Arnsberg Flüchtling prahlte mit Hinweis auf Blutbad

Arnsberg · In Arnsberg hat die Polizei einen 39 Jahre alten Algerier in einer Notunterkunft festgenommen, der möglicherweise etwas mit den Anschlägen in Paris zu tun hat. Er soll Mitbewohnern Insiderwissen verraten haben.

 Die Notunterkunft befindet sich in einem ehemaligen Schulgebäude in Arnsberg.

Die Notunterkunft befindet sich in einem ehemaligen Schulgebäude in Arnsberg.

Foto: Reichwein

Hans Wulf, der Leiter der Flüchtlingsnotunterkunft in Arnsberg, spricht von einer Heldentat. Er meint damit die beiden Syrer Kamil und Resul, die einen Algerier gemeldet haben, weil dieser ihnen gegenüber geprahlt hat. Von einem fürchterlichen Blutbad in Paris. Von Bomben und Gewehren. Vor dem Anschlag. Als hätte er es gewusst. "Wenn ich auch verhaftet werde, passiert auch hier in Arnsberg was", soll er gesagt haben. Erst nahmen Kamil und Resul das Gerede nicht ernst. Dann explodierten in Paris die ersten Bomben. Und die Syrer berichteten, was sie wussten.

Kamil und Resul heißen in Wirklichkeit anders. Weil ihnen und ihren Familien jetzt vielleicht die Rache der IS-Schergen droht, wurden sie gestern unter falschen Namen in andere Städte verlegt.

Den 39-jährigen Algerier mit dem angeblichen Insider-Wissen hat die Polizei bereits in der Nacht zu Samstag verhaftet. Sein Zimmer im ersten Stock der Pestalozzi-Schule, in der seit Juli Flüchtlinge vor allem aus Syrien, dem Iran und Afghanistan leben, hat die Polizei versiegelt. Konkret wird ihm vorgeworfen, mehrere Tage vor den Anschlägen geäußert zu haben, dass in Paris etwas passieren werde, so Oberstaatsanwalt Werner Wolff. Der 39-Jährige ist damit der erste Flüchtling, der in Nordrhein-Westfalen wegen Terrorverdachts festgenommen worden ist. Ob es sich bei ihm aber tatsächlich um einen Mittäter oder Verschwörer der Anschläge in Paris handelt, werden die Ermittlungen zeigen. Bei seinen Vernehmungen soll er erklärt haben, dass er das mit Paris nur so gesagt habe und nichts von den Anschlägen wusste.

Heimleiter Hans Wulf ist gerührt, als er von Kamil und Resul erzählt: "Ich kenne die beiden gut. Ich habe sie gefragt, warum sie das Risiko eingegangen sind." Sie hätten geantwortet, weil sie in Deutschland so freundlich aufgenommen worden seien. Wulf macht eine Pause. Sucht nach Worten. Er ist sich sicher: "Sie wollten etwas zurückgeben. Helfen, die Täter zu fassen." Zu dem Dolmetscher sagten sie in der Freitagnacht: "Wir wissen, dass wir jetzt in Gefahr sind, aber schützen Sie vor allem unsere Kinder."

 Der Leiter der Notunterkunft in Arnsberg, Hans Wulf, neben einem Sicherheitswachmann. In der Unterkunft soll ein 39-jähriger Algerier von den Anschlägen im Vorhinein gewusst haben.

Der Leiter der Notunterkunft in Arnsberg, Hans Wulf, neben einem Sicherheitswachmann. In der Unterkunft soll ein 39-jähriger Algerier von den Anschlägen im Vorhinein gewusst haben.

Foto: dpa, mg vfd

Auch den Algerier kennt Wulf gut. "Ein Einzelgänger. Immer etwas aufbrausender als die anderen", berichtet Wulf. Aber er betont auch: "Wirklich zu Schulden kommen lassen hat er sich aber nichts." Vor ein paar Tagen habe er den Algerier aus einem Gruppenzimmer in ein Einzelzimmer verlegt. "Wegen der Reibereien", sagt Wulf. "Der Algerier war auffällig, aber er war kein Problemfall." Durchtrainiert, kurze, krause Haare, ein Einzelgänger. So schildern ihn auch die anderen Flüchtlinge in der Pestalozzischule. Kamil und Resul schildern die ehemaligen Zimmergenossen als "sehr bescheidene, kluge, zurückhaltende Menschen". Einer Akademiker, der andere Handwerker.

Arnsberg: Flüchtling aus Algerien prahlte mit Hinweis auf Blutbad
Foto: afp, le

Die Leiter und Mitarbeiter der Flüchtlingsunterkünfte im Land sind angewiesen, achtsam zu sein und verdächtige Personen und Gespräche sofort der Polizei zu melden. "Wir gehen jedem noch so kleinen Hinweis nach, jede Spur wird bearbeitet. Nichts fällt unter den Tisch", betont NRW-Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier.

Islamisten lassen nichts unversucht, um Flüchtlinge für ihre Zwecke zu gewinnen. So versuchen in Nordrhein-Westfalen Salafisten gezielt, Flüchtlinge vor und in den Unterkünften anzuwerben. Dem Verfassungsschutz sind bereits einige dieser Fälle bekannt. In manchen Städten verteilten die Extremisten bereits den Koran vor den Einrichtungen. Im Internet gibt Pierre Vogel, einer der bekanntesten Salafisten-Prediger in Deutschland, Ratschläge, wie man das Vertrauen der Flüchtlinge gewinnen könne. So solle man ihnen Geschenke mitbringen, rät er. Dem Personal der Unterkunft sollten die Salafisten ihre Unterstützung bei ihrer Arbeit anbieten. Werde die Hilfe abgelehnt, solle man die Asylsuchenden in eine Moschee einladen.

Sorgen bereiten den Sicherheitsbehörden auch Terroristen, die als Flüchtlinge getarnt ins Land reisen könnten - so wie es offenbar auch einer der Attentäter von Paris gemacht hat. Ob auch der festgenommene Algerier so nach Deutschland kam, ist noch nicht bekannt.

Einer, der mit ihm in der Arnsberger Pestalozzi-Schule gewohnt hat, ist Moneer Alshikh, 29 Jahre alt und aus Syrien. Vor zwei Monaten floh er aus dem zerrütteten Land. Seine Flucht über die Balkanroute dauerte zehn Tage. Seitdem bemüht er sich, Deutsch zu lernen. Noch versteht er nicht viel, weshalb er auch kaum etwas von den Vorurteilen mitbekommt, die der Terror auch in NRW gegen die Flüchtlinge schürt. Am Samstag hat Moneer eine Lichterkette organisiert. Zusammen mit anderen Flüchtlingen machte er sich von der Pestalozzi-Schule aus auf in die Messe der Arnsberger Heilig-Geist-Kirche. Warum? "Solidarität", sagt Moneer. "Und Frieden."

(RP)
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