Streit um G8 Eltern in NRW sind gegen das Turbo-Abi

Witten · In einer Umfrage der Landeselternschaft der Gymnasien sprechen sich 79 Prozent für eine neunjährige Gymnasialzeit aus. Bürgerinitiativen fordern einen Kurswechsel, das Ministerium warnt vor Schnellschüssen.

Schulen in NRW - Fakten im Überblick
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Foto: dpa, Julian Stratenschulte

Die Unterstützung für das achtjährige Gymnasium (G8) in NRW schwindet weiter. Die Landeselternschaft der Gymnasien hat auf ihrer Mitgliederversammlung in Witten eine Erhebung des Bielefelder Bildungsforschers Rainer Dollase vorgestellt, in der sich massive Mehrheiten von Eltern, Lehrern und Schülern gegen G8 und für die Rückkehr zum neunjährigen Bildungsgang (G9) aussprechen. In einer Stichprobe an den 462 Gymnasien, die die Landeselternschaft vertritt, sprachen sich 79 Prozent der Eltern für G 9 aus. In einem zweiten Teil, einer Online-Befragung, waren es sogar 88 Prozent.

Viele Eltern befürchten durch die Schulzeitverkürzung eine Überlastung ihrer Kinder. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hatte daher 2014 einen runden Tisch einberufen, der sich (auch mit den Stimmen der Landeselternschaft) für eine Beibehaltung von G8, aber auch für Reformen ausgesprochen hatte. Diese Empfehlungen — etwa eine Reduzierung der Hausaufgaben und weniger Klassenarbeiten pro Woche — hat das Ministerium großteils in Verordnungen und Erlasse umgesetzt. 2015 sammelte eine Volksinitiative in NRW gegen G8 fast 100.000 Unterschriften.

Knapp 60 Prozent wollen bundeseinheitliche Regelung

In der Umfrage der Landeselternschaft bezeichnete sich weniger als ein Viertel der G8-Anhänger als "kompromisslos"; bei den G9-Anhängern waren es 44 Prozent. Gefragt nach Alternativen, sprachen sich fast 60 Prozent für "ein G9-Gymnasium wie früher" aus, nur 19 Prozent für ein verbessertes G8-Gymnasium. Knapp 60 Prozent befürworten auch eine bundeseinheitliche Regelung zur Länge der gymnasialen Schulzeit.

Dollase sagte, die Stichprobe mit 1310 Teilnehmern sei repräsentativ; die bisher vorliegenden Ergebnisse der Online-Befragung mit mehr als 38.000 ausgefüllten Fragebögen seien es jedoch nicht. In NRW gibt es gut 532.000 Gymnasiasten. Dollase ist selbst Befürworter einer längeren Gymnasialzeit; er warb auch in Witten für eine Abkehr von G8.

Der Vorsitzende der Landeselternschaft, Ulrich Czygan, will aus der Umfrage zunächst keine politischen Schlüsse ziehen. "Wir werden uns in einer Klausur Gedanken darüber machen", sagte Czygan. Offenbar aber hätten die Entscheidung für G8 und ihre Umsetzung die Eltern nicht überzeugt. Er deutete aber Alternativen an: Wahlfreiheit zwischen G8 und G9, ein paralleles Angebot an einzelnen Schulen oder die Möglichkeit, Klassen im G9 zu überspringen. "Wichtig ist, dass es keinen Glaubenskrieg zwischen dem einen Fünftel und den vier Fünfteln gibt", sagte Czygan.

Landeschef des Philologenverband zeigt sich verärgert

Deutlich klarere Forderungen formulieren die Bürgerinitiativen. "Die Landeselternschaft muss noch vor der Landtagswahl in gut einem Jahr ihren Standpunkt ändern", sagte Marcus Hohenstein von "G 9 jetzt" unserer Redaktion: "Mit der Umfrage ist die Positionierung vorgegeben." Anja Nostadt von der Initiative "Gib 8" sagte, die Landeselternschaft solle jetzt ein Gesetz verlangen, das G9 festschreibe. Auch Nostadt sprach sich für ein System aus, das einzelnen Schülern das Überspringen einer Klasse ermöglicht.

Czygan will nun den Dialog mit der Landesregierung suchen. Aus dem Schulministerium hieß es, man stehe für Gespräche zur Verfügung. Löhrmann warne aber vor "Schnellschüssen" und plädiere dafür, "den am runden Tisch gemeinsam eingeschlagenen Weg weiterzugehen". Das Ministerium fügte hinzu, dass die Anmeldezahlen an den elf Gymnasien, die G9 im Zuge eines Schulversuchs anbieten, in diesem Jahr um zehn Prozent gesunken seien.

Verärgert zeigte sich der Landeschef des Philologenverbands, Peter Silbernagel: "Warum die Landeselternschaft nun erneut das Fass G8/G9 aufmacht, ist uns ein Rätsel."

(fvo)
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