Sammlung der WestLB Nazi-Vergleich: Streit um Kunstverkauf artet aus

Düsseldorf · Der Künstler Heinz Mack erhebt schwere Vorwürfe gegen die Pläne der NRW-Landesregierung und zieht Parallelen zum Dritten Reich.

 Der Künstler Heinz Mack in seinem Atelier.

Der Künstler Heinz Mack in seinem Atelier.

Foto: Ute Mack

Heinz Mack ist der erste Künstler von Rang und Namen, der sich in die Debatte um die geplanten Kunstverkäufe des landeseigenen Unternehmens Portigon (Ex-WestLB) einmischt. Der Zero-Künstler tut dies mit aller Wucht.

Am Tag vor dem Runden Tisch berichtet er unserer Redaktion von seinem Briefwechsel mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), aus dem hervorgeht, dass er sich empört über die bereits getätigten Kunstverkäufe äußert wie auch über die bevorstehenden, über die heute am Runden Tisch im Kulturministerium diskutiert werden soll.

Mack zieht in seinem Brief an Kraft Parallelen zwischen dem Umgang mit Kunst und Künstlern in der Gegenwart und dem im Dritten Reich. "1939 wurden in Luzern Werke aus dem Besitz deutscher Museen versteigert", heißt es in seinem Schreiben, das er mit kalligrafischer Präzision und einer Signatur verfasst hat. "Für ein Meisterwerk von Chagall, das heute 120 Millionen Euro wert wäre, wurden gerade 1600 Franken bezahlt." Der Künstler kommt zu dem Schluss: "Der makabre Ausverkauf der Moderne erbrachte Deutschland keine Devisen". Dabei erwähnt Mack, dass die Wanderausstellung "Entartete Kunst" kurz vorher auch in Düsseldorf mehr als 100 000 Besucher gesehen hatten, die nicht erfuhren, dass der Staat mit der Kunst auch noch Geld erwerben wollte.

Im Interview erklärt der 83-Jährige, dass Erinnerungen an das Dritte Reich unvermeidlich seien und dass seine Assoziationen wahrscheinlich einem Komplex entspringen, unter dem seine Generation lebenslang leide. Er wolle vor allem die Politiker aufrütteln und dazu animieren, wohlüberlegt und sehr vorsichtig zu handeln, sollten sie auf die Kunst Einfluss nehmen. "Dass eine Tragik oder eine Katastrophe für die Kunst entsteht, wenn der Staat nicht bereit ist, ihr ein positiv gestimmter Partner zu sein", befürchtet er. Dann könne es leicht zu dem kommen, was im Dritten Reich passiert ist.

Heute kommt auf Einladung von NRW-Kulturministerin Ute Schäfer (SPD) der Runde Tisch zusammen. Vertreter aus Wirtschaft, Kultur und Politik beraten über die Zukunft der WestLB-Kunstsammlung, die Portigon verkaufen will. Konsens unter fast allen der gut 20 Teilnehmer ist inzwischen: Die wichtigsten Werke der Sammlung müssen in NRW bleiben - allerdings möglichst, ohne dass der Steuerzahler dafür Geld in die Hand nehmen muss. Das ist nicht einfach, da die WestLB-Nachfolgerin Portigon die Werke nicht verschenken darf - die Bank wird auf Druck der EU abgewickelt.

FDP-Finanzexperte Ralf Witzel: "Wir müssen private Sponsoren finden, die die Werke übernehmen und sich verpflichten, sie trotzdem öffentlich im Land zugänglich zu lassen." Um für dieses Unterfangen mehr Zeit zu gewinnen, will der kulturpolitische Sprecher der Grünen, Oliver Keymis, heute folgende Konstruktion vorschlagen: Portigon soll die Sammlung der landeseigenen Kunststiftung NRW stiften. "Für den Verlust, der dabei in der Portigon-Bilanz entsteht, sollte das Land eine Bürgschaft übernehmen, um den Portigon-Vorstand vor dem rechtlichen Vorwurf der Veruntreuung von Unternehmensvermögen zu schützen." Für das Land sei die Bürgschaft verkraftbar. "Ausgehend vom Versicherungswert der Sammlung gehe ich beim Buchwert von einem Volumen von rund 50 Millionen Euro aus", so Keymis. Andere Schätzungen sprechen sogar davon, dass die ganze Sammlung nur einen einstelligen Millionenbetrag wert ist.

"Es ist eine Unverschämtheit der Landesregierung, dass wir bis heute keine Schätzung zum Wert der Sammlung vorliegen haben", sagt der kulturpolitische Sprecher der CDU, Thomas Sternberg. Er will heute ein Moratorium einfordern: "Bis die drängenden Fragen nicht geklärt sind, darf Portigon nicht verkaufen", so Sternberg.

Regierungssprecher Thomas Breustedt wies die Vorwürfe Macks zurück. Zwar wolle die Ministerpräsidentin auf die Vergleiche des Künstlers mit dem Kunstverkauf des NS-Regimes nicht eingehen. Sie nehme aber, so der Sprecher, die Sorgen der Betroffenen ernst und sei sich der Verantwortung für Kunst und Kultur des Landes bewusst. Zunächst solle der Runde Tisch alle Fragen diskutieren. Dann werde das Gremium Konzepte zum Umgang mit Kunst entwickeln, die sich im Eigentum landeseigener Unternehmen befände. Einen Brief dieses Inhalts hatte Kraft bereits Ende Januar an Mack geschickt. Zuvor hatte die Ministerpräsidentin in einem Brief an die NRW-Museumsdirektoren zugesichert, keine Kunst aus direktem Landesbesitz zur Haushaltskonsolidierung zu veräußern.

(RP)
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