Rohrreiniger-Attacke auf Spielplätze Kranker Angeklagter hörte "Kinderstimmen im Kopf"

Aachen · Ein Mann muss sich in Aachen vor Gericht verantworten, weil er im vergangenen Sommer ätzenden Rohrreiniger auf Spielplätzen verschüttet haben soll. Er gilt als psychisch krank.

 Der 53-Angeklagte (r.) sitzt beim Prozessauftakt neben seinem Verteidiger Rainer Dietz im Landgericht.

Der 53-Angeklagte (r.) sitzt beim Prozessauftakt neben seinem Verteidiger Rainer Dietz im Landgericht.

Foto: dpa, htf

Wer tut so etwas? Das haben sich im Sommer 2017 viele Eltern in Aachen gefragt - und nicht nur dort. Ein Unbekannter streut an Spielplätzen immer wieder ätzenden Rohrreiniger aus. Vier kleine Kinder werden bei den fünf heimtückischen Attacken verletzt - gerade einmal zwei und drei Jahre alt.

Am Donnerstag bekam der Vater des kleinen Till, der im Juni 2017 zu den Opfern gehörte, die Antwort auf die quälende Frage. Ein 53-jähriger Mann hat vor dem Landgericht Aachen gestanden, die ätzende Chemikalie ausgestreut zu haben. Nach einem ersten Gutachten ist er psychisch krank. Er wollte niemanden töten. Er wollte seine Ruhe haben, wie der Anwalt des Beschuldigten sagte.

Angeklagter hörte offenbar Stimmen

Dem Gericht erzählte der beschuldigte Deutsche sehr ausführlich von dem Nachbarn, der ihn umbringen wollte - und von Kinderstimmen, die immer seinen Namen riefen, ihn veräppelten und bedrängten. Alles spielte sich in seiner Welt ab. Er hörte die Stimmen, lief weg aus seiner Wohnung, weg von dem Spielplatz gegenüber. Er lief in den Wald, setzte sich den Ohrschutz auf, wie er mit gewählten Worten schilderte. Noch immer diese Kinderstimmen, die seinen Vornahmen riefen.

Er wollte seine Ruhe, wollte sie vertreiben, die Kinder - aber niemanden verletzten und schon gar nicht töten, wie sein Anwalt für ihn erklärte. Der 53 Jahre alte Tatverdächtige mit dem hageren Gesicht argumentierte wort- und detailreich vor Gericht in der unverständlichen Logik seiner eigenen Welt.

Anklage wegen versuchten Mordes

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann versuchten Mord in fünf Fällen vor. Der 53-Jährige habe die Arg- und Wehrlosigkeit der kleinen Kinder ausgenutzt und den vier verletzten Kindern zum Teil erhebliche Schmerzen zugefügt. Nach Angaben eines Arztes leidet der Angeklagte unter paranoider Schizophrenie. Medikamente lehne er aber ab, weil er sie angeblich nicht vertrage. Das Gericht muss in dem Sicherungsverfahren entscheiden, ob der 53-Jährige in die geschlossene Psychiatrie muss.

Dass der mutmaßliche Täter ein kranker Mensch ist, ist für die Eltern des kleinen Till, der damals verletzt wurde, eine hilfreiche Erklärung. Das sagte Ralf Westermann am Rande der Verhandlung. Sein Sohn war an jenem Tag im Juni mit einer Kindergartengruppe an einer Grillhütte. Ein schöner Tag, der endete, als Kinder zu schreien begannen, wie der Waldpädagoge schilderte. Zwei Kinder hatten die Chemikalie in den Mund genommen.

Vor Gericht schilderte Tills Vater die Stunden danach: Alarm vom Kindergarten. Er fuhr sofort hin, schnappte sich seinen Sohn und fuhr ins Krankenhaus. Mundhöhle und Zunge waren leicht verätzt, wie der Arzt feststellte. Was war mit der Speiseröhre, was mit dem Magen? Bei dem kleinen Kerl - nur drei Jahre und fünf Monate alt - wurde eine Magenspiegelung gemacht. "Dann bekam mein Till eine Vollnarkose und wurde in den OP gerollt", erzählte der Vater. "Es waren schon sehr intensive Stunden." Bleibende Schäden gibt es zum Glück nicht. Aber wenn die Familie an der Hütte vorbeikomme, "ist ihm gewahr, was passiert ist".

(sef/top/lnw)
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