Konkurrenz aus dem Ausland Bio-Boom in NRW geht an Bauern vorbei

Meerbusch · Der Markt für Bioprodukte wächst, aber die Anbaufläche im Land stagniert, die Zahl der Biohöfe geht zurück. Die Gründe dafür sind weltweite Konkurrenz und ein enormer Kostenapparat.

Bio-Landwirtin Ruth Laakmann aus Alpen sagt, die biologische Landwirtschaft müsse preislich besser honoriert werden.

Bio-Landwirtin Ruth Laakmann aus Alpen sagt, die biologische Landwirtschaft müsse preislich besser honoriert werden.

Foto: P. Hensch

Wenn Karin Rahm im Supermarkt an der Gemüsetheke steht, muss sie sich oft ärgern. Dort kostet ein Kilo biologisch angebauter Rosenkohl auch mal 1,99 Euro. "Als jemand, der selbst Rosenkohl anpflanzt, fragt man sich nur: Wie geht das?", sagt Rahm, die in Meerbusch mit ihrem Mann den Öko-Hof am Deich betreibt. "Wie soll man bei solchen Preisen noch faire Löhne bezahlen?" Ähnlich geht es derzeit in NRW vielen Landwirten, die sich für ökologischen Landbau entschieden haben. Die Anbaufläche stagniert, die Zahl der Bio-Höfe ist sogar leicht rückläufig. Weder erhöhte Prämien für ökologische Bewirtschaftung noch eine gleichbleibend starke Nachfrage können Bauern dazu bewegen, auf Bio umzustellen.

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Da wäre als erstes der natürliche Schwund. Auch Ökobauern werden älter und geben ihren Betrieb ab. Dass der Nachfolger ebenfalls biologisch arbeitet, sei nicht gesichert, sagt Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer. Denn Bio heißt vor allem Handarbeit, und das ist vielen Bauern zu aufwendig und zu teuer. In NRW wurden vergangenes Jahr 70 069 Hektar ökologisch bewirtschaftet, das sind 4,8 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Zum Vergleich: Bundesweit werden 6,4 Prozent Ackerflächen von Bio-Bauern genutzt. Politisch gewollt sind 20 Prozent, die Lücke ist also noch enorm. Trotzdem ist der Bio-Landbau auch eine Erfolgsgeschichte: In NRW ist die Zahl der Betriebe von 599 im Jahr 2000 auf 1798 im vergangenen Jahr gestiegen. Nur kommen eben seit 2010 kaum noch neue hinzu. "Während der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln boomt, stellen derzeit kaum noch Landwirtinnen und Landwirte ihre Produktion auf ökologische Wirtschaftsweise um", stellt NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) fest. Denn Umstellungsrisiken und Einkommensnachteile durch die Umstellung werden von den Öko-Marktpreisen nicht ausreichend abgedeckt. "Hier steuern wir gegen, indem wir bei den wichtigsten Feldkulturen und Grünland die neuen Prämien um 20 Prozent bis 45 Prozent erhöht haben."

Den Schanzenhof in Alpen führen Ludger Schreiber und Ruth Laakmann. Für Laakmann ist das Ringen um Land ein entscheidender Faktor, weshalb Bio stagniert. "Der Pachtmarkt ist heiß umkämpft, und es ist schwer, Flächen zu vernünftigen Preisen zu bekommen", sagt Laakmann. Ökobetriebe müssen aber genau rechnen, wenn sie sich vergrößern wollen - für einen konventionell geführten Hof ist das einfacher. Für viele Bio-Betriebe lohnt es sich nicht zu expandieren.

Ähnlich schwierig ist es, einen konventionellen Hof auf Bio umzustellen. Bei der Schweinemast ist das sogar fast unmöglich, sagt Heinz-Josef Thuneke, Vorsitzender der Landesvereinigung Ökologischer Landbau NRW (LVÖ), weil man alte Ställe eigentlich nur abreißen könnte, dies aber finanziell für die meisten Bauern nicht realisierbar sei. In der Milchwirtschaft sei das eher möglich, obwohl auch hier der Trend zu riesigen Viehbeständen von 600 bis 1000 Kühen gehe.

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Dazu kommt, dass die Preise für konventionell angebaute Produkte lange hoch lagen. Es gab wenig Anreize, auf Bio umzustellen. Das habe sich aber geändert, sagt Keller. Einfacher wird es dadurch für die Öko-Bauern aber nicht unbedingt. Zwar wird für Bio mehr gezahlt und ist die Nachfrage ungebrochen hoch, aber einerseits nutzen das Anbieter aus dem Ausland, die günstiger produzieren können und mit EU-Bio-Siegel liefern, anderseits diktieren Discounter auch den Öko-Bauern die Preise. "Bio ist in der Realität angekommen", sagt Rüb dazu. Viele Betriebe vermarkten ihre Produkte daher selbst über einen Hofladen. Laakmann zum Beispiel würde sich eine langjährige Partnerschaft mit dem Handel wünschen. "Damit wären wir nicht so starken Preisschwankungen ausgesetzt."

Denn die Bio-Landwirte sind noch stärker als die konventionell arbeitenden Bauern von der Witterung abhängig, können Ernteausfälle nicht so leicht kompensieren. Etliche Landwirte, die ihre Betriebe umstellen wollen, haben daher Angst: Wenn sie sich in der Umstellung mit Preisverfall oder Ernteverlusten plagen müssen, kann ihnen laut Laakmann "schnell die Puste ausgehen". Da helfen auch die Fördermittel vom Land nicht mehr. Mit 520 Euro pro Hektar Ackerland im ersten Jahr der Umstellung und 260 Euro pro Hektar in den Folgejahren liegt NRW im bundesweiten Vergleich im Spitzenfeld, sagt der LVÖ-Vorsitzende Thuneke. Mehr gehe kaum. Er wünscht sich allerdings, dass auch in der Ausbildung Denkverbote abgebaut würden. "Es geht immer noch um schneller, höher, weiter, um Quantität statt Qualität", sagt Thuneke. "Da muss etwas passieren, das ist der Schlüssel."

Hat Bio so überhaupt eine Zukunft in NRW? "Selbstverständlich", sagt Laakmann vom Schanzenhof. "Das ist nicht mehr wegzudenken, muss aber auch preislich honoriert werden." Auch Thuneke ist zuversichtlich. Trotz aller Widrigkeiten gebe es immer wieder Landwirte, die sagen, dass sie keine Lust mehr haben auf konventionelle Landwirtschaft, die weg wollen beispielsweise von der Massentierhaltung. Denn Bio sei in erster Linie eine Frage der Überzeugung, sagt Karin Rahm vom Hof am Deich. Es gehe nicht nur darum, Geld zu verdienen. Rahm: "Wir leben das ja auch."

(RP)
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