Wahlarena zur NRW-Wahl Falsche Schwerpunkte gesetzt

Meinung | Düsseldorf · Die Fernsehdebatten der NRW-Spitzenkandidaten haben gewisse Erkenntnisse gebracht. Für die Wahlentscheidung sollten sie dennoch nicht ausschlaggebend sein.

Der Wahlkampf in NRW geht in die Endphase, und mehr als jeder dritte Wähler ist noch unentschieden. Diese Woche trafen die Spitzenkandidaten der Parteien aufeinander, zunächst Hannelore Kraft (SPD) und Armin Laschet (CDU), dann zwei Tage später alle sieben in größerer Runde. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse:

  1. Herausforderer Laschet, häufig mit dem Prädikat harmlos versehen, zeigte sich überraschend kämpferisch. Gerade bei Fragen der Inneren Sicherheit zwang er Hannelore Kraft mit Verweis auf die Kölner Silvesternacht oder den Terroristen Anis Amri in die Defensive. Beim Thema soziale Gerechtigkeit hingegen konnte Kraft die Angriffe parieren, indem sie etwa auf sinkende Arbeitslosenzahlen verwies. Auch in der großen Wahlarena mit allen Spitzenkandidaten wirkte Laschet streckenweise überzeugend. Am Ende aber schien ihn die Angriffslust zu verlassen. Mit seinem Satz "wer jetzt FDP wählt, hilft, dass Frau Kraft stärkste Kraft wird", wirkte er wie ein Bittsteller, der um FDP-Stimmen buhlt.
  2. Die "Elefantenrunde" lieferte eine Vorahnung, wie es künftig im Landtag zugehen könnte, wenn dort künftig tatsächlich sechs Fraktionen vertreten sein sollten, wie es jüngste Umfragen nahelegen. Die Vertreterin der Linken, Özlem Alev Demirel, etwa setzte immer wieder gezielte Nadelstiche, indem sie für die kompromisslose Rückkehr zu G9 an Gymnasien warb oder von ihren schlechten Erfahrungen bei der Suche einer Kita in NRW berichtete. Im Umgang mit dem AfD-Mann Marcus Pretzell unterliefen den anderen Spitzenkandidaten Fehler. So ließen sie sich etwa von dessen Aussage provozieren, dass am Wochenende die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen zur neuen Präsidentin Frankreichs gewählt werde — und wurden darüber unsachlich.
  3. Loyalitäten werden brüchig, neue Allianzen entstehen. Gleich mehrfach betonte Kraft inhaltliche Gemeinsamkeiten mit dem FDP-Spitzenmann Christian Lindner, den sie zuvor lieber auf Distanz gehalten hatte, etwa bei der Ablehnung von Dieselfahrverboten. Jüngsten Umfragen zufolge käme die FDP auf 13 Prozent. Beim Thema Schulpolitik hingegen zog Kraft nicht an einem Strang mit ihrer merklich unter Druck stehenden Schulministerin, der Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann, sondern stellte die SPD-Pläne für die Zukunft in den Vordergrund. Auf der anderen Seite vermieden es Kraft und Laschet gleichermaßen, zu hart aneinander zu geraten. Eine große Koalition ist in NRW den Umfragen zufolge zurzeit die wahrscheinlichste Option.
  4. Der Schlagabtausch hat zwar in komprimierter Form verdeutlicht, wie es in wichtigen Fragen um NRW steht. Die Schwerpunkte allerdings waren dabei oft nicht richtig gesetzt: Innere Sicherheit und Terror etwa wurden angesichts der tatsächlichen Gefahr überbewertet, Wirtschaftsthemen nahmen gemessen an ihrer Bedeutung viel zu wenig Raum ein.

Wem auch immer der noch unentschlossene Wähler am 14. Mai seine Stimme gibt, die jüngsten Fernsehdebatten sollten dafür nicht ausschlaggebend sein.

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(kib)
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