Gelsenkirchen Mit Heimkindern Geld verdient?

Gelsenkirchen · Ein Amtsleiter in Gelsenkirchen soll privat ein Haus in Ungarn betrieben haben.

Der Leiter des städtischen Jugendamts und sein Stellvertreter sollen vier Jahre lang privat eine Einrichtung in Ungarn betrieben haben, in der Kinder aus einem Heim in Gelsenkirchen untergebracht worden waren. Angeblich sollen sie dafür gesorgt haben, dass dieses Heim überbelegt war. Sie hätten 5500 Euro pro Kind und Monat vom Staat für die Einrichtung in Ungarn kassiert. Das berichtete das ARD-Magazin "Monitor".

Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) reagierte "fassungslos" und stellte die Jugendamtsleitung umgehend vom Dienst frei. Heute sollen vier kommunale Ausschüsse Licht in den Fall bringen. Der in die Kritik geratene Jugendamtsleiter weist die Vorwürfe entschieden zurück.

In dem Fernsehbericht kommt ein heute im Allgäu lebender Jugendlicher zu Wort, der zweieinhalb Jahre im ungarischen Pecs verbrachte. "Wenn wir nicht zur Schule gehen wollten, durften wir auch weiterschlafen", erzählt Marcel H. Die Heimkinder hätten auch kiffen dürfen. "Das war eigentlich alles egal oder es wurde halt darüber hinweggeschaut." Ein ungarischer Betreuer erzählt, Erzieher hätten die Kinder oder Jugendlichen nach Pecs gebracht, und "einfach dort stehenlassen bei uns". Und weiter: "Wir hatten keine Methode, wir haben einfach nur was gemacht."

Im Jahr 2004 hatten die Jugendamtsleiter die ungarische Firma "Neustart" gegründet. Schon kurz darauf gab es nach Angaben der Stadt Gelsenkirchen eine "kritische Nachfrage" der Stadtverwaltung. Daraufhin hätten beide Dienstkräfte versichert, "dass sie von der beantragten Nebentätigkeit Abstand nehmen". Praktisch lief das so, dass die beiden ihre Anteile an der Firma an Familienmitglieder übertrugen. Der Heimbetrieb in Ungarn lief weiter - mit den Jugendamtsleitern als Vermietern, bis "Neustart" laut Wissmann 2008 der Konkurs drohte. Es seien "nie Gewinne" an ihn oder seine Frau geflossen, heißt es in einer vorliegenden Erklärung des Leiters.

In Gelsenkirchen rückt das Heim St. Josef mit rund 100 Kindern und Jugendlichen ins Visier. Von dort sollen laut "Monitor" Kinder weiter nach Ungarn geschickt worden sein. Es habe keine Vereinbarung gegeben, "dass ich für eine gute Auslastung des Kinderheimes sorge, und das Kinderheim im Gegenzug Kinder nach Ungarn schickt", sagt der Leiter. Es sei kein Jugendlicher aus Gelsenkirchen in einer Einrichtung von "Neustart" gewesen. Im Jahr 2008 habe nur noch ein Jugendlicher in Ungarn gelebt. Insgesamt seien acht Jugendliche dort untergebracht gewesen. Immer seien vier Fachkräfte vor Ort beschäftigt gewesen - es habe sich nicht um eine "Nebenbeipädagogik" gehandelt.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort