Düsseldorf Minister Jäger räumt weitere Übergriffe ein

Düsseldorf · Im Innenausschuss machte ihn die Opposition mitverantwortlich für die Gewalt gegen Flüchtlinge.

Mit dem Foto von einem am Boden liegenden, gefesselten Flüchtling, dem ein Wachmann seinen Stiefel in den Nacken drückt, ist das Aufnahmelager Burbach deutschlandweit in negative Schlagzeilen geraten. Doch in den NRW- Einrichtungen hat es weitaus mehr Übergriffe von Sicherheitskräften gegen Asylbewerber gegeben als bisher bekannt. Dies wurde in der Sondersitzung des Innenausschusses deutlich.

Nach Angaben des von Ralf Jäger (SPD) geführten Innenministeriums sind von Januar 2013 bis September dieses Jahres 48 Ermittlungsverfahren gegen Wachleute eingeleitet worden. Betroffen sind neben Burbach auch Bad Berleburg, Essen, Dortmund, Hemer, Neuss und Unna-Massen. Es ging dabei um Körperverletzung und Nötigung. In einem Fall sollte eine Frau zur Prostitution gezwungen werden. Zwar wurden 18 Verfahren - zum Teil wegen geringer Schuld - eingestellt, doch möglicherweise würden die Fälle noch einmal überprüft, sagte Innenstaatssekretär Bernhard Nebe.

Die Opposition interessierte vor allem, seit wann Jäger von den Misshandlungen in Burbach Kenntnis hatte. Der Minister betonte, dass er dies erst am 26. September nach Bekanntwerden des Stiefel-Fotos erfahren und umgehend gehandelt habe. Noch in derselben Nacht sei die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst beendet worden.

Allerdings gab es schon Anfang August polizeiliche Hinweise auf Qualitätsmängel beim Sicherheitspersonal in Burbach. Auf Nachfragen des Ministeriums berichtete die Siegener Polizei am 22. August, dass es dort einen "Separierungsraum" gebe, der auch "Problemzimmer" genannt werde. Dies habe die damalige Sicherheitsfirma jedoch verschleiert und von einem "Friseurraum" gesprochen. Davon, dass dort Flüchtlinge von Wachleuten eingesperrt worden seien, sei damals keine Rede gewesen.

Pikant: Zwar hatte in Burbach das Sicherheitsunternehmen zum 1. August gewechselt, doch die Wachmänner blieben offenbar dieselben. Am Rande der Sondersitzung wurde daher gefragt, ob dem Vertreter der für Flüchtlingsfragen zuständigen Bezirksregierung Arnsberg, der dauerhaft in Burbach eingesetzt ist, dieser Vorgang nicht aufgefallen war. In keinen anderen Einrichtungen gebe es solche Problemzimmer, sagte Jäger gestern unter Hinweis auf die Bezirksregierung.

CDU, FDP und Piraten legten ihm eine Mitverantwortung für die Ausschreitungen zur Last. Schließlich sei er immer wieder auf die katastrophale Unterbringungssituation hingewiesen worden. Aber er habe "nichts gemacht". Jäger wies die Vorwürfe zurück. NRW habe die Zahl der Plätze für Flüchtlinge verdreifacht. Er räumte allerdings ein, dass die Unterkünfte nicht streng genug auf Einhaltung der Qualitätsstandards kontrolliert worden seien. Auf der Suche nach zusätzlichen Plätzen sei dieser Punkt vernachlässigt worden. Der Vorwurf von Gregor Golland (CDU), dass dabei "nur auf billig, billig" geachtet worden sei, treffe nicht zu. Jäger bekräftigte, dass bei der Aufklärung "nichts unter den Teppich gekehrt" werde: "Jeder Stein - auch der schmutzige - wird umgedreht."

Peter Biesenbach (CDU) und Joachim Stamp (FDP) warfen Jäger Aufsichtsversagen vor. Wenn er dieselben Maßstäbe anlegen würde wie früher als Oppositionspolitiker, wäre er nicht mehr im Amt. "Weil Sie das System nicht im Griff hatten, haben sie die Straftaten nicht verhindern können", erklärte Lothar Hegemann (CDU).

Monika Düker (Grüne) sagte, die neue zentrale Unterkunft in Mönchengladbach müsse rasch eröffnet werden. Dort sollen bis zu 700 Flüchtlinge unterkommen. "Warum dauert das so lange?" wollte sie im Ausschuss wissen.

Fazit: Jäger musste sich eine Reihe unangenehmer Fragen gefallen lassen. Aber er konterte sachlich und kam mit einem blauen Auge davon. Nach viereinhalb Stunden Debatte bemerkte er: "Ich hab' Hunger."

(RP)
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