Düsseldorf NRW soll neue "Urwälder" bekommen

Düsseldorf · Die Bundesregierung würde gerne auf zwei Prozent der deutschen Waldflächen Wildniswälder schaffen. Im Kreis Siegen-Wittgenstein überlässt Dieter Mennekes einen Wald so groß wie 500 Fußballfelder sich selbst.

Umgestürzte, verdörrte und morsche Bäume, vertrocknetes Laub und Blätter, miefige Tümpel und zugewachsene, unwegsame Pfade - für einen entspannten Wanderausflug mit der Familie am Wochenende eignen sich solche Gebiete eher nicht, und höchstens Tarzan würde sich in solch einem Wald dauerhaft wohlfühlen. Doch das soll der Mensch auch gar nicht. Denn die sogenannten Wildniswälder, von denen es in NRW bereits 300 gibt, die sich zu 100 Wildnisgebieten zusammenfügen, lässt die Bezirksregierung gezielt verwildern. Dadurch können sich bedrohte Tier- und Pflanzenarten dort wieder ansiedeln, ohne ständig von Menschen gestört zu werden.

Bisher gehörten diese Wildnisgebiete ausnahmslos zum Staatswald und sind somit im Besitz des Landes NRW, das damit auf den Gewinn durch Bewirtschaftung der Wälder verzichtet. Nun hat der Unternehmer Dieter Mennekes in Bad Laasphe im Kreis Siegen als erster Privatmann einen Wald so groß wie 500 Fußballfelder gestiftet. Warum er mit dem Land nicht viel lieber Geld verdienen möchte? "Es hat doch wenig Sinn, der reichste Mann auf dem Friedhof zu sein", sagt der 73-Jährige. Er sei ohnehin ein waschechter Naturbursche. "Ich bin auf dem Land aufgewachsen und war als junger Mensch viel im Wald" - und so nutzte er 1998 die Gunst der Stunde und kaufte einen, "den ich dann auch selbst gestalten wollte". Statt die Zahlen und den Gewinn auf seinem Konto wachsen zu sehen, will er lieber etwas Handfestes schaffen, an dem sich jeder erfreuen kann: eine Art Urwald.

Ganz viel Urwald in NRW, das ist eine Wunschvorstellung, die es so allerdings nicht geben wird. Denn Urwald besteht aus Flächen, die noch nie vom Menschen bewirtschaftet wurden - und die gibt es hier einfach nicht, erklärt Michael Blaschke vom Landesbetrieb Holz und Wald NRW. "Wir haben bisher 70 Naturwaldzellen, die seit 40 Jahren nicht genutzt werden. Sie dienen der Forschung und zeigen im Ansatz, wie sich die Wildnisgebiete in einigen hundert Jahren entwickeln können." Die Bundesregierung plant, bis zum Jahr 2020 zwei Prozent der Fläche der Bundesrepublik sich selbst zu überlassen. "Das ist etwa eine Verdoppelung dessen, was wir heute haben", sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Für NRW ist das Ziel von zehn Prozent im Staatswald bereits 2013 erreicht worden - eine Fläche von insgesamt 7800 Hektar.

Also Wildnis statt Urwald. Genau das brauchen wir, sagt Dieter Mennekes. "Wir wollen die Artenvielfalt. Und totes Holz lockt Käfer und Larven, die andere Tiere locken. Wir predigen den Brasilianern, sie sollen ihre Urwälder erhalten - wir selbst machen aber nur wenig zur Erhaltung unserer heimischen Arten." Daher bleibt sein 3,5 Quadratkilometer großer Wald künftig ungenutzt. "Besucher dürfen zwar in den Wald hinein, doch die großen Wege werden zurückgebaut. Somit wird es ruhiger, und die Tiere sind ungestörter als bisher." Durch seine Umweltstiftung ist sichergestellt, dass das auch über seinen Tod hinaus so bleibt.

Die 300 Wildnisflächen in NRW sind ebenfalls zum Teil für Besucher erreichbar - schließlich sollen auch sie etwas davon haben. Im Reichswald bei Kleve finden sich alte Eichen und Buchen, die bis zu 30 Meter hoch gewachsen sind. Als Kernzellen für eine natürliche Waldentwicklung befinden sich dort die Naturwaldzellen "Geldenberg" und "Rehsol". Die Buchen und Eichen sind dort bis zu 200 Jahre alt. "Nur wenn die Wälder bereits einen alten Baumbestand haben, sind sie als potenzielle Wildniswälder geeignet", sagt Blaschke. Weitere mögliche "Urwälder" der Zukunft befinden sich in Nettetal an den Krickenbecker Seen, im Uedemer Hochwald und im Niederkamp bei Wesel.

Auch wenn Dieter Mennekes seinen "Urwald" nicht mehr erleben wird, einen ersten positiven Effekt sieht er bereits: "Einige Unternehmerkollegen mit Land wollen das jetzt auch so machen wie ich. Das ist halt das Wettbewerbsdenken unter uns: mein Haus, mein Auto, mein Urwald", scherzt er.

(RP)
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