Düsseldorf Nur 450 Teilnehmer bei Anti-Islam-Demo

Düsseldorf · Die Kundgebung der "Pegida"-Bewegung in Düsseldorf hatte gestern weniger Resonanz als erwartet. Etwa 750 Menschen organisierten eine Gegenveranstaltung, unter ihnen Oberbürgermeister Thomas Geisel. Alles blieb friedlich.

Es war der größte Einsatz für die Düsseldorfer Polizei in diesem Jahr: Mit 1300 Beamten sollten Ausschreitungen bei der Demonstration und dem anschließenden "Schweigemarsch" der Islam-Gegner und Gegenaktionen von Linksautonomen möglichst im Keim erstickt werden. Am Ende war es ein ruhiger Abend. Statt der bis zu 2000 Teilnehmer, die der Veranstalter erwartet hatte, kamen nur rund 450 Menschen zusammen, um unter dem Namen "Dügida" (Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes) vor dem Landtag zu demonstrieren. Auf dem benachbarten Johannes-Rau-Platz versammelten sich zeitgleich rund 750 Menschen zu zwei Gegendemonstrationen. Alle Veranstaltungen blieben friedlich. Die Polizei vermeldete lediglich eine kurze Blockade einer Straßenbahnstrecke in der Nähe des Landtags durch rund 30 Gegendemonstranten, die aber schnell aufgelöst wurde.

Prominentester Teilnehmer der Gegenkundgebung war Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Er hatte bereits zuvor in einer gemeinsamen Erklärung mit Landtagspräsidentin und Parteifreundin Carina Gödecke seine Ablehnung der "Dügida"-Demonstration erklärt. Auf der Kundgebung sagte Geisel, in Düsseldorf sei kein Platz für das "Schüren dumpfer Ängste". Er sei stolz, dass sich ein breites Bündnis zum Protest zusammengefunden habe. Die Kundgebung stand unter dem Motto "Mit rheinischer Toleranz gegen Ausgrenzung und Hysterie" und wurde getragen von den Düsseldorfer Verbänden von SPD, Grünen und FDP, von evangelischer und katholischer Kirche, dem DGB und vielen weiteren Gruppen. Auch die CDU hatte vorsichtige Unterstützung signalisiert, sich aber nicht am Aufruf beteiligt. Zu der anderen Gegenkundgebung, die ebenfalls auf dem Johannes-Rau-Platz stattfand, hatte eine Flüchtlingsinitiative aufgerufen.

Die Düsseldorfer Polizei wollte bei der ersten Demonstration in NRW nach Vorbild der Dresdener "Pegida"-Aufzüge auf Nummer sicher gehen - auch mit Blick auf die Ausschreitungen bei der Hooligan-Demo in Köln. Sie hatte zur Unterstützung Hundertschaften aus ganz NRW angefordert. Die Gegenkundgebung fand in Hör-, aber nicht in Sichtweite zu den Islam-Gegnern statt, die Aufzüge waren durch eine Sperrzone getrennt. Für den Ernstfall wurden zwei Wasserwerfer bereitgehalten. Sorgen hatte der Einsatzleitung bereitet, dass in den vergangenen Tagen linksautonome und rechtsextreme Gruppen im Internet mobilisiert hatten.

Auf "Dügida"-Seite mussten die Teilnehmer zunächst auf den Hauptredner warten. Rechtsanwalt Alexander Heumann, der die Kundgebung organisiert hatte, steckte im Stau. Anstelle von Heumann ergriff um 18.26 Uhr aber nur eine Art Ordner das Mikrofon: "Tonprobe. Bitte ruft alle ganz laut: Wir sind das Volk." Der Ordner mahnte: "Keine rechten Parolen. Keine Symbole. Wir wollen friedlich demonstrieren und lassen uns nicht provozieren. Kein Alkohol - das sind die Auflagen." Höhnisches Gelächter. Die meisten Teilnehmer sahen aus wie das durchschnittliche Publikum in einem beliebigen ärztlichen Wartezimmer. Ein paar trugen Jacken mit Aufschriften wie "Unsere Regeln, unsere Tradition" oder "Terror Crew". Die Organisatoren entschieden, den "Schweigemarsch" um den Fernsehturm vorzuziehen. Heumann traf dann doch noch ein.

Die "Pegida"-Bewegung tritt betont bürgerlich auf. Ihre Demonstrationen, die sie "Spaziergänge" nennen, begannen Mitte Oktober in Dresden. Zunächst marschierten 500 Teilnehmer mit, inzwischen treffen sich jeden Montag mehrere Tausend Menschen, um vor dem angeblich brandgefährlichen Einfluss der islamischen Religionsgemeinschaft auf die westeuropäische Lebensart zu warnen. Mit Düsseldorf hat die Bewegung gestern Abend erstmals eine westdeutsche Großstadt erreicht.

Für den Berliner Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke sind die selbsternannten Abendland-Retter von Pegida nicht rechtsradikal. "Aber sie bereiten ein Klima vor, in dem Rechtsextremismus gedeiht", so der Wissenschaftler. Er beschreibt die typische Kettenreaktion: Aktuellen Studien zufolge haben 20 bis 40 Prozent der Deutschen ausländerfeindliche Ressentiments. "Das ist der Resonanzboden", meint Funke. Populisten wie der Ex-Bundesbanker und Buchautor Thilo Sarrazin ("Deutschland schafft sich ab") oder eben die Pegida-Aktivisten brächten diesen Resonanzboden zum Schwingen. "Sie bauschen Ängste auf und richten diese Ängste gegen Minderheiten. Dabei geraten sie automatisch selbst in eine Art Führungsrolle." Aus Ressentiments wird Angst und aus Angst wird Hass. Am Ende steht im Extrem der Pogrom. "Das wichtigste Instrument der Rechtspopulisten ist die abwertende Pauschalisierung", sagt Funke, "Flüchtlinge werden vor allem als Schmarotzer und Straftäter dargestellt, Muslime als Gegner, Minderheiten als gefährlich oder zumindest lästig."

Wie sagte Co-Organisator Alexander Heumann gestern in seiner "Dügida"-Rede? "Warum werden 145 000 rechtskräftig abgewiesene Asylbewerber nicht konsequenter abgeschoben? Wir können nicht das Sozialamt für alle Wirtschaftsflüchtlinge dieser Welt sein!" Durch die Hajo-Funke-Brille interpretiert funktioniert Heumanns Rhetorik so: "Rechtskräftig abgewiesen" ist nur die halbe Wahrheit. Bei "geduldeten Flüchtlingen" wurden die Asylanträge zwar abgelehnt, aber die Ausweisung trotzdem verschoben. Zum Beispiel, weil die Behörden ihres Herkunftslandes die Rückführung behindern. Oder weil es Kinder ohne Eltern sind, deren Herkunft nicht geklärt werden kann. Sie werden von Amts wegen geduldet, sind also eben nicht illegal. Und wegen 145 000 geduldeten Flüchtlingen wird Deutschland auch nicht zum "Sozialamt für alle Wirtschaftsflüchtlinge dieser Welt", wie Heumann warnt. Weltweit sind über 50 Millionen Menschen auf der Flucht.

Die "Pegida"-Bewegung will ihre Ansicht im Rheinland weiter vertreten - an den nächsten Montagen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort