Friedrich Merz im Interview "Strompreise sind Problem für NRW-Wirtschaft"

Düsseldorf · Friedrich Merz spricht im Interview mit unserer Redaktion über die abrupte Energiewende und die Folgen für die Unternehmen in NRW

 Friedrich Merz soll im Falle eines Wahlsieges der CDU die Regierungskommission zur Zukunft des Industriestandorts leiten.

Friedrich Merz soll im Falle eines Wahlsieges der CDU die Regierungskommission zur Zukunft des Industriestandorts leiten.

Foto: rpo

Herr Merz, Sie sollen für Norbert Röttgen im Falle eines Wahlsiegs eine Regierungskommission zur Zukunft des Industriestandorts leiten. Wie sieht Industriepolitik aus?

Merz Es ist wichtig, dass die Zukunftsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Industrie in der Politik ganz oben auf die Agenda kommt und zwar unabhängig davon, wer nach dem 13. Mai die Landesregierung bildet. Die Wirtschaftskraft des Landes hängt im Wesentlichen von der Industrie ab. Die Politik muss die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Nur ein Beispiel: Die chemische Industrie hatte vor zehn Jahren 135 000 Beschäftigte an Rhein und Ruhr, jetzt sind es nur noch rund 90 000. Sie ist aber eine Schlüsselindustrie, sie hat eine enorme Bedeutung für den Wohlstand in diesem Land. Das muss die Politik deutlich machen, die richtigen Rahmenbedingungen schaffen und auf neue Technologien wie die Biotechnologie setzen, wenn diese Branche überleben soll.

Die Chemie und energieintensive Branchen leiden unter den hohen Strompreisen. Was kann Politik tun?

Merz Die Regierungskommission müsste sich sofort mit der Frage beschäftigen, wie sich die Energiewende auf die Industrie auswirkt. Die hohen Energiepreise und die Planungsunsicherheit sind ein wirklich großes Problem für die Wirtschaft in NRW.

Was heißt das konkret?

Merz Wenn die Energiepreise nicht weiter steigen sollen, ist zuerst der Staat gefragt, der mit Steuern und Abgaben den größten Teil der Energiekosten verantwortet. Die Politik sollte eine ehrliche Analyse vornehmen, was uns die Energiepolitik in Energiepreisen ausgedrückt zumindest in der ersten Phase wirklich kostet. Die staatlich veranlassten zusätzlichen Kosten der Energie, wie etwa die Ausgaben für Kraft-Wärme-Kopplung und für erneuerbare Energien, sind zu hoch. Deutschland kann sich als Industrieland auf Dauer nicht die höchsten Strompreise in Europa leisten. Das gefährdet ganze Unternehmen, wie sich am Beispiel der Aluminiumhütten und der Edelstahlerzeugung bereits zeigt.

Ihr Parteifreund Röttgen hat doch die Energiewende in Berlin mit beschlossen. Er könnte die Öko-Umlage doch viel stärker senken.

Merz Norbert Röttgen ist auf dem richtigen Weg und hat die Förderung der Erneuerbaren Energien bei der Stromeinspeisung bereits gekürzt, auch bei der Solarenergie. Das ist ein schwieriger Prozess, es gibt nicht die einfache Lösung.

Überfordert die Energiewende die Industrie?

Merz Zumindest gelangen einige Industrieunternehmen an ihre Grenzen. Mein Eindruck ist, dass die Energiewende sehr abrupt entschieden wurde und die zeitlichen Vorgaben vielleicht zu ambitioniert angelegt wurden. Nun hat die Politik aber entschieden. Dann muss sie aber auch die Bedingungen so setzen, dass Firmen die Umstellung verkraften. Kein Bundesland ist von der Energiepolitik so abhängig wie NRW.

Würden Sie die Kommission auch für eine Ministerpräsidentin Kraft leiten?

Merz Ich bin von Norbert Röttgen gefragt worden und habe mich für diese Aufgabe aus Überzeugung gern zur Verfügung gestellt. Unabhängig vom Ausgang der Landtagswahlen muss jede neue Landesregierung das Thema anpacken. Vor allem das Ruhrgebiet leidet unter einer anhaltenden De-Industrialisierung, auch wenn sich im Dienstleistungssektor dort schon viel getan hat. Aber im Ergebnis brauchen wir in ganz Nordrhein-Westfalen mehr und nicht weniger Arbeitsplätze in der Industrie und in modernen Industrieunternehmen. Darum geht es.

Michael Bröcker und Sven Gösmann führten das Gespräch.

(RP/csi/jh-/rm)
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