Interview: Schwerpunkt Flüchtlingsskandal In Nrw Neue Vorwürfe gegen Wachmänner

In mindestens drei Einrichtungen in NRW sollen Mitarbeiter von privaten Sicherheitsfirmen Gewalt gegen Flüchtlinge angewendet haben. Zwei Verdächtige wurden vernommen. Die Zusammenarbeit mit der Wachfirma wurde beendet.

burbach/essen Eine Stimmanalyse brachte die Ermittler auf ihre Spur: Zwei Männer, die für den Sicherheitsdienst SKI gearbeitet haben, sollen einen Flüchtling in der Notunterkunft in Burbach (Siegen-Wittgenstein) misshandelt und ihre Tat gefilmt haben. Der Vorwurf lautet nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf Nötigung und Körperverletzung. Auslöser für die Ermittlungen war ein Handy-Video, das den Übergriff auf einen Flüchtling zeigt. Dessen Identität ist noch ungeklärt. In der Sequenz ist ein Mann zu sehen, der unter Androhung von Schlägen gezwungen wird, sich auf eine Matratze mit Erbrochenem zu legen. Die beiden Verdächtigen seien zur Vernehmung einbestellt worden, sagte der Siegener Oberstaatsanwalt Johannes Daheim. Zu Ergebnissen der Befragung konnte er gestern keine Angaben machen. Jedoch erhoffe man sich, den Zeitraum eingrenzen zu können, in dem der Vorfall passiert sei. "Dann können wir hoffentlich auch das Opfer finden und vernehmen", sagte Daheim.

Der Skandal, der am Sonntag bekannt geworden war, zieht weite Kreise: Allein in Burbach wird inzwischen gegen insgesamt sechs Wachmänner ermittelt. Die Polizei hatte ein Handy-Foto gefunden, auf dem zu sehen ist, wie ein Sicherheitsmann einem gefesselt am Boden liegenden Flüchtling den Stiefel in den Nacken setzt, ein zweiter Wachmann schaut zu. Auch gegen diese beiden Verdächtigen wird ermittelt, außerdem gegen zwei Wachleute, bei denen verbotene Waffen wie Schlagstöcke gefunden wurden.

Der Bürgermeister von Burbach, Christoph Ewers, fordert, dass die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge in der Unterkunft drastisch reduziert wird. "Statt 700 Menschen sollten dort 300 bis 400 Platz finden", sagte er. In dem Gebäudekomplex gibt es Gemeinschaftsduschen und -toiletten auf den Fluren, Zimmer mit vielen Stockbetten, auf den Gängen hallt jeder Laut nach. "Zu viele Menschen auf engem Raum, das erhöht das Aggressionspotenzial, das wäre auch so, wenn man 700 Menschen aus den umliegenden Dörfern dort zusammen kasernieren würde", meint Ewers. Die Stadt sei deswegen seit April regelmäßig im Gespräch mit dem NRW-Innenministerium und der Bezirksregierung Arnsberg.

Auch in Essen und in Bad Berleburg soll es zu gewalttätigen Übergriffen auf Flüchtlinge gekommen sein. In Essen geht es um drei Fälle einfacher Körperverletzung, berichtete der Polizeisprecher Lars Lindemann. In einem Fall gehe es jedoch um eine Auseinandersetzung unter Flüchtlingen. Ein Mann aus dem Iran, der seit August in der Essener Unterkunft lebt, sagt: "Die Menschen hier haben den ganzen Tag nichts zu tun. Wenn die Regierung den jungen Leuten helfen würde, einen Job zu finden, wären sie beschäftigt und es gäbe hier keine Streitigkeiten mehr."

Auch Yousra Fakitt ist zur Polizei gegangen. Die Libanesin berichtet davon, wie ein Sicherheitsmann ihr in der Essener Einrichtung eine Tür in die Schulter gerammt habe, nachdem es zu einem Streit über eintönige Mahlzeiten gekommen sei. "Sie schreien dich an, behandeln dich überhaupt nicht mit Respekt", sagte die Asylbewerberin, die in ihrer Heimat als Journalistin arbeitete.

In Bad Berleburg sollen zwei 30 und 37 Jahre alte Beschäftigte einer Sicherheitsfirma einen Flüchtling verletzt haben. Hintergrund sei eine Schlägerei unter Bewohnern gewesen, bei der ein Wachmann eingeschritten sei, sagen Insider. Vor drei Wochen sei Strafanzeige gestellt worden sowohl gegen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes als auch gegen mindestens einen Flüchtling. Das DRK als Betreiberin des Heimes, in dem 450 Flüchtlinge im Auftrag des Landes betreut werden, wartet die Ermittlungen ab: "Falls sich ein Mitarbeiter falsch verhalten hat, wird das Konsequenzen haben", sagte Jürgen Hecker, Prokurist der DRK Betreuungsdienste GmbH. Die Wachschutzmitarbeiter setzt der Dienstleister Bewa Security ein, den Hecker ausdrücklich lobt.

Betreiber des Essener Heims ist wie in Burbach "European Homecare" (EHC), die den privaten Sicherheitsdienst SKI engagiert hatte. "Wir sind betroffen und schockiert darüber, dass sich in einer unserer Einrichtungen derartige Übergriffe haben ereignen können", teilte EHC-Geschäftsführer Sascha Korte mit. Die Firma prüfe, selbst Anzeige zu stellen. Das Unternehmen habe die Zusammenarbeit mit SKI bis zur Klärung der Vorwürfe in NRW beendet und einen anderen Sicherheitsdienstleister beauftragt, die Gelsenkirchener Firma Stölting. Unter anderem wurden die Sicherheitsleute in Dortmund, Schöppingen, Burbach, Essen und Neuss abgezogen. In dieser Woche sollen alle Standorte - deutschlandweit sind es 40 Einrichtungen, davon sechs in NRW - auf Sicherheit überprüft werden.

(RP)
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