Debatte um soziale Spaltung Streit um Privatschulen für Reiche

Düsseldorf · Wissenschaftler werfen den Ländern vor, Internate und andere private Einrichtungen zu wenig zu kontrollieren. In vielen Fällen sei das Schulgeld zu hoch. Schüler reicher Eltern würden bevorzugt.

 Droht in der Bildung eine Zweiklassen-Gesellschaft? (Symbolfoto)

Droht in der Bildung eine Zweiklassen-Gesellschaft? (Symbolfoto)

Foto: dpa, Tobias Kleinschmidt

Immer mehr Kinder in Deutschland besuchen Privatschulen. In NRW wurden nach jüngsten Zahlen des Schulministeriums im gerade abgelaufenen Schuljahr bereits über acht Prozent nicht mehr in staatlichen Schulen unterrichtet. Seit 1992 stieg die Zahl der Privatschulen bundesweit um mehr als 80 Prozent auf über 5800.

Aus Sicht des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) ist diese Entwicklung besorgniserregend, weil die Regeln und Kontrollen für diese Schulen in den Bundesländern nicht ausreichend konkretisiert seien. Dies führe dazu, dass die Trennung der Schüler nach sozialen Schichten gefördert werde. Nach Auffassung der Autoren Michael Wrase und Marcel Helbig verstoßen die Länder damit gegen das Grundgesetz. So sei in vielen Fällen das Schulgeld zu hoch. Zudem bevorzuge die Aufnahmepraxis Kinder wohlhabender Eltern.

In der Verfassung verankert

Die im November veröffentlichte Studie löste einen Streit in Fachkreisen aus. Der Verband deutscher Privatschulverbände (VDP) widersprach vehement und kontert nun mit einem gerade veröffentlichten juristischen Gegen-Gutachten der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Die Privatschulfreiheit ist in Deutschland in der Verfassung verankert. Privatschulen, Konfessions- und Reformschulen dürfen laut Grundgesetz vom Staat aber nur genehmigt werden, wenn "eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird" (Sonderungsverbot). Eliteschulen sollen laut Verfassungsgericht strikt unterbunden bleiben. Privatschulen unterstehen den Landesgesetzen, die Aufsicht haben in NRW die Bezirksregierungen.

Schulgeld 500 oder 600 Euro

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte 2010 als oberste Grenze ein Schulgeld pro Kind und Monat von 150 Euro genannt. Unter Beachtung der Preissteigerung würde dies dem WZB zufolge heute einem Schulgeld von etwa 160 Euro entsprechen. Die Düsseldorfer Bezirksregierung hält sogar nur ein Schulgeld von etwa 140 Euro für verfassungskonform. Alternativ sei eine Staffelung nach den Einkommensverhältnissen der Eltern denkbar, heißt es dort. Einem Vergleichsportal im Internet und Stichproben auf den Internetseiten einzelner Privatschulen zufolge liegen viele Einrichtungen deutlich über dieser Grenze. Oft beträgt das Schulgeld 500 oder 600 Euro.

Der Privatschul-Verband ist hingegen der Überzeugung, dass die Schulen keinerlei Vorgaben zur Höhe des Schulgeldes unterlägen und beruft sich dabei auf die Friedrich-Naumann-Studie. Dort heißt es aber zugleich, dass die Auswahl der Schüler unabhängig von der Einkommens- und Vermögenssituation der Eltern erfolgen müsse. Dies sei bei den privaten Schulen seit Jahrzehnten gelebte Praxis, versicherte VDP-Präsident Klaus Vogt.

Kein Land erfüllt alle Vorgaben

Der nationale Bildungsbericht weckt daran Zweifel. Dort wird ein sozial selektiver Zugang zu Privatschulen beschrieben, der sich insbesondere in Ballungsräumen andeute. Das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW ermittelte, dass Kinder von Eltern, die Industriearbeiter oder Taxifahrer sind, viermal seltener Privatschulen besuchen als die von Ärzten, Ingenieuren, Lehrern oder Professoren.

Das WZB stellte auch einen Bundesländer-Vergleich an. Danach erfüllt kein Land alle Vorgaben zur Umsetzung des Sonderungsverbotes. NRW schneidet aber vergleichsweise gut ab: Von neun Grundsätzen seien fünf erfüllt. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Im Ministerium hieß es, die Schulen hätten das Recht, ihre Schüler frei auszuwählen.

(RP)
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