Landtagswahl NRW Als Rot-Gelb das Laufen lernte

Düsseldorf · In Nordrhein-Westfalen hat es schon zweimal Bündnisse von SPD und FDP gegeben. Eine sozialliberale Neuauflage wird derzeit wieder in Düsseldorf diskutiert, obwohl es dafür nach den jüngsten Umfragen zahlenmäßig keine Mehrheit gibt.

 1966 das erste Kabinett Kühn. (v.l.) Hermann Kohlhase (FDP, Wohnen), Fritz Kassmann (SPD, Bundesrat), dahinter fast ganz verdeckt Fritz Holthoff (SPD, Kultus),Josef Neuberger (SPD, Justiz), Willi Weyer (FDP, Inneres), Heinz Kühn, Diether Deneke (SPD, Landwirtschaft), Hans Wertz (SPD, Finanzen), Werner Figgen (SPD, Soziales), Bruno Gleitze (SPD, Wirtschaft).

1966 das erste Kabinett Kühn. (v.l.) Hermann Kohlhase (FDP, Wohnen), Fritz Kassmann (SPD, Bundesrat), dahinter fast ganz verdeckt Fritz Holthoff (SPD, Kultus),Josef Neuberger (SPD, Justiz), Willi Weyer (FDP, Inneres), Heinz Kühn, Diether Deneke (SPD, Landwirtschaft), Hans Wertz (SPD, Finanzen), Werner Figgen (SPD, Soziales), Bruno Gleitze (SPD, Wirtschaft).

Foto: dpa

Knapp einen Monat vor der Landtagswahl lässt sich noch nicht absehen, wie die künftige NRW-Regierung aussehen könnte. Neben einer großen Koalition aus SPD und CDU ist zunehmend von einem sozialliberalen Bündnis die Rede. Doch schon Ende vergangenen Jahres hatte SPD-Landeschefin Hannelore Kraft als Festrednerin auf der 70-Jahr-Feier der FDP daran erinnert, dass beide Parteien 1956 die erste sozialliberale NRW-Regierung gebildet hätten.

Die Liberalen haben diesmal zwar einem Dreierbündnis aus SPD, FDP und Grünen ("Ampel") eine Absage erteilt, nicht jedoch einer rot-gelben Koalition. SPD und FDP haben genügend programmatische Schnittstellen, die als gemeinsame Basis ausreichen dürften. In der für NRW besonders wichtigen Wirtschafts- und Energiepolitik etwa liegen sie deutlich enger beieinander als SPD und Grüne.

Abgesehen von dem rot-gelben Intermezzo 1956 bis 1958 unter SPD-Regierungschef Fritz Steinhoff haben Sozialdemokraten und Liberale 14 Jahre lang - von 1966 bis 1980 - den politischen Kurs in NRW bestimmt. Alles begann damit, dass sich beide Parteien 1966 zu einem spektakulären Machtwechsel entschlossen. Sie stürzten im Landtag den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Franz Meyers und wählten den Sozialdemokraten Heinz Kühn zu seinem Nachfolger. Dass die Liberalen damit gegen eine Regierung putschten, der sie bis dahin selbst angehörten, störte sie nicht. Zehn Jahre zuvor hatten sie es mit dem CDU-Ministerpräsidenten Karl Arnold genauso gemacht. All das trug der FDP den Ruf ein, wankelmütig zu sein und um des Mitregierens willen die Fronten zu wechseln. Dabei hätte der Kölner Heinz Kühn damals viel lieber eine große Koalition gebildet, doch die SPD-Fraktion legte sich quer. Kühn, ein rhetorisch brillanter Intellektueller, schrieb später in seinen Memoiren über Rot-Gelb: "Wir haben unsere Ehe am Verstandesamt geschlossen, und viel Liebe war nicht dabei." Rot-Gelb in Nordrhein-Westfalen bedeutete nicht nur das Ende einer langen CDU-Regierung im Land, sondern läutete auch den Machtwechsel im Bund ein: 1969 wurde in Bonn die erste sozialliberale Bundesregierung mit Willy Brandt als Kanzler und Walter Scheel (FDP) als Außenminister gebildet.

Das erste Kabinett Kühn umfasste zehn Ministerien; zwei davon bekam die FDP. Der Zigarrenraucher Willi Weyer, den Kühn als "erprobtes Regierungstalent" schätzte, übernahm das Innenressort, während sein FDP-Kollege Hermann Kohlhase Bauminister wurde.

Streckenweise nahmen SPD und FDP die CDU mit ins Boot. Angesichts des in Not geratenen Steinkohlebergbaus rückten die drei Parteien (mehr gab es damals nicht im Landtag) zur "Kohlefraktion" zusammen. Mit Zustimmung großer Teile der CDU wurde die Verfassung geändert, um die Hauptschulen in Gemeinschaftsschulen umwandeln zu können. Damals wurde auch die Verlängerung der Wahlperiode von vier auf fünf Jahre beschlossen. Daher fand die nächste Landtagswahl erst 1975 statt. Aus ihr ging die SPD als stärkste Partei hervor; sie setzte das Bündnis mit den Liberalen fort. Für die FDP gelangten Horst-Ludwig Riemer (Wirtschaft) und Burkhard Hirsch (Innen) in Kühns zweites Kabinett. Als zentrale Aufgabe bezeichnet Hirsch rückwirkend die Gebietsreform: Die Zahl der Gemeinden in NRW wurde von 2277 radikal auf 396 gekappt. Statt 38 kreisfreier Städte gab es am Ende lediglich 23.

Wachsende Arbeitslosigkeit setzte in den 70er Jahren dem Land massiv zu. Damals sprach Kühn den später oft zitierten Satz: "Es gibt Zeiten, in denen die Bewahrung des Erreichten das Maximum des Erreichbaren ist." Trouble um die WestLB und vor allem der Widerstand gegen die Koop-Schule führten 1978 zum Rücktritt von Kühn. Sein Nachfolger wurde der Wuppertaler Johannes Rau, der noch zwei Jahre lang mit der FDP koalierte. Bei der Landtagswahl 1980 mussten die Liberalen dann erstmals erleben, dass die Wähler ihnen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde halfen. Hirsch rückschauend: "Das war ein Schock."

(hüw)
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