Klagen über wichtige Pendlerlinie S8 Neue S-Bahnen zu kurz und zu niedrig

Düsseldorf · Die Klagen über die wichtige Pendlerlinie S8 reißen nicht ab: Züge fallen aus, sind verspätet oder überfüllt. Dabei wollte die Bahn mit den neuen Zügen eigentlich den Komfort für ihre Kunden verbessern.

 Die Züge der S8 sind niedriger, so entsteht im gesamten Großraum Düsseldorf an den Bahnhöfen eine Stufe.

Die Züge der S8 sind niedriger, so entsteht im gesamten Großraum Düsseldorf an den Bahnhöfen eine Stufe.

Foto: Endermann, Andreas

Als die Bahn im Dezember die neuen Züge für die S8 vorstellte, schwärmte sie vom "Porsche unter den S-Bahnen" - rund sechs Wochen nach dem Start ist von dieser Euphorie nichts mehr zu spüren. Immer wieder müssen Fahrgäste im Berufsverkehr draußen bleiben, weil Wagen überfüllt sind. Auf der Internetseite des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) häufen sich die Beschwerden. Auch die Bahn räumt die Probleme ein. "Wir sind überhaupt nicht zufrieden mit dem Service, den wir den Kunden bieten", sagt ein Sprecher.

Die neuen, 140 Millionen Euro teuren Züge des Typs ET1440 machen bislang vor allem durch Ausfälle und Verspätungen von sich reden. Außerdem beklagen die Fahrgäste weniger Türen und eine geänderte Zughöhe. Die kurioseste Schwäche offenbarten die Fahrzeuge gleich nach dem Start: Immer wieder klemmen die Trittstufen, die Züge hängen an den Stationen fest. Schuld ist angeblich Streusalz, das sich verfängt.

Die Bahn setzt fürs Erste auf eine rabiate Lösung: Sie hat die Fahrer mit einer Eisenstange ausgerüstet, damit sie die Stufen lösen können. Trotzdem heißt es vom VRR, in dessen Auftrag die Bahn die Linie betreibt, dass immer noch Probleme bestehen.

Dazu kommen weitere Schwierigkeiten, die die Pendler zu spüren bekommen. Hersteller Alstom hat noch immer nicht alle Fahrzeuge ausgeliefert. Es fehlen laut Bahn vier von 28 Zügen, einer ist wegen eines Getriebeschadens schon wieder in der Werkstatt. Um das auszugleichen, setzt die Bahn andere Züge ein - allerdings nur, wenn welche zur Verfügung stehen. "Wenn kurzfristig ein Fahrzeug ausfällt, können wir nicht umplanen", sagt ein Bahnsprecher.

Als Folge fährt die S8 dann nur mit einem statt zwei Wagen. Das ist zu wenig für den morgendlichen und abendlichen Andrang: Die Passagiere quetschen sich, bis es nicht mehr geht, trotzdem haben viele am Bahnsteig das Nachsehen. "Wir Pendler zahlen sehr hohe Ticketpreise und werden als Kunden nicht ernst genommen", heißt es zum Beispiel in der E-Mail einer Bahnkundin an unsere Zeitung - eine von vielen Beschwerden über die S8, die eingegangen sind.

Dabei sollten die neuen Züge den Komfort der täglich rund 70 000 Fahrgäste auf der wichtigen Pendlerlinie eigentlich steigern. Die Bahn hatte sich bei der Neuausschreibung 2012 durchgesetzt und angekündigt, die Fahrt attraktiver zu machen. Das hatten Kunden gewünscht, weil die S8 mit einer Gesamtstrecke von Mönchengladbach bis Dortmund (ab Hagen als S5) eine ungewöhnlich lange Fahrzeit hat.

Trotzdem reißen die Klagen nicht ab. Das liegt auch daran, dass sich die Passagiere auf Neuerungen einstellen müssen, die nicht unbedingt die erhofften Verbesserungen sind: So haben die Wagen nur fünf Türen, die Vorgänger hatten zwölf. Die Folge: Bei viel Andrang kommt es zu Staus vor den Eingängen, der Einstieg dauert länger als die übliche Minute.

Vor allem Rollstuhlfahrer lernen in diesen Tagen eine ärgerliche Kuriosität des Bahnnetzes kennen: Die Bahnsteige entlang der Strecke sind unterschiedlich hoch. Weil die neuen Züge eine niedrigere Bodenhöhe als ihre Vorgänger haben, fällt zwar an vielen Stationen die vorher vorhandene Kante zwischen Bahnsteig und Zug weg. An anderen aber, zum Beispiel im gesamten Großraum Düsseldorf, stehen etwa Rollstuhlfahrer überraschend vor einem Hindernis, wo früher keines war. Nur eine Tür im Zug lässt sich auf die richtige Höhe bringen. Die Bahn rät, wenn möglich auf andere Linien umzusteigen.

Nach Ansicht des Fahrgastverbands Pro Bahn sind trotzdem nicht die Züge schuld an den vielen Problemen, sondern schlechte Planung der DB Regio. "Die Umstellung hätte zeitlich besser gezogen werden können", sagt Lothar Ebbers. Er spricht von Zeitdruck bei der Bestellung; außerdem ließ die Bahn die ehemaligen S8-Züge direkt auf der Strecke der S6 fahren - nun stehen sie für Notfälle nicht mehr zur Verfügung. Bei VRR und Bahn deutet man allerdings auch an, dass die neuen Züge vom Typ Coradia Continental nicht die optimale Lösung waren. Die Vorgaben für die Züge seien sehr speziell gewesen, vor allem wegen der Toilette, heißt es. "Da stehen nicht viele Modelle zur Auswahl."

Die Bahn jedenfalls kündigt an, die Probleme schnell in den Griff bekommen zu wollen. Hersteller Alstom will gegebenenfalls helfen - verweist aber darauf, dass derselbe Zugtyp woanders störungsfrei läuft. Beim VRR kontrolliert man inzwischen regelmäßig vor Ort, ob die Bahn die vereinbarten Leistungen erbringt - für die sie übrigens noch bis 2029 den Zuschlag erhalten hat. "Wichtig ist, dass sich, was die Qualität angeht, so bald wie möglich Normalität einstellt", sagt VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik. "Das, was wir im Moment bekommen, ist alles andere als das, was wir bestellt haben."

(RP)
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