Nordrhein-Westfalen SPD stellt "Turbo-Abitur" infrage

Düsseldorf · Was, wenn das achtjährige Gymnasium sich nicht durchsetzen lässt? Die Sozialdemokraten im NRW-Landtag wollen für diesen Fall einen "Plan B" beschließen. Der Druck auf Schulministerin Löhrmann steigt.

 Oberstufenschüler demonstrieren im Mai 2013 vor dem Landtag in Düsseldorf.

Oberstufenschüler demonstrieren im Mai 2013 vor dem Landtag in Düsseldorf.

Foto: dpa, rwe wst olg

Die SPD im Landtag befeuert die Debatte um die Abschaffung des achtjährigen Gymnasiums (G 8). "Wir werden in aller Ruhe beobachten, ob und wann die Entlastungen wirksam werden", sagte SPD-Fraktionsvize Eva-Maria Voigt-Küppers: "Wir müssen aber auch darauf vorbereitet sein, dass die Wirkungen nicht so sind, wie wir uns das erhoffen." Unter anderem darüber werde die SPD Ende August auf einer bildungspolitischen Fraktionsklausur in Düsseldorf beraten. "Wenn G8 scheitern sollte", sagte Voigt-Küppers, "haben wir dann Modelle, die greifen könnten."

NRW streitet seit Jahren über das "Turbo-Abitur". Eltern und Schüler beklagen Überlastung und mangelnde Freizeit. In Umfragen haben sich bis zu drei Viertel gegen G8 ausgesprochen; Elterninitiativen haben in einer Volksinitiative fast 100.000 Unterschriften für die Abschaffung gesammelt. Unter dem Druck der massiven Unzufriedenheit hatte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) einen runden Tisch einberufen, der umfangreiche Entlastungen empfahl. Die Reformen wurden als Erlass formuliert und sollen zum aktuellen Schuljahr greifen.

Mit Voigt-Küppers spricht erstmals ein prominentes Mitglied der Regierungsfraktionen offen vom "Plan B", falls sich G 8 als nicht durchsetzbar erweist. Die Entlastungsbeschlüsse seien Grundlage des Verfahrens, sagte die SPD-Politikerin. Es gebe aber eine "intensive Diskussion in der Partei", es sei "eine Menge im Fluss". Als denkbare Alternativen zu G8 nannte Voigt-Küppers einen achteinhalbjährigen Bildungsgang sowie Wahlfreiheit für die Gymnasien zwischen acht und neun Jahren. Das sei aber nicht ausdiskutiert. Die Entscheidung darüber, ob G8 Thema im Landtagswahlkampf 2017 werde, liege bei der Partei.

Damit steigt der Druck auf Ministerin Löhrmann. Erst vergangene Woche hatte sie angekündigt, an den Gymnasien "stärker regulierend" einzugreifen, die den Entlastungs-Erlass noch nicht ausreichend umgesetzt hätten. Gestern hieß es aus ihrem Haus, es sei nicht Aufgabe der Landesregierung, Fraktionsklausuren zu kommentieren; Löhrmann arbeite "in guter Kooperation mit den Gymnasien" an der Entlastung der Schüler. Löhrmanns Parteifreundin Sigrid Beer, Schulexpertin der Grünen, sagte: "Die Schulen haben sich an die Arbeit gemacht und erwarten, dass sie in Ruhe weiterarbeiten können."

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Abwartend zeigte sich die CDU. "Die Ministerin ist für die Durchsetzung an jeder Schule verantwortlich", sagte Fraktionsvize Klaus Kaiser. Jetzt müsse beobachtet werden, wie die Entlastungen wirken. "Es geht nicht, dass ein Schulsystem auf Dauer keine Akzeptanz findet", fügte der CDU-Politiker hinzu.

Der Philologenverband, der Lehrer am Gymnasium vertritt, zeigte sich beunruhigt. "Die Politik sollte nicht noch zusätzlich zündeln", sagte Landeschef Peter Silbernagel, "sondern so selbstbewusst sein zu sagen: Was wir erreicht haben, ist zum Erfolg verdammt. Ich habe kein Verständnis dafür, dass die SPD wieder Dinge infrage stellt." Er erwarte von Rot-Grün Geschlossenheit; G8 sei pädagogisch sinnvoll umsetzbar.

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Der Sprecher der Initiative "G9 jetzt", Marcus Hohenstein, vermutet, dass es zunächst nur um "weitere sogenannte Entlastungen" gehe. Die sind für ihn aber gleichbedeutend mit Bildungsabbau. Erst danach denke die Politik über Alternativen nach. Hohenstein: "Wir werden sehen, inwieweit es jetzt möglich ist, mit der SPD konstruktive Gespräche zu führen." Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 sei aber die "alte Mogelpackung".

(fvo)
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