um das Motto gab es zudem bereits Verwirrung: Denn "NRWIR" ist auch ein Motto des Landschaftsverbands Rheinland (LVR). Im Wahlkampf mit Hashtag greife man aber nicht in die Markenrechte des LVR ein, teilte die SPD dieser Tage über eine Anwaltskanzlei mit.

Zu viele Plakate bei den Grünen

Weniger wohlwollend fällt das Urteil der Experten meist über die Kampagne der Grünen aus: "Mir gefällt an erster Stelle nicht, dass es so viele verschiedene Wahlplakate gibt. Die kann man sich gar nicht alle merken", so Brettschneider. Tatsächlich werben die Grünen mit zehn Motiven auf der Straße. Auch die Sprüche mit jeweils den Aufzählungen "1." und "2." stören ihn. "Was soll es aussagen, wenn da steht "1. Zusammen. 2. Wachsen"? Ist das nach Präferenz sortiert? Das macht das Plakat außerdem unruhig", sagt er. Goetz kritisiert zudem die Motive: "Diese bunte Optik ist unnatürlich, nicht ansprechend. Aber durch das Grün haben die Plakate bei der Wählerschaft einen hohen Wiedererkennungswert."

Die Plakate AfD demonstrieren zweierlei: Die Großflächenplakate, die die Partei auf ihrer Internetseite zeigt, bewerten die Experten werbefachlich positiv. "Sie könnten auch einer bürgerlichen Partei zugeordnet werden", so Rädeker. Die kleinen Plakate, die etwa verschleierte Frauen mit dem Spruch "Integration sieht anders aus" zeigen, seien dagegen sehr zugespitzt. "Mit diesen Plakaten drückt man den Kampf gegen das Establishment aus, schürt aber auch Ängste", sagt Brettschneider.

(lai)
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