Düsseldorf WestLB verkaufte heimlich Kunst

Düsseldorf · An der Aufsicht vorbei verkaufte Vorstandschef Thomas Fischer ein Bild aus der WestLB-Kunstsammlung für 13,9 Millionen Euro. Das Selbstporträt von Max Beckmann war wohl mehr als 30 Millionen wert.

Düsseldorf: WestLB verkaufte heimlich Kunst
Foto: centertv

Zum derzeit heftig umstrittenen Verkauf von zwei landeseigenen Andy-Warhol-Gemälden aus Beständen des Aachener Spielcasinos gibt es einen kaum bekannten Parallelfall aus dem Jahr 2006: Damals verkaufte die damalige Landesbank WestLB ein weltberühmtes Selbstporträt von Max Beckmann. Auch dieses Gemälde gehörte einer Tochter des Landes und war damit - genau wie die jetzt zum Verkauf stehenden Warhol-Gemälde - Eigentum der Bürger in NRW. Nach Recherchen unserer Redaktion wurde der Beckmann ohne Absprache mit der Landespolitik und offenbar weit unter Wert verkauft.

Die ehemalige WestLB-Mitarbeiterin Sabine Bierbaum sagte gestern unserer Redaktion: "Es fand eine Mauschelei zuungunsten des Steuerzahlers statt." WestLB-Chef Thomas Fischer habe den Verkauf "ohne Beteiligung des Aufsichtsrates" veranlasst und dafür von einem unbekannten Privatinvestor nur gut zehn Millionen Euro erhalten. "Wenige Monate danach wurde es auf der internationalen Kunstmesse Tefaf in Maastricht für 30 Millionen Euro weiterverkauft", erinnert sich Bierbaum. Andere Quellen bestätigen die Angaben zu den Umständen des Verkaufs und zum Weiterverkauf weitgehend. Ein beteiligter Jurist aus dem Umfeld der Bank, der anonym bleiben möchte, sagte unserer Redaktion: "Fischer hat den Beckmann für 13,9 Millionen Euro verkauft."

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete am 10. März 2007 über den Versuch der New Yorker Galerie Marlborough, das Werk auf der Tefaf weiterzuverkaufen: "Preisvorstellungen zu diesem Bild scheinen bei der Galerie zu schwanken; unterschiedliche Nachfragen führten zu Angaben von 30 und von 40 Millionen Euro", heißt es in dem Bericht. Wenig später wurde Fischer aus dem Vorstand der WestLB abberufen, nachdem die Bank 600 Millionen Euro bei Aktienspekulationen verloren hatte.

Bierbaum legte unserer Redaktion Briefe vor, in denen sie Helmut Linssen und Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff über den Vorgang informierte. Linssen war damals als NRW-Finanzminister für die WestLB-Aufsicht verantwortlich, Grosse-Brockhoff war Staatssekretär für Kultur. Bohrend fragte Bierbaum: "Liegt ein Missbrauch der Verfügungsbefugnisse vor, wenn der Vorstandsvorsitzende der WestLB aus eigenem Machtentscheid Vermögensgegenstände seines Arbeitgebers zu Lasten der Eigentümer und zum Schaden des nationalen Kunsterbes ,verscherbelt'?" Die beiden Christdemokraten erinnern sich noch an den Vorgang und erfuhren offenbar tatsächlich erst durch die Briefe vom Verkauf. Linssen: "Der damalige WestLB-Chef Thomas Fischer hat das Selbstbildnis von Max Beckmann im Jahr 2006 nach Abstimmung im Vorstand freihändig und ohne Rücksprache mit den Aufsichtsgremien verkauft." Als er davon erfahren habe, habe er "sichergestellt, dass solche Verkäufe künftig nicht mehr ohne Rücksprache mit der Aufsicht erfolgen."

Linssen erinnert sich auch, "dass das Werk nach dem Verkauf durch die WestLB auf einer Kunstmesse in Maastricht für 30 Millionen Euro weiterverkauft werden sollte". Allerdings habe Fischer den Wert des Werkes vor dem Verkauf durch Gutachten prüfen lassen.

Grosse-Brockhoff sagt: "Ich erinnere mich an den Vorgang, der mich mächtig aufgeregt hat." Auch er schlug als Reaktion auf den Kunstverkauf vorbeugende Maßnahmen vor: "Das Verhalten des damaligen Vorstandsvorsitzenden der WestLB fand ich höchst ungewöhnlich, was mich veranlasst hat, für die Zukunft eine bei der Kunstsammlung NRW angedockte Stiftung vorzuschlagen, auf die der Kunstbesitz der WestLB, der NRW.Bank sowie der Westspiel KG übergehen sollte." Thomas Fischer war gestern weder direkt noch über ehemalige Arbeitgeber oder Kollegen zu erreichen.

Die WestLB-Nachfolgerin Portigon bestätigt den Verkauf des Gemäldes im Jahr 2006, hat aber keine Informationen über den Weiterverkauf. "Der Erlös wurde in die Gewinn- und Verlustrechnung der WestLB eingestellt", so ein Sprecher. Die Angemessenheit des Verkaufspreises, den die Bank geheim halten will, sei "aus drei unabhängigen Quellen" bestätigt worden. Danach seien bis auf sogenannte "Kunst am Bau"-Elemente keine weiteren Werke aus dem Kunstbestand der WestLB mehr veräußert worden.

(RP)
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