Besuch der Kanzlerin Haltern ein halbes Jahr nach der Flugzeug-Katastrophe

Haltern am See · Am Dienstag kommt die Kanzlerin: Auch sechs Monate nach dem Absturz der Germanwings-Maschine ist in Haltern die Erinnerung an das Unglück wach, bei dem 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des örtlichen Gymnasiums starben.

 Schulleiter Ulrich während der offiziellen Übergabe einer Gedenkstätte vor dem Joseph-König Gymnasium.

Schulleiter Ulrich während der offiziellen Übergabe einer Gedenkstätte vor dem Joseph-König Gymnasium.

Foto: dpa, mku axs

Noch immer schmückt ein Trauerflor die Ortsschilder von Haltern am See. Auch über sechs Monate nach dem Absturz der Germanwings-Maschine, der 16 Halterner Schüler und zwei Lehrerinnen das Leben kostete, ist der Verlust in dem westfälischen Ort sofort spürbar. "Quasi täglich werden im Fürbittbuch der Gemeinde Einträge hinterlassen, die von nah und fern Mitgefühl zeigen", sagt der katholische Pfarrer Martin Ahls, der gemeinsam mit seinem evangelischen Kollegen Familien der Opfer betreut.

Ahls achtet darauf, die Stimmung in der Stadt in seine alltägliche Arbeit aufzunehmen. Das Wallfahrtskreuz, das in den ersten zehn Tagen eine der zentralen Anlaufstellen der Trauernden war, wurde auch im September bei der großen Kreuztracht, einer traditionellen Prozession, wieder mit genau 18 Kerzenleuchtern geschmückt.

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Foto: dpa, mb cul

Am Joseph-König-Gymnasium, das von dem Unglück besonders stark betroffen war, wird auf dem Schulhof inzwischen wieder gelärmt. "Es muss völlig normal werden, dass die verstorbenen Schüler und Lehrerinnen bei uns dazugehören", sagt Schulleiter Ulrich Wessel. 18 japanische Kirschbäume hat das Gymnasium auf dem Hof gepflanzt und eine Erinnerungstafel mit den Namen der Verstorbenen angebracht. Dem Schulleiter ist es wichtig, das Gedenken an die verstorbenen Jugendlichen und Lehrerinnen in den Schulalltag zu integrieren.

So sind Bänke bei den Fotos der Toten in der Eingangshalle des Gymnasiums platziert worden. Sie sollen die Schüler einladen, sich zu setzen und ins Gespräch zu kommen. Ein Andachtsraum wurde eingerichtet, in dem die Bilder der Verstorbenen ausliegen und ein Kondolenzbuch durchgeblättert werden kann. "Das wird auch die nächsten zwei Jahre so bleiben", sagt Wessel. Er weiß, dass die Geschichte der Schule auf Dauer mit der Katastrophe verknüpft ist. Und er wird sich mit seinen Schülern immer wieder an sie erinnern.
Zum Beispiel, wenn sich das Unglück im März nächsten Jahres zum ersten Mal jährt oder wenn der betroffene Jahrgang in anderthalb Jahren sein Abitur macht.

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Foto: afp, bb

Für die Schule wie für die Öffentlichkeit wird die Katastrophe schon an diesem Dienstag erneut präsent werden, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Haltern mit den Schülern und den Eltern ins Gespräch kommen will. Es sei gut für die Trauernden, dass der Verlust noch einmal von der Politik in den Blick genommen wird und das bisher Geschehene reflektiert wird, sagt die Gelsenkirchener Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper. "Der Besuch darf aber kein Mitleidsbesuch werden." Die Pädagogin hofft, dass die Kanzlerin den Betroffenen ihren Respekt zeigt - dafür, dass sie sich mit ihrer Trauer auseinandersetzen.

Zwei Gruppen für hinterbliebene Geschwister und Freunde leiten die Trauerbegleiterin und ihre Kollegen in Haltern. "Die Halterner konnten zu Beginn gar nicht glauben, dass das Geschehene wahr war", sagt Schroeter-Rupieper. Sie hat deswegen Jugendliche aus der Gegend in die Gruppen geholt, die frühere Todesfälle verarbeiten und den betroffenen Geschwistern zeigen können: "Trauer ist normal. Und man kann lernen, mit ihr zu leben."

Zum Beispiel, indem sie den Jugendlichen Fragen stellt, die sie sonst nicht gestellt bekämen. Oder indem sich die Jugendlichen mit Geistlichen zusammensetzen und von diesen erfragen: "Wie geht ihr mit Trauer um?" Dass das in jedem Fall anders aussehen kann, weiß die Trauerberaterin. "Man darf Trauer nicht bewerten", sagt Schroeter-Rupieper. Aber ins Gespräch darüber kommen, das müsse man, und zwar immer wieder.

Für das Gymnasium ist das Unglück auch ein Neuanfang. In den Herbstferien war der Schulleiter an der Absturzstelle in Frankreich und hat sich mit Kollegen vom Gymnasium vor Ort beraten. Die Kontakte zwischen den Jugendlichen sollen verstärkt werden, vielleicht wird es sogar einen Schüleraustausch geben. "Diese Katastrophe hat zwischen der Gemeinde in Frankreich und unserem Ort ein Band geknüpft", sagt Wessel.

(KNA)
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