NRW-Vergleich Nach dem Tod wird's teuer

Fröndenberg · Der NRW-Städtevergleich zeigt, wie unterschiedlich hoch die Kosten für Bestattungen sind. Der Bund der Steuerzahler kritisiert Differenzen von bis zu 4500 Euro. Laut der Verbraucherinitiative Aeternitas wird es in Zukunft noch teurer.

Beerdigung: Nach dem Tod wird's teuer
Foto: Grafik: Ferl

Helmut Holve steht vor dem Grab seiner Frau Christel. Fast 60 Jahre lang waren sie verheiratet. Christel verstarb im Juni kurz vor der Diamantenen Hochzeit an Krebs. Ihr Mann ist zu diesem Zeitpunkt selbst in der Klinik, auch er ist schwer krank. Doch es kommt noch schlimmer: Weder er noch seine Angehörigen haben Ersparnisse, sie können die Bestattung nicht zahlen. Das Sozialamt springt ein, zahlt ein pflegeleichtes Urnengrab auf einer Grabwiese. "Meine Söhne haben die Beerdigung organisiert", sagt Holve, "ich stand total neben mir." Der Tod seiner Frau nimmt den Rentner, der in einem Pflegeheim wohnt, sehr mit. Von seinen 100 Euro Taschengeld spart er jeden Cent, um Christel einen Grabstein zu kaufen. Doch den darf er nicht aufstellen.

Der Grund: Das Grabfeld ist wie eine Wiese angelegt, laut Friedhofssatzung sind Grabsteine nicht erlaubt. 791 Euro hat die Sozialbestattung gekostet, ein normales Urnengrab, auf dem ein Stein hätte platziert werden können, hätte mit 1588 Euro zu Buche geschlagen. Auch das hätte das Amt bezahlt, heißt es aus dem Märkischen Kreis, doch die Folgekosten wären erheblich höher, erklärt Oliver Wirthmann vom Bundesverband Deutscher Bestatter. "Vom Sterbefall bis zur vollzogenen Bestattung zahlt man im Schnitt 2500 bis 4000 Euro. Die Folgekosten können variieren, für Grabnutzung und Pflege können 800 Euro anfallen, es können aber auch 8000 Euro werden." Letzteres sei aber der Ausnahmefall und die Luxus-Variante.

Wie teuer Bestattungen tatsächlich und wie groß die regionalen Unterschiede sind, hat der Bund der Steuerzahler (BdSt) NRW herausgefunden. Jedes Jahr vergleicht er Städte - und kommt zum Ergebnis, dass "die Kosten wahnsinnig variieren. Es gibt Unterschiede von bis zu 4500 Euro allein für Grabnutzung und Bestattungsgebühr", erklärt Sprecherin Bärbel Hildebrand. Dies sei eine nicht nachvollziehbare, besorgniserregende Gebührenbelastung, sagt Heinz Wirtz, Vorsitzender des BdSt NRW. Verglichen wurden Sargbestattungen in einem Wahlgrab. Die Urnenbestattungen fallen kostengünstiger aus.

Für viele werden die enormen Kostenunterschiede zum Problem - sie können sich eine ortsnahe Bestattung nicht leisten. Das jedoch sollten die Kommunen gewährleisten können, fordert der BdSt NRW. "Viele Städte haben große Friedhofsflächen, die sie wegen des demografischen Wandels und dem Trend zum Urnengrab nicht mehr voll bekommen", sagt Hildebrand. Die Fixkosten aber bleiben, und so werden sie umgelegt auf die belegten Gräber. Dabei ginge es auch anders, sagt Witz. Friedhöfe seien nicht nur Bestattungsorte, sondern würden als Parkanlagen genutzt und dienten in Großstädten dem Emissionsschutz. Dies wird als "grünpolitischer Wert" bezeichnet - und solche Flächen könne man zum Teil aus Steuergeldern finanzieren. Je höher dieser Wert angesetzt wird, desto mehr würden Bürger bei den Bestattungsgebühren entlastet. Jede Kommune entscheidet selbst über diesen Wert.

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Ein weiterer Grund für die Kostenunterschiede seien falsche Kalkulationen. "Friedhöfe wurden früher großzügig angelegt, und jetzt gibt es platzsparende Urnengräber und Stelen", sagt Hildebrand. Auf den ungenutzten Grünflächen bleiben die Städte sitzen, da diese nicht so leicht umgewidmet und darauf Häuser gebaut werden dürften. In Witten, wo die Gebühren 2014 am niedrigsten waren, sei die Auslastung sehr gut, erklärt Detlef Kottowski, Betriebsleiter des Bereichs Grün. "Wir haben kaum Flächen, die brach liegen, obwohl 70 Prozent der Gräber Urnengräber sind." Die Kalkulationerfolge nach Verteilung der Kosten. In Kerpen, der teuersten Stadt im NRW-Vergleich, erfolgt sie nach dem "Neuen Kommunalen Finanzmanagement" des Landes NRW. Warum die Differenz zu Witten im vergangenen Jahr für die gleiche Leistung 4426 Euro betrug, dafür gibt es von der Stadt Kerpen keine Erklärung.

Alexander Helbach, Sprecher der Verbraucherinitiative Aeternitas, spricht von Willkür. "Es gibt eine Reihe ernstzunehmender Gründe für Kostenunterschiede, aber diese sind so groß, dass das nicht zu erklären ist." Nachvollziehbare Gründe seien die Friedhofsstruktur (viele kleine seien kostenintensiver als wenige große), die Topographie (z. B. Hanglage), die Auslastung und die Kostendeckung (etwa durch den "grünpolitischen Wert"). "Auch tragen sich die wenigsten Friedhöfe selbst. Hier stellt sich die Frage, wie viel die Stadt bereit ist an Geld zuzuschießen", sagt Helbach. Von Willkür könne jedoch etwa bei der Berechnung der Bestattungskosten die Rede sein. Dabei ginge es im Grunde genommen nur darum, das Grab auszuheben. "Doch hier gibt es Kostenunterschiede von 600 Prozent." Helbach fürchtet, dass die Kosten weiter steigen könnten, weil die Einnahmen durch günstigere Urnengräber weiter sinken und die Kosten umgelegt werden könnten.

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Foto: dpa, ade wst

Trotz der enormen Unterschiede hält sich der "Friedhofs-Tourismus" in Grenzen. Die Menschen wollten ihre Liebsten in der Nähe bestatten lassen, zudem stünden sie unter Zeitdruck und seien in einer Ausnahmesituation, sagt Hildebrand. Aeternitas habe aber auch schon Klagen gegen Kommunen wegen des Vorwurfs falsch kalkulierter Bestattungen geführt und Vergleiche erstritten.

Auch für Helmut Holve gibt es einen Lichtblick. Seine Geschichte hat viele Menschen dazu bewogen zu helfen. Seine Frau soll nun in Absprache mit der Stadtverwaltung umgebettet werden und ihren Grabstein bekommen. Die Kosten von 1400 Euro sollen aus Spenden finanziert werden. "Ich bin so gerührt", sagt er unter Tränen.

(RP)
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