Gabriel-Berater Machnig im Interview "Wir müssen uns mit der Linken befassen"

Berlin (RP). Der Thüringer SPD-Wirtschaftsminister Matthias Machnig (50) führte die erfolgreichen Bundestags-Wahlkämpfe 1998 und 2002 und ist ein enger Berater des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt der Sauerländer wie Gabriel die Partei wieder aufgerichtet hat und warum die Linkspartei eine politische Realität geworden ist.

 Matthias Machnig ist enger Berater des SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel.

Matthias Machnig ist enger Berater des SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel.

Foto: ddp

Ist die SPD nach der Wahlniederlage im Herbst 2009 schon wieder aus der Reha-Klinik raus?

Machnig Absolut. Unser neuer Parteivorsitzender Sigmar Gabriel hat es geschafft, der Partei mit einer wegweisenden, selbstbewussten Rede auf dem Parteitag und der anschließenden integrativen Arbeit eine Art Katharsis zu verordnen. Es wird wieder diskutiert und Politik gemacht in der SPD.

In NRW rufen Sie schon die rot-grüne Renaissance aus.

Machnig Rot-Grün ist eine reale Machtoption in Nordrhein-Westfalen. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat es nicht mehr in der Hand, Ministerpräsident zu bleiben, darüber entscheidet eher die Wahlbeteiligung. Die Wahl am 9. Mai ist eine klare Richtungswahl zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün. SPD und Grüne stehen dabei für eine soziale und ökologische Erneuerung im Land. Das kann NRW gut gebrauchen.

Die rot-grüne Nähe ist doch eine Mär. In der Industrie- und Kohlepolitik trennen beide Parteien Welten.

Machnig Auch die Grünen wissen, dass zu einem modernen Energie-Mix bis auf weiteres effiziente fossile Kraftwerke gehören. SPD und Grüne sind sich aber auch einig, dass die Investitionen in erneuerbare Energien und in neue Technologien, etwa Kraft-Wärme-Kopplung, erheblich ausgeweitet werden müssen. Die CDU hat einen Bundesumweltminister, der Ökodumping betreibt — durch Einschnitte in die Solarförderung, die Einstellung von Marktanreizprogrammen und die gleichzeitige Förderung der Kernenergie. Die CDU hat keine ökologische Kompetenz. Wer die ökologische Erneuerung will, der muss Rot-Grün wählen.

Die Grünen lassen sich aber nicht mehr so dominieren wie 1998. Machnig Rot-Grün wäre eine Koalition von zwei selbstbewussten Parteien. Das ist gut für das Land und die Ziele der Landesparteien.

Wie läuft die schwarz-rote Koalition in Thüringen?

Machnig Das ist eine gute Koalition. Die SPD modernisiert die CDU. Deshalb kommt das Land auch voran.

Warum sollte die große Koalition nicht auch in Düsseldorf funktionieren?

Machnig In NRW geht es um einen Politikwechsel, eine Richtungsentscheidung. Das System Rüttgers muss abgelöst werden. Große Koalitionen sind eine demokratische Ausnahmesituation und müssen dann auch konstruktiv geführt werden. Erstrebenswert sind sie aber nicht.

Glauben Sie ihrer Parteifreundin Hannelore Kraft?

Machnig Ja klar, warum?

Weil vielen in NRW nicht so klar ist, ob sie nun mit der Linkspartei koalieren würde oder nicht.

Machnig Man sollte nicht zu viel über die Linkspartei reden. Dadurch wertet man sie nur auf. Wir fragen aber nach ihrer Meinung zu einer Koalition mit der Linkspartei. Machnig Wir kämpfen für Rot-Grün. Das ist auch möglich.

Was halten sie von der Linkspartei?

Machnig Die Linkspartei ist eine politische Realität und alle anderen Parteien müssen sich damit befassen, auch wir. Ich halte sie für überschätzt und am Ende auch für überflüssig. Dass die CDU als einziges Wahlkampfthema die Endlosschleife einer Rote-Socken-Kampagne fährt, zeigt doch nur ihre Hilflosigkeit. Das ist eine Angstkampagne, keine Zukunftskampagne.

Ihr Parteichef Sigmar Gabriel hat eine rot-rot-grüne Koalition ziemlich deutlich abgelehnt.

Machnig Die SPD definiert sich über sich selbst, nicht über andere Parteien. Die Realitäten eines Fünf-Parteiensystems müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Welchen Anteil hätte Hannelore Kraft an einem Wahlsieg?

Machnig Sie hat mit hoher inhaltlicher Kompetenz die Partei nach der Niederlage 2005 zusammengehalten und weist jetzt zurecht auf die Defizite der Landesregierung, etwa in der Kommunal- und Schulpolitik hin. Aber natürlich wird auch über die Leistung der Landesregierung abgestimmt.

In der FDP gibt es junge, neue Stimmen, die ihren Fokus von Steuerpolitik weg und hin zu Teilhabe und einer neuen Balance zwischen staatlicher Regulierung und freien Märkten richten. Wird die FDP nach Westerwelle sozialer?

Machnig Westerwelle hat erst im Zusammenhang mit dem Verfassungsgerichtsurteil zu Hartz IV wieder gegen den Sozialstaat und damit letztlich gegen das Grundgesetz polemisiert. Dort geht es um soziale und kulturelle Teilhabe. Dagegen stellt die FDP das Prinzip Spaltung. Ich denke, das gehört zum Markenkern dieser Partei. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

(RP)
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