Interview mit dem NRW-Ministerpräsidenten Rüttgers: "Der Abbruch hat uns überrascht"

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers lehnt Neuwahlen in NRW ab. Die Wähler hätten sich am 9. Mai für die große Koalition von CDU und SPD entschieden. "Das bestätigen die Umfragen. Man braucht also keine Neuwahlen", sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion.

Chronik zum Koalitionspoker in NRW
Infos

Chronik zum Koalitionspoker in NRW

Infos
Foto: DDP

Rüttgers schloss ein Bündnis von CDU, FDP und Grünen, die so genannte Jamaika-Koalition, nicht aus. Die geschäftsführende schwarz-gelbe Landesregierung werde solange ihre Verantwortung wahrnehmen, wie der Landtag - der den Ministerpräsidenten wählt - dies bestimmt. Im Interview mit unserer Redaktion sprach Rüttgers über das Nein von SPD-Landeschefin Hannelore Kraft zu weiteren Gesprächen über die Bildung einer großen Koalition und über Frage, wie es nun in der Landespolitik weitergeht.

Herr Rüttgers, Sie haben am Freitag einen Vorstoß für eine große Koalition unternommen. Wie bewerten Sie die umgehende Absage von Frau Kraft?

Rüttgers Die Menschen in unserem Land fordern zu Recht eine breite und stabile parlamentarische Grundlage für die Landesregierung. Daher ist die Entscheidung von Frau Kraft und der SPD sehr zu bedauern, dass man der staatspolitischen Verantwortung nicht nachkommen will. Das ist eine Form der Gestaltungsverweigerung.

Die SPD behauptet, die CDU sei unbeweglich. Trifft der Vorwurf zu?

Rüttgers Nein. Unsere Sondierungsgespräche liefen gut. Das hat die SPD immer wieder gesagt. Deshalb hat uns der Abbruch der Gespräche durch Frau Kraft auch so überrascht. Wir haben dann am vergangenen Freitagmittag noch einmal über Themen wie Schule und Arbeitsmarkt gesprochen. Aber leider war die Entscheidung, vom Platz zu gehen, schon gefallen.

Welche Kompromisslinien haben Sie Frau Kraft bei diesem Acht-Augen-Gespräch vorgeschlagen?

Rüttgers Wir hätten die Landesfinanzen in Ordnung bringen können. Wir hätten ein Gesetz gegen sittenwidrige Löhne voranbringen und ein fortschrittliches Integrationsgesetz ausarbeiten können. In der Frage der Kommunalfinanzen haben wir über einen Entschuldungsfonds für die Kommunen geredet. In der Schulpolitik waren für uns ein Schulkonsens und Schulvielfalt zentral. Die SPD wollte wissen, ob wir ihrer Schulpolitik zustimmen, und war nur bereit, über einen Übergangszeitraum dahin zu reden.

Werden Sie nun trotz des Neins der Grünen die letzte Möglichkeit für eine Regierung auf breiter Basis ausloten, nämlich die "Jamaika-Koalition" aus CDU, FDP und Grünen?

Rüttgers Mein Angebot, mit allen demokratischen Parteien zu reden, bleibt weiter bestehen.

Ihre Regierung ist geschäftsführend im Amt, hat aber keine Mehrheit im Landtag. Wie lange kann so etwas funktionieren?

Rüttgers Es gibt für alle demokratischen Parteien eine staatspolitische Verantwortung. Keiner darf sich verweigern, wenn es um das Gemeinwohl geht. Die Landesregierung wird ihre Verantwortung so lange engagiert wahrnehmen, wie der Landtag dies bestimmt.

Wenn Frau Kraft Mehrheiten für ihre Politik im Landtag sucht, wird sie diese wohl am ehesten bei der Linkspartei finden. Sie will sich aber nicht zur Ministerpräsidentin einer Minderheitsregierung wählen lassen. Wie bewerten Sie das?

Rüttgers Frau Kraft will aus dem Parlament heraus agieren. Das geht nur mit der Linken. Das ist dann eine rot-rot-grüne Tolerierungsallianz. Niemand wird Verständnis dafür haben, dass man die Linke zuerst als politik- und regierungsunfähig bezeichnet, sich dann von der Linken unterstützen lässt, sich gleichzeitig aber einer Regierungsverantwortung mit der CDU verweigert.

Zu erwarten ist, dass Rot-Rot-Grün versuchen wird, schrittweise den geforderten "Politikwechsel" umzusetzen. Ein Anfang könnte zum Beispiel mit der Abschaffung der Studien- und Kitagebühren gemacht werden. Geht das überhaupt?

Rüttgers Für zusätzliche Ausgaben im Haushalt gelten Verfassung und Schuldenbremse.

Für Neuwahlen ist derzeit keine Mehrheit unter den Landtagsfraktionen erkennbar. Sehen Sie überhaupt die Notwendigkeit dazu?

Rüttgers Nein. Der Wähler hat sich für die große Koalition entschieden. Dies bestätigen die Umfragen. Man braucht also keine Neuwahlen.

Rechnen Sie mit Neuwahlen im Frühjahr 2011?

Rüttgers Nein. Wir werden unser Land gut regieren.

Rot-Grün sagt, Schwarz-Gelb dürfe im Bundesrat nicht mehr den Ton für NRW angeben. Reines Wunschdenken?

Rüttgers Die SPD hat es in der Hand, gemeinsam mit der CDU das Land Nordrhein-Westfalen auf der Bundesebene zu vertreten.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort