Exotische Tiere Ausgesetzte Schildkröten können Artenvielfalt in NRW bedrohen

NRW · Niedliche, kleine Schildkröten landen massenhaft in Aquaterrarien. Werden sie zu groß, landen sie meist in Teichen oder Seen. Das kann ungeahnte Folgen haben, vor allem wenn es langfristig wärmer wird.

Werden Schmuckschildkröten ausgesetzt, können sie zur Gefahr für andere Arten werden.

Werden Schmuckschildkröten ausgesetzt, können sie zur Gefahr für andere Arten werden.

Foto: dpa, rwe

Eingewanderte Tiere aus fernen Ländern sind längst nichts Neues mehr in Nordrhein-Westfalen: Krebse, die per Schiffspassage oder über Zoohändler zu uns kommen, Insekten im Flugzeug, groß gewordene Schildkröten, die ausgesetzt werden. Die Liste sogenannter Neozoen ist lang. Außerdem siedeln sich alte Arten wie Wolf, Luchs, Otter oder Schwarzstorch wieder hier an.

Aufhorchen lässt eine Bemerkung aus dem Landesumweltamt in Recklinghausen. "Schmuckschildkröten werden vielleicht ein großes Problem. Das weiß aber noch keiner", sagt Peter Schütz, Biologe und Sprecher des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv). Und diese putzigen Schildkröten aus Nordamerika, die für Aquaterrarien als Jungtiere gekauft werden, erobern langsam Teiche und Seen. Sind sie den Haltern zu groß — die Panzer werden bis zu 40 Zentimeter lang — werden sie häufig ausgesetzt.

Noch ist alles im Griff. Viele der Schmuckschildkröten sind jetzt etwa 30 Jahre, wenn sie draußen überleben. Sie können aber 80 Jahre alt werden. Wird es in unseren Breitengraden noch wärmer und Herbst und Frühjahr fallen milder aus, könnte die Population explodieren. Dann reicht die Umgebungswärme aus, dass sich die Schildkröteneier entwickeln können. "Danach sieht es aus", meint Schütz. Und erst dann bekommt die Umgebung die Folgen zu spüren. Die schmucken Kröten fressen Jungfische, Insektenlarven wie von der Libelle, Qualquappen oder Molchlarven.

Carla Michels, Spezialistin für invasive Tiere und Pflanzen, sieht jedoch eine hohe Hürde für die Schildkröten. Sie hält Mutationen für notwendig. "Das eine oder andere Tier entwickelt eine größere Toleranz gegen Kälte", sagt die Spezialistin beim Landesamt. Dass es dann zur sprunghaften Vermehrung komme, sei nicht auszuschließen.

Viele der Schmuckschildkröten würden nämlich draußen nicht überleben. Aber es gebe ja durch das Aussetzen immer wieder Nachschub. "Das ist eine unheimliche Tiervernichtungsmaschine", kritisiert die Biologin. Ähnlich könnte sich auch die eingeschleppte Tigermücke entwickeln. Ihre schnelle Ausbreitung ist aber weniger wahrscheinlich als bei der Schmuckschildkröte. "Die Ausgangspopulation ist gering", sagt Schütz.

Einwanderer ganz anderer Art machen aber schon der Landwirtschaft zu schaffen. Kanada- und Nilgänse konkurrieren mit heimischen Arten. Sie werden vielfach als Ziervögel mit gestutzten Flügeln in Teiche gesetzt, verschwinden aber dennoch. Außerdem können die Nachkommen fliegen und sich verbreiten.

Seit dem Jahr 2000 haben die Kanada- und Nilgänse stark zugenommen, in Nordrhein-Westfalen vor allem am Niederrhein und an der Weser. "Wenn Landwirte nichts machen, drohen Ernteausfälle.", meint Schütz. Also heißt es dort Vogelscheuchen aufstellen und Jäger beauftragen.

Unterdessen kämpfen Wollhandkrabben um die Vorherrschaft in den Flüssen. Der asiatische Marienkäfer und die spanische Wegschnecke vermehren sich fast unbemerkt — sie sehen den heimischen Arten zum Verwechseln ähnlich. Die spanische Wegschnecke, die eigentlich aus Portugal kommt, vertilgt Unmengen an Gemüse.

Der asiatische Marienkäfer ist zwar nützlich und frisst Läuse im Larvenstadium, was wiederum den Obstbäumen hilft. Er verdrängt aber gleich mehrere heimische Arten. Kommt er selbst durch Krankheiten in Bedrängnis, wäre es um die Marienkäferbestände schlecht bestellt.

(lnw)
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