Umweltbericht für NRW Vom Verschwinden der Arten

Düsseldorf · NRW-Umweltminister Johannes Remmel hat den vierten Umweltbericht vorgelegt. Danach ist fast jede zweite Tier- und Pflanzenart gefährdet. Und würden alle Menschen so leben wie die Nordrhein-Westfalen, bräuchte es 3,3 Erden.

 Uhu, Fischotter und Luchs (re.) sind zurück in NRW, Kuckuck, Iltis und Schachbrettfalter sind bedroht.

Uhu, Fischotter und Luchs (re.) sind zurück in NRW, Kuckuck, Iltis und Schachbrettfalter sind bedroht.

Foto: Dpa (3), NN (2), Moll, Montage: Zörner

Fast jede zweite Tier- und Pflanzenart in Nordrhein-Westfalen ist gefährdet. Wie aus dem vierten Landes-Umweltbericht hervorgeht, stehen 45,1 Prozent auf der Roten Liste, darunter zunehmend auch Allerweltsarten wie Feldsperling, Feldlerche, Wildbiene oder Kuckuck. Beim letzten Bericht 2011 waren es allerdings noch 46,6 Prozent. "Trotz Erfolgen im Natur- und Artenschutz stagnieren Artenvielfalt und Landschaftsqualität in NRW auf unbefriedigend niedrigem Niveau", teilte NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) am Montag dazu mit.

Die Entwicklung zeigt, dass die Anstrengungen der Landesregierung in diesem Punkt bisher weitgehend ins Leere laufen. Ziel von Rot-Grün ist es, den Anteil der gefährdeten Arten in NRW bis zum Jahr 2030 auf 40 Prozent zu reduzieren.

Reptilien und Schmetterlinge besonders gefährdet

Um diesen Wert zu erreichen, bedürfe es "erheblicher zusätzlicher Anstrengungen", heißt es in dem Bericht weiter. Aufgrund von Monokulturen, des Einsatzes von Pflanzenschutz- und Düngemitteln und immer mehr Verkehrswegen nehme insbesondere auf Agrarflächen die Artenvielfalt "in besorgniserregendem Maße" ab. So ist NRW wegen des hohen Düngereinsatzes bundesweit das Land mit dem höchsten Stickstoffüberschuss. Nur 13 Prozent der Agrarflächen haben demnach einen hohen Naturwert.

Besonders gefährdet sind Reptilienarten mit 71,4 Prozent und Schmetterlinge mit 55,2 Prozent. Zu den bedrohten Arten, die 2011 neu in die Vorwarnliste aufgenommen wurden, zählten Iltis, Wasserspitzmaus, Blindschleiche und Kukkuckslichtnelke.

Aber es gibt auch einzelne Erfolge. Fischotter, Biber und Luchs etwa waren in NRW bereits ausgestorben, konnten aber wieder angesiedelt werden. Verbessert hat sich die Lage für die meisten Tiere und Pflanzen auch in den Wäldern des Landes. Zurückzuführen sei dies auf mildere Winter und einen höheren Laubholzanteil. Dennoch: Nur 27 Prozent der Laubbäume und 30 Prozent der Nadelbäume in NRW gelten als gesund.

Auch beim Ressourcenverbrauch lebt NRW deutlich über seine Verhältnisse. "Würde jeder Mensch auf der Welt so leben wie wir, bräuchte es auf Dauer 3,3 Erden", sagte der Umweltminister. Erstmals ließ die Landesregierung den ökologischen Fußabdruck untersuchen, ein weltweit anerkanntes Modell der Ressourcenbuchhaltung. Demnach liegt NRW mit seinem aktuellen Ressourcenverzehr bei 5,8 sogenannten globalen Hektar (gha) pro Kopf. Weltweiter Durchschnitt sind 2,8 gha, gerade noch tolerabel seien hingegen nur 1,7 gha.

Feinstaub-Werte haben sich verbessert

Gut vorangekommen ist NRW dem Umweltminister zufolge beim Feinstaub. Die Schadstoff-Belastung habe vor fünf Jahren noch an 21 Stellen über dem EU-Grenzwert gelegen, 2014 und 2015 aber seien die Werte erstmalig in ganz NRW eingehalten worden. Anders sieht es bei Stickstoffdioxid aus, der nach wie vor Luftschadstoff Nummer eins in NRW sei. An fast der Hälfte der Messstellen sei der EU-Grenzwert teilweise deutlich überschritten worden. Das Ergebnis verknüpfte Remmel mit der politischen Forderung, die Autohersteller in die Pflicht zu nehmen: "Umweltfreundliche Antriebe wurden jahrelang vernachlässigt." Insbesondere die Hersteller von Diesel-Autos, die als wichtige Verursacher von Stickstoffdioxid gelten, müssten in Haftung genommen werden.

Besorgniserregend ist die Lage auch bei Schadstoffen, die in NRW wegen der langen Industrie-Historie seit Jahrzehnten die Umwelt belasten. Hierzu zählen Polychlorierte Biphenyle (PCB), die Krebs auslösen können, oder das ebenfalls hochgiftige Quecksilber. So emittierte NRW wegen der vielen Kohlekraftwerke noch 2012 rund drei Tonnen Quecksilber. "Der Grenzwert ist überall überschritten", so der Minister. Die Belastung sei auch beinahe überall nachzuweisen, selbst in Fischen.

Dabei gäbe es dem Umweltminister zufolge Möglichkeiten, den Ausstoß um bis zu 80 Prozent zu senken, wenn nur die Gesetze verschärft würden: "Die rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechen nicht den Standards", sagte Remmel. In den USA beispielsweise sei der Quecksilberausstoß seit Jahren stark rückläufig. Quecksilber baue sich auch nur sehr langsam in der Natur ab.

Ähnlich wie Radioaktivität. "30 Jahre nach Tschernobyl sind noch Spuren von radioaktivem Cäsium in der Umwelt nachzuweisen", sagte Remmel. Sogar Strontium-90 sei noch messbar. Und das geht auf Kernwaffentests in den 50er und 60er Jahren zurück.

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