Amokfahrt in Münster Was bislang über den Täter bekannt ist

Düsseldorf/Münster · Seine Lebensbeichte offenbart psychische Probleme. Jens Alexander R. beschwert sich darin über seine Eltern, seine Freunde und seine Kunden. Doch ein handfestes Motiv für die Todesfahrt in der Münsteraner Innenstadt am Samstag suchen die Ermittler noch immer.

Anschlag in Münster - Tote und Verletzte nach Amokfahrt
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Todesfahrt in Münster - Tote und Verletzte

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Foto: Rheinische Post

Auch zwei Tage nach der Todesfahrt in der Altstadt von Münster ringen drei Verletzte mit dem Tod. Es würden derzeit sieben Patienten am Universitätsklinikum Münster stationär versorgt, drei von ihnen schwebten weiter in Lebensgefahr, erklärte ein Sprecher der Klinik am Montagmittag. Am Sonntagabend fand im Dom zu Münster ein ökumenischer Gedenkgottesdienst mit rund 1500 Besuchern statt.

Am Samstagnachmittag ist ein 48-Jähriger mit einem Campingbus in eine Menschenmenge vor dem beliebten Traditionslokal "Großer Kiepenkerl" gerast. Dabei wurden zwei Menschen getötet und mehr als 20 zum Teil schwer verletzt. Der Täter erschoss sich unmittelbar nach dem Geschehen. Die Polizei rätselt noch über das Motiv.

  • Was steht in dem Schreiben des Täters?

Bei der Durchsuchung mehrerer Wohnungen in Münster und Pirna (Sachsen) hat die Polizei ein mehrseitiges Dokument gefunden, in dem Jens Alexander R. über sein Leben spricht. Dieses Schreiben liegt unter anderem dem Rechercheverbund aus Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR im Wortlaut vor. Laut SZ trägt das Dokument kein Datum, beginnt aber mit dem Satz "Ich bin jetzt 47 Jahre." So muss Jens R. es vor dem 1. Mai 2017 geschrieben haben. Denn geboren worden ist er nach Informationen des Rechercheverbunds am 1. Mai 1969.

R. behauptet darin, als Kind von seinen Eltern drangsaliert worden zu sein, sie hätten ihn isoliert. Im Alter von sieben Jahren habe er sich zum ersten Mal gewünscht, tot zu sein. Er habe unter großen Schuldkomplexen, Verhaltensstörungen und Aggressionsausbrüchen gelitten.

R. berichtet außerdem über Panikattacken, Alkoholmissbrauch und aggressive Übergriffe. So soll er 2014 mit einem kleinen Beil die Möbel in der Wohnung seiner Eltern zerstückelt haben.

Außerdem schreibt R. über eine Rücken-Operation. Er wirft Ärzten vor, Fehler gemacht zu haben, in deren Folge er große Schmerzen gehabt habe.

Nicht nur durch seine Eltern, sondern auch durch sein soziales Umfeld habe er sich getäuscht gefühlt. Seinen Freunden warf er vor, ihn bespitzelt zu haben. Seine Kunden sollen ihre Rechnungen nicht alle bezahlt haben.

  1. Was war über seine Suizid-Absicht bekannt?

Neben dem mehrseitigen Rechenschaftsbericht über seine gescheiterte Existenz habe es eine E-Mail-Nachricht von Jens R. gegeben, die er am 29. März an etliche Bekannte verschickt haben soll, teilte die Polizei am Sonntag mit. Auch die Polizei Münster soll eine Kopie erhalten haben. Sie wertete die E-Mail aus und schloss auf eine Suizidabsicht. Dass R. einen Anschlag begehen wollte, darauf waren darin keine Hinweise zu finden. Beamte wollten R. daraufhin in seiner Wohnung aufsuchen, trafen ihn aber nicht an. Der Sozialpsychiatrische Dienst der Stadt Münster hatte R. bereits länger auf seiner Liste. Er galt als psychisch labil.

Am Montagabend teilte die Polizei dann mit, die Nachrichten hätten "keine ausdrückliche Ankündigung einer Selbsttötung enthalten". R. habe seine eindeutige Suizidabsicht vor der Tat weder dargelegt noch gegenüber Dritten geäußert. Nach aktuellem Stand sind sich die Ermittler dennoch sicher, dass R. in Suizidabsicht handelte.

  1. War R. vorbestraft?

Wegen kleinerer Vergehen war gegen R. bereits in der Vergangenheit ermittelt worden. Weil die Verfahren unter anderem wegen Bedrohung, Sachbeschädigung, Betrug und Verkehrsunfallflucht wieder eingestellt wurden, gilt R. nicht als vorbestraft.

  1. Was war R.s Motiv?

Zu einem Motiv ist bislang nichts bekannt. Es sei noch unklar, warum der Tatverdächtige am Samstag mit seinem Auto in eine Menschenmenge gefahren sei, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montag in Düsseldorf. Es gibt keine Hinweise auf ein politisches Motiv. R. gilt weder als Islamist noch als Rechtsextremer. Bei den Wohnungsdurchsuchungen fanden Ermittler eine kaputte Maschinenpistole und Polenböller, was er damit vorhatte, ist bislang ebenfalls unklar. Fest steht, dass R. keinen Waffenschein besaß und dass er daher die Waffe, mit der er sich getötet hat, nicht rechtmäßig erworben hatte.

  1. Was weiß man über seine Lebensumstände?

Jens Alexander R. ist nach Informationen unserer Redaktion in Olsberg im Sauerland geboren worden. Er soll an der Fachhochschule in Münster Design studiert haben. Als selbstständiger Industriedesigner soll er viel Geld mit Lizenzen verdient haben - unter anderem mit einem Patent auf eine Lampe. Er soll drei Wohnungen besessen haben - eine in Münster und zwei in Sachsen, dazu mehrere Autos.

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(heif)
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