Leverkusen Massenschlägerei als Machtprobe

Leverkusen · In Leverkusen hatten sich am Dienstag Dutzende Männer zu einer Schlägerei verabredet. Etliche der Beteiligten waren aus dem Umland angereist. Solche Konfrontationen stellten eine neue Dimension dar, sagt ein Gewaltforscher.

Polizei verhindert Massenschlägerei in Leverkusen
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Polizei verhindert Massenschlägerei in Leverkusen

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Foto: Hoffmann

Nur aufgrund von Hinweisen von besorgten Bürgern konnte die Polizei in Leverkusen am Dienstagabend eine Massenschlägerei mit bis zu 200 Beteiligten verhindern. 80 junge Männer hatten sich am Busbahnhof im Leverkusener Zentrum versammelt, auch aus den Stadtteilen Wiesdorf, Opladen und Rheindorf meldeten Anwohner Gruppen von Jugendlichen. Als sich die Hinweise auf eine offenbar geplante Schlägerei verdichteten, rückte die Polizei mit einem Großaufgebot aus. Die Einsatzkräfte kontrollierten 111 Personen und stellte ihre Personalien fest. Wie sich dabei herausstellte, waren 64 der jungen Männer minderjährig. Die Beamten stellten Waffen sicher, darunter Schlagstöcke, Messer, Mundschutz und eine Schreckschusspistole.

Gut die Hälfte der Männer, die sich gezielt zu der Prügelei verabredet haben sollen, sind nach Angaben der Polizei junge Deutsche mit Migrationshintergrund, die übrigen kommen überwiegend aus der Türkei, weitere aus Syrien, dem Irak und den Balkan-Staaten. Viele von ihnen waren bereits vor der vereitelten Schlägerei polizeibekannt. Einige waren aus der Umgebung angereist, zum Beispiel aus dem Bergischen, aus Mettmann und Neuss.

Der Grund für die Verabredung zur Schlägerei war vermutlich eine Nichtigkeit. Anscheinend ging der vereitelten Massenschlägerei ein Streit zwischen zwei jungen Männern in Leverkusen voraus. Laut Polizei gibt es deutliche Hinweise darauf, dass die Männer am Sonntag in Leverkusen aneinandergerieten und anschließend über soziale Netzwerke Bekannte mobilisierten.

Dass sich Gruppen junger Männer gezielt treffen, um sich gegenseitig Gewalt anzutun, sei kein neues Phänomen, sagt Denis van de Wetering, Soziologe und Gewaltforscher der Uni Bielefeld. "Wir kennen das aus der Hooligan-Szene und von Kameradschaften. Sie sind Brüder im Geiste und trotzdem Feinde." Die Schlägerei werde genutzt, um sich selbst zu inszenieren. "Wenn sich Schläger und Banden mit dem Konkurrenten auseinandersetzen, erfahren sie Anerkennung in der eigenen Gruppe", sagt van de Wetering. Es ist das Ausmaß, was den Gewaltforscher auch im Hinblick auf die verhinderte Schlägerei in Leverkusen nachdenklich stimmt. Der Fall zeige, dass die Gewalt im öffentlichen Raum eine neue Dimension erreicht habe, sagt van de Wetering.

Es gehe den Schlägern nicht vorrangig darum, den Konkurrenten zu töten. Vor allem junge Männer und Familienclans nutzten Gewaltaktionen, um Macht zu demonstrieren und sich als männlich zu inszenieren. Das Phänomen bezeichnet er als "Hypermaskulinität". Der öffentliche Raum sei eine Bühne. Das Wir-Gefühl werde gestärkt. In dem Moment, in dem die Polizei auftaucht, sei das eine Bestätigung für die Beteiligten, dass sie nicht mehr unsichtbar sind. "Sie glauben, etwas zu bewegen", sagt van de Wetering. Fehlende Integration nennt er als Hauptproblem. Dass vornehmlich Männer mit Migrationshintergrund beteiligt waren, kann laut van de Wetering mit der Situation vieler Flüchtlinge zu tun haben. "Wer den ganzen Tag im Heim sitzt, viel Langeweile hat und wenig Perspektive sieht, kommt auf faule Gedanken."

Doch er sieht das Problem losgelöst von der Ethnie: Fehlende emotionale Beziehungen und politische Teilhabe können Gewalt auslösen. Auf deutsche Staatsbürger könne das genauso zutreffen wie auf Einwanderer. Als Beispiel nennt van de Wetering die Eskalationen rund um "Hooligans gegen Salafisten". Die Aktionen seien als Protest getarnt gewesen. "Hypermaskuline" Hintergründe und Unzufriedenheit mit der eigenen Situation hätten aber ebenso eine Rolle gespielt. Für ihn ist die Wurzel des Problems ein gesellschaftliches Defizit: "Menschen, die stabil in der Gesellschaft verankert sind, machen so etwas nicht."

(RP)
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