Politiker fordern gesetzliche Schritte Innenminister Ralf Jäger will gegen "Scharia Polizei" vorgehen

Politiker bewerten das Auftreten der radikalen Islamisten, die als "Scharia-Polizei" patrouillieren, als Provokation. Ihre Antwort: So etwas wird "auf deutschem Boden" nicht geduldet. NRW-Innenminister Ralf Jäger gab am Samstag einen polizeilichen Erlass heraus, der die Aktionen unter Strafe stellt.

NRW-Innenminister Ralf Jäger kündigte am Samstag an, Aktionen der Scharia-Polizei unter Strafe zu stellen.

NRW-Innenminister Ralf Jäger kündigte am Samstag an, Aktionen der Scharia-Polizei unter Strafe zu stellen.

Foto: dpa, cas fdt mg

Westen mit der strittigen Aufschrift sollen konfisziert werden.

Stolz präsentieren sich die Salafisten mit den orangenen Westen auf ihrer Facebookseite.

Stolz präsentieren sich die Salafisten mit den orangenen Westen auf ihrer Facebookseite.

Foto: Facebook

Jäger (SPD) ordnete am Samstag an, die Westen mit dem Aufdruck "Shariah Police" sofort sicherzustellen, sollten die radikalen Islamisten damit erneut in der Öffentlichkeit auftauchen. Bei dieser "Scharia-Polizei" handelt es sich um radikale Islamisten mit orangenen Warnwesten, auf dem Rücken die Aufschrift "Shariah Police". Bisher liefen sie vor allem in Wuppertal Streife und versuchten, Menschen von ihrem Verhaltenskodex zu überzeugen.

Am Samstagabend erläuterte Jäger im Interview mit dem WDR, er habe hierzu einen polizeilichen Erlass herausgegeben. Die Polizei sei angewiesen, "gegen solche Möchtegern-Streifen mit allen polizeilichen Mitteln vorzugehen". Das umfasst laut Jäger die Identitätsfeststellung und das Konfiszieren der Westen oder anderer Dinge, die den Polizeinamen missbrauchen.

Jäger begründete sein Vorgehen damit, dass das Handeln der so genannten "Scharia-Polizei" nicht mehr mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit gedeckt sei. "Menschen zu missionieren, zu nötigen, im öffentlichen Bild als Polizei, als Streife aufzutreten", habe die Menschen so sehr verunsichert, dass die Wuppertaler Polizei ein Bürgertelefon eingerichtet habe.

Auf den Vorstoß von Unionsfraktionschef Volker Kauder, die so genannte "Scharia-Polizei" komplett verbieten zu wollen, sagte Jäger im Interview mit der Aktuellen Stunde, man könne keine Gesinnung verbieten. In NRW "gehen wir mit aller Konsequenz und in vielfältiger Weise gegen Salafisten vor. Wir lassen Parallelstrukturen und Paralleljustiz in diesem Land keinesfalls zu", so Jäger.

Weiter sagte der Innenminister: "Wir beobachten die salafistische Szene in NRW genau. Sie wächst leider dynamisch." Das Auftreten der "Scharia-Polizei" sei für die Szene in NRW eine neue Dimension. "Das ist plötzlich aufgetreten. Das ist eine Marketing-Maßnahme, um weitere Menschen für diese Szene zu werben. Das ist auch eine Provokation des Rechtsstaates. Der Rechtsstaat hat heute geantwortet. Wir werden diese Provokation keinesfalls dulden", so Jäger. Die Polizei werde wegen Amtsanmaßung, Amtsmissbrauch, Nötigung und Verstoß gegen das Unifomierungsgesetz ermitteln.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatte es zunächst rechtlich keine Handhabe gegeben, gegen die Scharia-Aktivisten vorzugehen. Festgenommen wurden die Männer der "Scharia-Polizei" im Alter von 19 bis 33 Jahren bislang nicht. Gegen elf Personen wurde aber ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet. Falls jemand aufgefordert wurde, eine Diskothek nicht zu betreten, müsse geprüft werden, ob eine Nötigung vorliege, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

De Maizière: "Sharia wir auf deutschem Boden nicht geduldet"

Die Grünen im Bundestag lobten das Eingreifen der Polizei. "Es ist wichtig, derartige islamistische Umtriebe gleich ernst zu nehmen und nicht erst wachsen zu lassen", sagte die Sprecherin für Innere Sicherheit, Irene Mihalic. Daher müsse auch die Aufklärungs- und Präventionsarbeit dringend gestärkt werden.

Der Chef der NRW-CDU, Armin Laschet, hatte der rot-grünen Landesregierung zuvor Versagen im Kampf gegen den Salafismus vorgeworfen. "Die Landesregierung hat die Salafistengefahr völlig unterschätzt", sagte Laschet, der auch CDU-Bundesvize ist, dem Kölner "Sonntag-Express". NRW sei zum Haupttummelplatz der radikalen Islamisten geworden.

Auch aus Berlin sind scharfe Töne zu vernehmen. Die Bundesregierung will das Auftreten selbsternannter radikalislamischer Sittenwächter als "Scharia-Polizei" in Deutschland nicht hinnehmen. "Die Scharia wird auf deutschem Boden nicht geduldet. Niemand darf sich anmaßen, den guten Namen der deutschen Polizei zu missbrauchen", sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) der "Bild"-Zeitung (Samstag).

Justizminister Heiko Maas (SPD) betonte in dem Blatt: "Für die Durchsetzung von Recht und Gesetz ist allein der Staat verantwortlich (...). Klar ist damit auch: Eine illegale Paralleljustiz werden wir nicht dulden."

Religiöse Patrouillen durch Wuppertal

Radikalislamische Salafisten waren in Wuppertal mehrfach in orangefarbenen Westen als "Scharia-Polizei" aufgetreten und nachts durch die Straßen patrouilliert. Die Scharia ist das islamische Recht, das von Salafisten extrem konservativ ausgelegt wird.

Die selbsternannten Sittenwächter erheben mit gelben Flyern den Anspruch auf eine "Shariah Controlled Zone" (Scharia-kontrollierte Zone). Auf ihnen sind Verhaltensregeln der radikalen Muslime festgehalten: Kein Alkohol, kein Glücksspiel, keine Musik und Konzerte, keine Pornografie und Prostitution, keine Drogen.

Zentralrat der Muslime verurteilt Shariah-Polizei

Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte ein hartes Vorgehen: "Das kann ein demokratischer Rechtsstaat nicht tatenlos hinnehmen", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). "Deshalb ist es richtig, dass die Polizei konsequent einschreitet." Das bestehende rechtliche Instrumentarium reiche für eine Verfolgung der Täter aber aus.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach sich für ein Verbot selbsternannter "Scharia-Polizisten" aus. "Für die Einhaltung der öffentlichen Ordnung sorgen unsere Polizisten und nur sie. Deshalb müssen wir ein Verbot dieser vermeintlichen islamischen Tugendwächter prüfen", sagte er der "Welt am Sonntag". Falls es dafür keine Rechtsgrundlagen geben sollte, "müssen wir sie schaffen".

Der Zentralrat der Muslime verurteilte die Aktion in Wuppertal scharf. "Diese paar Halbstarken sprechen nicht in unserem Namen", sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek dem "Tagesspiegel am Sonntag". "Diese Leute betreiben eine Zweckentfremdung unserer Religion. Sie schaden mit dieser schrillen und völlig unsinnigen Aktion den Muslimen ungemein."

Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer forderte, Werbung für die unbedingte Einhaltung der Scharia unter Strafe zu stellen. Er sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag": "Der Staat darf es nicht hinnehmen, dass eine radikale islamistische Minderheit auf unseren Straßen einen religiösen Verhaltenskodex propagiert."

(dpa)
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