Falsche Abrechnungen Milliardenbetrug mit Registrierkassen

Düsseldorf · Der Kreativität sind beim Steuerbetrug durch falsche Abrechnungen kaum Grenzen gesetzt. Finanzminister Norbert Walter-Borjans will dem einen Riegel vorschieben. Der Betrug kostet die Behörden jährlich bis zu zehn Milliarden Euro.

Der Unterschied zwischen Steuertrick und Steuerbetrug
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Foto: dpa, fz

Die Manipulation von Registrierkassen nimmt dank immer ausgefeilterer Tricks der Steuerbetrüger deutschlandweit zu. Jährlich gehen dem Fiskus schätzungsweise fünf bis zehn Milliarden Euro an Steuergeldern durch die Lappen. "Diese Manipulationen haben in den vergangenen Jahren enorm zugenommen", sagte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD).

Auch in NRW stehen die Finanzämter vor der Herausforderung, die teils kaum nachweisbaren Täuschungsmanöver zu entlarven. "Es gibt Einzelfälle, da sprechen wir von 1,7 Millionen Euro an hinterzogenen Steuern", sagt Arno Becker, Mitarbeiter der Oberfinanzdirektion NRW. Walter-Borjans plant daher, das Thema bei der übernächsten Finanzministerkonferenz auf die Agenda zu setzen. Er fordert den Einsatz einer "Smartcard", die, angeschlossen an das Kassensystem, als Fahrtenschreiber dient und jede Bewegung im System dokumentiert. Dadurch könnten Finanzbehörden nachvollziehen, ob Stornierungen korrekt sind oder durch einen Trick Geld hinterzogen wurde.

Die moderne Art der Steuerhinterziehung ist spielend leicht — im wahrsten Sinne des Wortes. Steuerhinterzieher arbeiten mit Hightechprogrammen, sogenannten Zappern (Löschern). Per USB-Stick werden sie an die Registrierkasse angeschlossen, und schon beginnt der kreative Betrug. Wie genau das funktioniert, weiß Markus Nowotzin, Kassenexperte der Oberfinanzdirektion NRW. So gibt es ein Programm, das getarnt ist als Computerspiel "android.exe". Wer es startet, kann mit einem Raumschiff feindliche Objekte abschießen. Wer aber einen bestimmten Funktions-Code eingibt, landet im eigenen Abrechnungssystem. "Schneller und unterhaltsamer lässt sich Geld auf Kosten anderer kaum verdienen", sagt Nowotzin: Beträge stornieren, nach unten "korrigieren" oder löschen — alles sei möglich. "Die Manipulation ist kaum nachzuweisen."

Manipulationsmaschen gibt es inzwischen zu Genüge. Haben die Steuerfahnder einen Hightech-Trick aufgedeckt, gibt es auf dem Markt schon eine verbesserte Software. Einige Tricks sind so simpel, dass eine Vertuschungssoftware gar nicht nötig ist, sagt Nowotzin. "Jede Kasse hat eine Storno-Funktion, die auch notwendig ist. Sie kann aber missbraucht werden: Man kassiert fünf Euro und löscht den Betrag anschließend, ohne dass ein Kunde wirklich etwas umgetauscht hat. Die Stornierung wird auf der Tagesabschlussrechnung nicht vermerkt. So schleust man das Geld am Finanzamt vorbei." Für Profis gibt es sogar Software, die den Wareneinkauf direkt mitmanipuliert — sonst würde der Steuerprüfer vielleicht misstrauisch, wenn monatlich mehr Ware eingekauft als verkauft wird.

Einen anderen Stornotrick demonstriert Nowotzin an einer handelsüblichen Registrierkasse: "Angenommen, ein Wirt storniert vor der Öffnung des Lokals an der Kasse 80 Weizenbier. Er tippt 80 mal 3,30 Euro ein — in der Annahme, 100 Bier zu verkaufen — und schon sind 264 Euro weniger im System. Wenn das Lokal die 100 Weizen ausschenkt, erscheinen in der Abrechnung nur 20. Von den anderen 80 erfährt das Finanzamt nichts."

Doch wer sind die schwarzen Schafe in NRW? "Eigentlich kann überall dort manipuliert werden, wo bar bezahlt wird", sagt Arno Becker. Betroffen seien viele Branchen: Handwerk, Einzelhandel, Gastronomie, Spielhallen und Apotheken. Bei EC-Buchungen würde nicht manipuliert, denn die seien leicht rückverfolgbar. "In Deutschland wird, anders als in anderen Ländern, oft bar bezahlt", sagt NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Das berge ein großes Potenzial für Betrüger.

"Die Kassenhersteller haben kaum ein Interesse daran, manipulationssichere Registrierkassen herzustellen", sagt Becker. Denn daran hätten die Käufer kein Interesse. Kassen ohne Löschfunktion sorgten für Umsatzeinbrüche bei den Kassenproduzenten. Auch die Hersteller der sogenannten Zusatz-kreativ-und-komfort-Software, die Manipulationen vertuscht, könne man nicht belangen, so Walter-Borjans: "Die Herstellung und der Vertrieb sind nicht strafbar. Nur, wenn ein Steuerhinterzieher, der die Software nutzt, rechtskräftig verurteilt würde, könnte man den Hersteller wegen Beihilfe belangen", sagt Becker.

(RP)
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