Streit um Milliardenhilfen Städte werfen Schäuble Betrug vor

Die Kommunen zeigen sich fassungslos. Es geht um Milliardenhilfen durch den Bund. Im Koalitionsvertrag wurden sie den notleidenden Städten versprochen. Doch nun zeigt sich: Der Finanzminister trickst. Ein Oberbürgermeister wirft ihm Wortbruch vor. Auch über SPD-Chef Sigmar Gabriel braut sich etwas zusammen.

Rückblick auf den November 2013. Die neu gebildete Regierung Merkel/Gabriel/Seehofer stellt den Koalitionsvertrag vor. Viel Lob erhält sie vor allem für ihre Pläne zur Hilfe der darbenden Kommunen. Fünf Milliarden Euro jährlich für die so genannte Eingliederungshilfe, eine Milliarde Euro an Soforthilfe, so hält es der Koalitionsvertrag fest.

Umso größer das Erstaunen, als Wolfgang Schäuble nun am Mittwoch die Eckwerte für das Bundesbudget 2015 und die Finanzplanung bis 2018 vorstellte. Die Schock-Botschaft für die Kommunen: Soforthilfen sind erst ab 2015 vorgesehen, die fünf Milliarden jährlich sind gar erst ab 2018 vorgesehen.

Der Städtetag fordert nun den Bund auf, umgehend zu zahlen. "Die Kommunalpolitiker vor Ort, die das Leben der Bürgerinnen und Bürger besser und effektiver gestalten wollen, scheitern oftmals daran, dass die Spielräume immer enger werden. Deswegen muss die zugesagte Soforthilfe von 1 Milliarde Euro jährlich noch 2014 kommen", so Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

In den Rathäusern gärt nun die Wut. In der kommenden Woche wollen etwa 40 im Aktionsbündnis "Raus aus den Schulden" organisierte Kommunen in Mülheim an der Ruhr beraten, wie sie nun vorgehen. Der Handlungsdruck ist immens: Im Haushalt fehlen Millionen. Sollte etwa Gelsenkirchen auf den Kosten sitzen bleiben, müssten Steuern erhöht werden, sagte OB Frank Baranowski.

Er findet die wohl deutlichsten Worte zur Haushaltsplanung. Schäuble wirft er laut Westdeutsche Allgemeine Zeitung Wortbruch vor. "Man macht doch keinen Koalitionsvertrag für die nächste Legislaturperiode", schimpfte der OB.

Auch aus den Reihen der NRW-Landespolitik gibt es schrille Töne. Politiker aus den Reihen von SPD und Grünen reagierten empört. SPD-Fraktionschef Norbert Römer warf der Großen Koalition indirekt Betrug an der SPD-Basis vor: Ohne die Entlastung der Kommunen hätte es keine Zustimmung zur Großen Koalition gegeben. Grünen-Fraktionschef Rainer Priggen kritisierte laut WDR, CDU und SPD ließen "die Kommunen hängen".

Unterstützung finden die NRW-Kritiker an höchster Stelle im Nachbarland Hessen. So warnt auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier den Bund vor einem Bruch finanzieller Versprechungen. "Der Bund muss seine Zusagen einhalten", sagte er dem "Handelsblatt". Es gehe nicht an, dass die zugesagten Hilfen zur Eingliederung behinderter Menschen von fünf Milliarden Euro jährlich, die über die Länder an die Kommunen gehen sollen, erst frühestens 2018 fließen.

Bouffier drohte dem Bund indirekt mit Gegenreaktionen der Länder im Bundesrat. "Da werden wir nicht mitmachen", sagte Bouffier. "Es gibt genügend Vorhaben, bei denen der Bund auf die Zustimmung der Länder angewiesen ist", unterstrich er. Der Bund dürfe sich nicht zulasten der Länder und Kommunen gesund sparen. Zusagen müssten eingehalten werden.

Die Kommunen machen Druck auf Schäuble. Aber auch Vizekanzler Sigmar Gabriel könnte in Schwierigkeiten geraten. Schließlich hatte in vorderster er als SPD-Vorsitzender für die große Koalition geworben und dabei auch gerne auf die kommunenfreundlichen Passagen im Koalitionsvertrag verwiesen. Jetzt droht ihm dies als Betrug an den Genossen auf die Füße zu fallen.

Gelsenkirchens OB Baranowski hat seinen Parteichef jedenfalls schon auf dem Kieker. Im Interview warnte er Gabriel bereits deutlich: "Er soll sich daran erinnern, was er vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages versprochen hat, wenn er nicht selbst des Wortbruchs bezichtigt werden will."

(pst)
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