Analyse Dauerstau beim Straßenbau

Düsseldorf · Nordrhein-Westfalen hat nicht genügend Pläne für Verkehrsprojekte in der Schublade. Das wurde jetzt erneut deutlich, als der Bundesverkehrsminister dem Land nur einen Bruchteil seines Milliarden-Programms zusicherte.

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Foto: Uwe Miserius

Irgendetwas stimmt nicht mit dem Straßenbau in NRW. Es kann doch kein Zufall sein, dass das Land bei der Aufteilung des Milliardenkuchens, den der Bund für die Verkehrsinfrastruktur gebacken hat, nur ein Mini-Stückchen abbekommt. 2,7 Milliarden Euro stellt Berlin den Ländern in den nächsten Jahren zur Verfügung, doch NRW ist mit lediglich 128 Millionen Euro dabei. Das sind noch nicht einmal fünf Prozent - und das, obwohl NRW das verkehrsreichste der 16 Bundesländer ist. Für Berufspendler, die im morgendlichen Dauerstau stecken, ist NRW wohl eher das Stauland Nummer eins.

Bayern bekommt aus dem Milliardenpaket des Bundes mit 621 Millionen Euro den dicksten Brocken. Das nährt den in Nordrhein-Westfalen bestehenden Verdacht, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ebenso wie sein Vorgänger Peter Ramsauer (beide CSU) bei der Mittelvergabe die Heimat besonders im Blick hat. Doch Dobrindt hat klar gesagt, dass es Geld nur für fertig geplante Projekte gibt, die gleich begonnen werden können. Zugleich appellierte er an die anderen Bundesländer (gemeint war sicher in erster Linie Nordrhein-Westfalen), ihre Planungen zu forcieren.

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Nach Ansicht des Präsidenten der Industrie- und Handelskammern NRW, Ralf Kersting, hätte Dobrindt "bei etwas gutem Willen mehr Geld für Nordrhein-Westfalen freigeben können". Hätte er das wirklich? Dobrindt hat den wunden Punkt getroffen: NRW kann offenbar nicht genug fertige Planungen vorweisen, auch wenn Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD) kontert, weitere ausgeplante Projekte seien bislang an der Finanzierungszusage des Bundes gescheitert. Bayern soll jedenfalls noch Pläne für Projekte mit einem Gesamtvolumen von bis zu zwei Milliarden Euro in der Schublade haben. Man kann also nachlegen, falls der Bund weitere Mittel zu vergeben hat.

Nordrhein-Westfalen hat dagegen anscheinend seine Planreserven bereits ausgeschöpft. "Jetzt regnet es Brei, und NRW fehlen die Löffel", merkt Oliver Wittke süffisant an. Der CDU-Politiker war von 2005 bis 2009 (als er wegen zu schnellen Fahrens erwischt wurde) Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen. Ihn hat die rot-grüne Landesregierung noch immer im Visier. Wittke habe damals beim Landesbetrieb Straßenbau massiv Personal abgebaut; dies habe auch Stellen für Planungs-Ingenieure betroffen. Wittke bezeichnet das als "völlig falsch". Er habe den Landesbetrieb zwar verschlankt und landesweit neun Niederlassungen geschlossen, doch dadurch sei der Planungsausstoß nicht beeinträchtigt worden, da er sehr viele Aufträge an private Büros vergeben habe.

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Foto: Radtke

Nach dem Regierungswechsel 2010 reduzierte der neue Verkehrsminister Harry Voigtsberger (SPD) die Planungsaufträge an Externe. Das geschah vermutlich aus Rücksicht auf den grünen Koalitionspartner, dessen Parlamentarischer Staatssekretär Horst Becker im Verkehrsministerium saß.

Voigtsbergers Nachfolger, Michael Groschek (SPD), erkannte die Schwachstelle im Bereich Straßen- und Brückenplanung und kündigte an, 20 neue Stellen für Ingenieure zu schaffen. Nach Auskunft des Verkehrsministeriums sind diese Stellen inzwischen besetzt, obwohl das Land den Mitarbeitern wohl nicht die Gehälter zahlen kann, die sie in Unternehmen der freien Wirtschaft erzielen könnten. Zudem ist NRW jetzt der Projektmanagementgesellschaft Deges (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) beigetreten. Dadurch seien weitere Planungskapazitäten gesichert worden, betont das Verkehrsministerium.

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Obwohl unter Groschek die Verkehrsinfrastruktur viel stärker in den Fokus der Landespolitik gerückt ist als unter seinem Vorgänger, konnte er die Versäumnisse der zurückliegenden Jahre nicht auf Anhieb wettmachen. Im Jahr 2013 etwa musste NRW 48 Millionen Euro an den Bund zurückzahlen, weil es keine ausgeplanten Straßenprojekte vorlegen konnte. Auch jetzt noch mutet das Land wie ein verkehrsplanerischer Zwerg an, wenn man an den mageren Betrag von 128 Millionen Euro Bundesmittel denkt. Bei einem Etat von 65 Milliarden Euro gibt NRW in diesem Jahr gerade einmal 137 Millionen Euro für Landstraßen aus.

Immerhin kommt Bewegung in eine festgefahrene Debatte: Groschek zeigte sich unlängst im Landtag bereit, über Öffentlich-Private Projektpartnerschaften (ÖPP) zu reden: "Wo sich ÖPP rechnet - gern." Lange Zeit hatte er ÖPP strikt abgelehnt. Jetzt hat Dobrindt erneut den restlichen sechsstreifigen Ausbau der A 57 zwischen Köln und Moers (mit dem Kaarster Kreuz) ins Spiel gebracht. Der Bau von Autobahnen ist zwar Bundessache, doch das Land muss die Planungskosten vorfinanzieren und letztlich wohl einen Teil übernehmen. Gleichwohl signalisiert NRW Interesse, will aber abwarten, welche konkreten Vorschläge der Bundesverkehrsminister dazu macht.

Derweil hält nach Einschätzung des Bauindustrieverbands NRW der "Planungs-Notstand" im Land an. Ex-Minister Wittke, der auch Mitglied des Verkehrsausschusses des Bundestages ist, macht der Landesregierung daher weitreichende Zusagen. Im Gespräch mit unserer Zeitung sicherte er zu: "Ich werde in Berlin dafür sorgen, dass jedes baureife Projekt aus NRW gefördert und ausfinanziert wird."

(RP)
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