Angriffe auf Rettungskräfte Wenn Helfer zu Opfern von Gewalt werden

Düsseldorf · Sie kommen, um zu helfen, und werden selber angegriffen: Rettungskräfte klagen häufig über Gewalt bei ihren Einsätzen. Alkohol ist ein Problem - aber auch die Hilflosigkeit von Angehörigen.

Angriffe auf Rettungsdienste: Wenn Helfer zu Opfern von Gewalt werden
Foto: rpo/Vassilios Katsogridakis

Das ist die Bilanz des vergangenen Wochenendes in Düsseldorf: Am Freitag geraten Rettungskräfte in der Düsseldorfer Altstadt in eine Schlägerei, ein Helfer geht dabei zu Boden. Am Tag darauf wird ein Rettungssanitäter bei einem Einsatz in einer Wohnung mit einem Faustschlag niedergestreckt und verliert das Bewusstsein. Zwei Tage, zwei Fälle, eine Stadt - es braucht nicht besonders viel Vorstellungskraft, um sich auszumalen, was die Rettungsdienste im ganzen Land Woche für Woche erleben.

"Wir hören vermehrt von solchen Fällen", sagt Thomas Deckers vom Verband der Feuerwehren in NRW. Von 151 Gewalttaten gegen Feuerwehrleute im Jahr 2014 berichtete NRW-Innenminister Ralf Jäger im vergangenen Sommer. Mitarbeiter von Rettungsdiensten wurden im selben Zeitraum 116 Mal im Einsatz angegriffen. Im Schnitt macht das pro Woche fast sechs Angriffe gegen Einsatzkräfte in ganz NRW.

Bei Konzerten und Fußballspielen seien die Kollegen mittlerweile besonders achtsam, sagt Feuerwehrmann Deckers, einen Helm hätten die Helfer dann immer dabei. Bei Großveranstaltungen steige das Gewaltpotenzial gegen Rettungskräfte infolge von übermäßigem Alkoholkonsum, sagt eine Sprecherin der Fachgewerkschaft Komba. Aber das sind nicht die einzigen Fällen, betont Feuerwehrmann Deckers. Auch in privaten Umgebungen könne es Angriffe geben. Die Gewalt richte sich dann oftmals gar nicht gezielt gegen die Helfer, sagt Deckers. Die Rettungskräfte seien jene, die den Frust der Beteiligten abbekämen. "Für Angehörige ist ein Rettungseinsatz eine Extremsituation, mit der viele nicht umgehen können", sagt Deckers. Die Betroffenen hätten dann oft das Gefühl, dass die Retter nicht schnell genug seien. "So etwas kann in Gewalt umschlagen."

Einer Studie der Ruhr-Universität in Bochum zufolge haben 98 Prozent der Rettungskräfte in NRW schon einmal Beleidigungen und Drohgebärden im Einsatz erlebt, mehr als die Hälfte der Retter gab an, im Dienst schon einmal angegriffen worden zu sein. Mittlerweile würden die meisten Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen in ihren Schulungen auch ein Deeskalationstraining absolvieren, sagt Deckers. Dass sich die Helfer beim Einsatz mit stichfesten Westen schützen, wie es Rettungsdienste bereits vereinzelt handhaben, davon hält der Feuerwehrmann nichts. "Wir sind da, um zu helfen." Eine Stichschutzweste sende das falsche Signal. "Das könnte als Provokation verstanden werden. Wir wollen deeskalieren."

Komba lehnte Schutzwesten ebenfalls ab, dadurch könne "eine falsche Sicherheit" suggeriert werden, heißt es in einem Forderungskatalog, den die Gewerkschaft im vergangenen Jahr vorlegte. Das war kurz nachdem in Hagen ein Rettungswagen in einen Hinterhalt gelockt wurde: Um kurz nach Mitternacht ging dort an Silvester ein Notruf ein. Es brenne, teilte ein anonymer Anrufer mit. Sofort machte sich eine Rettungswagenbesatzung auf den Weg. Doch als die Helfer am Einsatzort eintrafen, war von einem Brand nichts zu sehen. Stattdessen wurde der Einsatzwagen beworfen, eine Bierflasche schlug in der Windschutzscheibe ein.

Die Gewerkschaft forderte unter anderem Konflikttraining für Rettungskräfte und Feuerwehrleute sowie eine konsequente strafrechtliche Verfolgung der Angreifer. So, wie die Forderungen vor gut einem Jahr verfasst wurden, würde man sie auch heute noch stellen, sagt die Komba-Sprecherin.

Will heißen: An den Problemen hat sich seitdem nichts geändert.

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