Besuch bei einer Einsiedlerin Schwester M. Benedicta — Einsam, aber nicht allein

Bonn · Seit über zwölf Jahren wohnt Schwester M. Benedicta zurückgezogen als Einsiedlerin in einem kleinen Haus bei Bonn. Allein fühlt sie sich dort nicht. Im Gegenteil: Manchmal muss die 70-Jährige sich ihre Einsamkeit erkämpfen.

 Schwester M. Benedicta in der kleinen Kapelle im Obergeschoss ihrer Eremitage bei Bonn aus dem Jahr 1699. Sieben Mal pro Tag zieht sie sich dorthin zum Gebet zurück.

Schwester M. Benedicta in der kleinen Kapelle im Obergeschoss ihrer Eremitage bei Bonn aus dem Jahr 1699. Sieben Mal pro Tag zieht sie sich dorthin zum Gebet zurück.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Eigentlich ist das Haus von Schwester Benedicta ganz normal. In der Küche stehen Wasserkocher, Bratpfanne und Geschirr, im Raum nebenan ein kleiner Esstisch. Eine enge Treppe führt nach oben. Dort schläft die 70-Jährige. Doch den Mittelpunkt ihrer Eremitage bildet etwas anderes: die Kapelle. Von außen nicht erkennbar, innen unterm Dach aber ausgestattet mit Ikonen, Kerzen und einem Kreuz, zieht die Einsiedlerin sich hierhin jeden Tag sieben Mal zum Gebet sowie zur Heiligen Messe zurück. "Das Morgen- und das Abendgebet nehmen dabei mehr Zeit in Anspruch als die übrigen fünf", sagt Schwester M. Benedicta.

 Bevor sie Einsiedlerin wurde, arbeitete die 70-Jährige als Krankenschwester.

Bevor sie Einsiedlerin wurde, arbeitete die 70-Jährige als Krankenschwester.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Seit über zwölf Jahren schon wohnt die Ordensschwester in der Abgeschiedenheit. Mit 20 Jahren trat sie in den Orden ein, in dem sie nun als Eremitin lebt. "Ich habe mich sehr früh für ein Leben im Orden entschieden", erzählt sie. "Ich ging auf ein Internat mit Schwestern und wusste, dass ich eines Tages auch eine von ihnen sein möchte." Nach dem Eintritt in den Orden arbeitete sie lange Zeit als Krankenschwester. Den Weg in das Einsiedlertum fand Schwester M. Benedicta dann vor rund zwölfeinhalb Jahren. "Es war aber nicht so, dass ich das von einem Tag auf den anderen einfach entschieden habe", sagt sie. Vielmehr sei es eine Berufung gewesen, die sich über viele Jahre hinweg entwickelt habe. "Wer als Eremit leben will, muss dazu berufen sein, da man es sonst überhaupt gar nicht aushält, sich selbst ständig ausgesetzt zu sein", sagt die Rheinländerin.

Etwa 100 Einsiedler leben in Deutschland

Als eine von etwa 100 Einsiedlern in Deutschland, mehr Frauen als Männer, führt Schwester M. Benedicta also ein sehr zurückgezogenes, einfaches und stilles Leben in ihrem 1699 erbauten Häuschen. Ist sie nicht zum Beten in ihrer Kapelle, geht sie ihrer Arbeit nach: dem Dekorieren von Kerzen. Den Samstag nutzt sie für einen kurzen Einkauf in der Stadt, noch bevor das quirlige Leben dort beginnt. "Meistens gehe ich schon um sieben los", sagt sie. Danach putzt sie. Zwischen 15 und 17 Uhr ist die 70-Jährige offen für Gespräche. Jeder kann bei ihr vorbeikommen. "Das Angebot wird sehr gut angenommen", so die 70-Jährige. "Manchmal wundere ich mich, dass sogar Leute aus Köln den Weg zu mir finden." Sowohl Frauen als auch Männer suchten das Gespräch, die meisten zwischen Ende 20 und Anfang 70. Viele kämen, weil sie seelische Probleme hätten. Andere, weil sie neue Orientierung suchten. "Aus manchen Gesprächen entwickelt sich auch eine kontinuierliche Begleitung", so die Schwester. Am Sonntag bildet der Gottesdienst den Mittelpunkt, den Rest des Tages nutzt die Einsiedlerin zum Lesen, Schreiben oder Spazierengehen.

Bei der Frage, ob sie sich denn nicht auch mal einsam fühle oder ihr das Dach auf den Kopf fiele, lacht Schwester M. Benedicta. "Absolut gar nicht. Manchmal muss ich meine Einsamkeit mit Zähnen und Klauen verteidigen", sagt sie. "Ich lebe zwar alleine, fühle mich aber nicht alleine." Wenn sie etwa ihre Kapelle betrete, spüre sie, dass dort etwas lebt. Sowieso habe sie das einsame Leben aufmerksamer gemacht und ihre Sensibilität für die Menschen und Dinge um sie herum erhöht. "Ich habe sehr wenig Ablenkung - zum Beispiel kein Radio und kein Fernsehen - und konzentriere mich so mehr auf meine Umgebung", sagt die 70-Jährige. Außerdem habe sie sich als Eremitin auch selbst besser kennengelernt - mit all ihren Ecken und Kanten, aber auch positiven Seiten. Inwieweit sie sich aber tatsächlich durch ihr Leben als Eremitin verändert habe, könnten nur andere beurteilen, sagt sie schmunzelnd.

"Durch meine Lebensweise lerne ich, in der Gegenwart Gottes zu leben"

Doch was ist eigentlich das Ziel dieser abgeschiedenen, enthaltsamen Existenz? "Durch meine Lebensweise lerne ich, in der Gegenwart Gottes zu leben", erklärt Schwester M. Benedicta. Denn sie ist sich sicher, dass das Leben auf der Erde nur ein Vorspiel auf das ist, was sie nach dem Tod erwartet. "Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass etwas Gutes kommen wird und dass das Leben nach dem Tod gemeinsam mit Gott sein wird", so die Schwester. Darauf bereite sie sich vor. "Trotzdem werde auch ich nicht vollkommen sterben. Es wird immer etwas bleiben, das ich hätte anders machen müssen."

Solange Schwester M. Benedicta noch körperlich und geistig fit ist, wird sie ihr Leben in der einsamen Eremitage auf keinen Fall aufgeben. "Das ist auch nicht wie ein Job, den ich einfach so kündigen kann", sagt sie. Vielmehr werde sie ihr Leben genau so lange auf diese Art weiterführen, wie Gott ihr das Rüstzeug dafür gebe.

(sno)
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