Population in NRW steigt weiter Achtung, die Wildschweine kommen

Düsseldorf · Immer öfter verwüsten Wildschweine Gärten und Straßenzüge - auch in Städten. Die Population ist stark gestiegen. Förster warnen Stadtbewohner bereits vor der Gefahr.

 Wildschweine schrecken unter Umständen nicht davor zurück, Spaziergänger anzugreifen, wenn sie sich bedroht fühlen. (Symbolbild)

Wildschweine schrecken unter Umständen nicht davor zurück, Spaziergänger anzugreifen, wenn sie sich bedroht fühlen. (Symbolbild)

Foto: Busch

Amelie darf nur noch mit Schutzweste in den Wald. Das engmaschig gewebte Material soll die sieben Jahre alte Hündin vor Wildschweinattacken schützen, sagt ihr Besitzer Peter Mörike von der Kreisjägerschaft in Hückeswagen. Die Münsterländer-Dame soll nicht noch einmal von einem Keiler gebissen werden wie an Allerheiligen in einem Waldstück an der Bever-Talsperre. Die Hündin erlitt dabei einen zwölf Zentimeter langen Riss im Brustbereich. Mörike weiß: Der Angriff hätte für Amelie auch tödlich enden können.

Volle Müllsäcke locken sie an

In NRW sind Wildschweine in fast allen Regionen heimisch geworden, ausgenommen waldlose Gebiete, die keinen Schutzraum bieten. Und sie sind auf dem Vormarsch. "Sie dringen zunehmend in die Speckgürtel der Städte vor", sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband. Dabei pflügen sie Vorgärten von Neubausiedlungen um, die in immer größerer Zahl an den Stadtgrenzen entstehen und die Wildschweine in ihren natürlichen Lebensräumen einschränken. In rechtsrheinischen Stadtgebieten von Köln haben Wildschweine schon häufig Chaos verursacht. "Die Anwohner trauen sich zum Teil nicht mehr, ihren Garten zu betreten", heißt es beim dortigen CDU-Kreisverband.

Abgesehen haben es die Wildschweine in in den Städten unter anderem auf Essensreste in Mülltonnen. "Sie kommen gezielt an den Tagen, an denen die Müllsäcke abgeholt werden", sagt Reinwald. Die Wildschweine seien intelligent und anpassungsfähig. "Was ihnen an der Stadt auch gefällt, ist, dass sie dort nicht bejagt werden. Das merken die sofort", so Reinwald. Dabei werden die Begegnungen zwischen Mensch und Wildschwein auch in NRW immer skurriler. So ist vor wenigen Tagen in Heimbach ein 90 Kilogramm schwerer Keiler auf ein Vordach eines Sportgeschäfts gefallen, wo es von einem Jäger erlegt worden ist.

Milde Winter leisten ihren Beitrag

Als Grund für die Wildschweinplage in den Städten nennen Experten den Klimawandel. "Man kann sagen: Die Wildschweine sind die Gewinner der Wetterveränderung", sagt Reinwald. Die milderen Winter kommen den Tieren zugute. Sie finden nun ganzjährig Nahrung, wodurch sie sich rasend vermehren. Durch die veränderten Bedingungen hat sich auch der Biorhythmus der Tiere geändert. So werden Wildschweine nun schon nach rund drei Monaten geschlechtsreif. Natürliche Feinde haben sie in Deutschland auch nicht. Hinzu kommt laut Naturschutzbund (Nabu) der Maisanbau, dem immer mehr Flächen zum Opfer fallen. Mais gehört zu den Lieblingsspeisen der Borstentiere.

Die Experten sind sich sicher: Ändert sich nichts, wird es in NRW bald Zustände wie in Berlin geben, der inoffiziellen Hauptstadt der Wildschweine. Dort werden mittlerweile schon viele Bushaltestellen nicht mehr angefahren, weil die Tiere dort auf die Fahrgäste warten in der Hoffnung, von ihnen gefüttert zu werden. Darin sieht auch der Nabu ein großes Problem: "Die Populationen sind infolge übermäßiger Fütterung künstlich erhöht worden", teilte ein Sprecher mit. Wer in Berlin dabei erwischt wird, wie er Wildschweine füttert, muss 5000 Euro Strafe zahlen.

Tiere können sehr aggressiv werden

Dass sich die Lage auch in NRW weiter verschärft, zeigen Wildschweinsichtungen in Düsseldorf. In letzter Zeit tauchen die Tiere im südlichen Stadtgebiet zwischen Düsseldorf und Hilden auf. In Hilden wird die Population schon auf einen Bestand von bis zu 80 Tieren geschätzt. Die zuständigen Förster haben deshalb eine Warnung an die Bevölkerung herausgegeben: "Fußgänger und Radfahrer sollten Ruhe bewahren und sich von den Tieren langsam zurückziehen." Auf keinen Fall sollte man versuchen, die Tiere anzufassen, und Hunde müssten umgehend angeleint werden. "Wildschweine können sehr aggressiv reagieren, wenn sie sich in die Enge gedrängt fühlen oder ihren Nachwuchs bedroht sehen", heißt es es bei den Förstern.

Neue Anreize für Jäger

Die Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung schätzt, dass in diesem Jahr 40.000 Wildschweine erlegt werden. 1000 mehr als im Vorjahr. Eine noch intensivere Jagd soll helfen, die Zahl der Wildschweine weiter zu reduzieren. Dafür hat das Land die Schonzeit aufgehoben. Für den Nabu stellt sich aber die Frage, ob die Wildschweindichte trotz oder gar wegen der Jagd so hoch ist.

Um den Anreiz für die Jäger zu erhöhen, beteiligt sich das Verbraucherschutzministerium seit einiger Zeit an den Kosten für die vorgeschriebene Fleischbeschau der Frischlinge. Hintergrund dieser Maßnahmen ist auch die Angst vor der afrikanischen Schweinepest, die in Osteuropa, insbesondere in Tschechien grassiert. Die Seuche könnte über Wildschweine eingeschleppt werden und sich auf Hausschweine übertragen. "Je größer die Population ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankheit ihren Weg nach Deutschland und NRW findet", sagt ein Sprecher des Landesbetriebs Wald und Holz NRW.

(csh)
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