Senioren helfen Senioren in Düsseldorf Bloß nicht allein zu Hause

Nicht nur die Zahl der Senioren in Deutschland wächst, sondern auch die der Singlehaushalte. Immer mehr Menschen sind deshalb von Einsamkeit im Alter bedroht. Düsseldorfer Netzwerke zeigen, was sich dagegen tun lässt. Ein Besuch in Benrath.

Die ehrenamtlich arbeitenden Senioren vom "Zentrum Plus" der Diakonie in Benrath, treffen sich regelmäßig, um Organisatorisches zu besprechen.

Die ehrenamtlich arbeitenden Senioren vom "Zentrum Plus" der Diakonie in Benrath, treffen sich regelmäßig, um Organisatorisches zu besprechen.

Foto: Susanne Hamann

Es könnte das Vereinstreffen einer Sportmannschaft sein, allerdings stehen dafür zu viele Rollatoren vor der Tür. Kaffeetassen scheppern, Stullen wandern über die Teller. Immer wieder schallt Gelächter durch den Raum. An diesem Freitagmorgen hat man sich viel zu erzählen.

30 Senioren sind heute im Gemeinschaftsraum des Altenheims in Benrath zu ihrem monatlichen Ehrenamtlerfrühstück zusammengekommen. Sie gehören zum sogenannten "Zentrum Plus" der Diakonie. Eine Einrichtung, die Senioren innerhalb ihres Stadtteils miteinander in Kontakt bringen will. Die Idee: jüngere Senioren helfen Älteren, bis sie es selbst nicht mehr können. So soll ein Kreislauf entstehen, der vor Einsamkeit im Alter schützt. Allein in Düsseldorf gibt es 32 solcher Einrichtungen. An diesem Morgen kommen die Senioren aus dem Netzwerk Benrath zusammen.

Etwa eine Stunde reden sie nur. Dann ziehen die Anwesenden Blöcke und Stifte aus den Taschen. Jeder hier ist Pate für eine oder mehrere Aktivitäten, die für alle offen stehen, aber vor allem den Älteren zugute kommen sollen — den über 85-Jährigen. Mit durchschnittlich Mitte 70 gehen die Ehrenamtlichen hier als junge Hasen durch und organisieren unter anderem Veranstaltungsbesuche, Computerkurse, Treffen für englische Konversation und Brettspielabende.

Gegen die Einsamkeit

Peter Sawatzki ist einer dieser jungen Alten. Der 77-Jährige betreut seit zwei Jahren den Gesprächskreis "Keine Angst vor Demenz". Ein Leben ohne Ehrenamt kann er sich schon lange nicht mehr vorstellen. "Ich bin mit 57 in Rente gegangen, und meine Frau hat noch gearbeitet. Wenn Sie die ganze Zeit alleine zu Hause die Wand anstarren - da werden Sie verrückt." Seitdem packt er an, wo man ihn lässt. Erst als Helfer für Suchtgefährdete, dann im Kindergarten, später in der Bahnhofsmission. Im Netzwerk Benrath findet er schließlich eine Art zweite Heimat.

Wie Sawatzki geht es vielen älteren Menschen in Deutschland. Im Jahr 2014 lebte rund ein Drittel der Generation 65+ in einem Einpersonenhaushalt. Bis 2030 sollen laut Statistischem Bundesamt 81 Prozent der deutschen Haushalte aus nur einer, höchstens zwei Personen bestehen. 40 Prozent der Singles sind dann 60 Jahre und älter. Welche Folgen das haben kann, zeigte Ende 2016 ein Fall in Köln. Damals wurde eine Seniorin erst ein Jahr nach ihrem Tod in ihrer Wohnung gefunden.

Bei den insgesamt 120 Ehrenamtlichen im Netzwerk Benrath ist so etwas undenkbar. Dafür sorgt der "Kreislauf für die Vorsorge im Alter", wie Projektleiterin Margit Risthaus es nennt. Senioren kommen zum Netzwerk, weil sie Gemeinsamkeit suchen. Sie finden eine Aufgabe darin, Älteren eine gute Zeit zu bescheren und kommen am Ende selbst in den Genuss dieses Angebots, wenn es für sie so weit ist.

Gegen die Verwahrlosung

"Weil sich die Gruppen somit über Jahre regelmäßig treffen, fällt es direkt auf, wenn jemand einfach nicht mehr kommt, ohne abzusagen", sagt die Leiterin des Projekts. Dann fahren Ehrenamtliche oder Risthaus selbst zur Wohnung und sehen nach, ob alles in Ordnung ist.

"Außerdem merken wir, wenn jemand drei Wochen in Folge das Gleiche an hat, seine Kleider vielleicht nicht mehr richtig wäscht und immer dünner wird." In so einem Fall prüft Risthaus sofort, ob der Senior noch in der Lage ist, seinen Alltag alleine zu bewältigen - und wie es um seine Finanzen steht. Am Ende will Risthaus möglichst alle älteren Leute im Viertel erreichen. Deswegen bittet sie die Anwesenden an diesem Freitag auch, darüber nachzudenken, ob sie Senioren kennen, die noch nichts vom Netzwerk Benrath gehört haben.

Gegen die Altersarmut

Die könnten dann auch an der geplanten Karnevalsfeier teilnehmen. "Wer kommen mag, kann einen Unkostenbeitrag bezahlen — und vielleicht sogar eine Patenschaft übernehmen."

Benrath gilt zwar als reiches Viertel. Aber auch hier ist Altersarmut ein Thema. Immer wieder hört Risthaus, dass Senioren nicht zum Netzwerktreffen kommen, weil sie sich die Busfahrten oder das regelmäßige Gruppenfrühstück nicht leisten können. "Manche hocken deswegen über Monate alleine in ihrer Wohnung und gehen nicht vor die Tür", sagt sie.

Um solche Situationen zu verhindern, gibt es im Netzwerk ein spezielles Bezahlsystem. "Wer kann, der bezahlt den vollen Preis. Wer ein bisschen besser aufgestellt ist, legt noch etwas drauf und übernimmt somit eine Art Patenschaft für andere, die sich die Veranstaltungen alleine nicht leisten könnten." Das monatliche Gruppenfrühstück kostet so für Betroffene beispielsweise nicht mehr 5 Euro, sondern nur 3,70 Euro.

Am Ende wird das Netzwerk zu einer Art Wahl-Verwandtschaft, mit ähnlichen Vorteilen, Pflichten und Streitigkeiten. Das zeigt sich auch beim letzten Punkt auf der Agenda: "Wie soll Weihnachten dieses Jahr ablaufen?", fragt Risthaus. Es ist zwar erst Ende Januar, aber dieser Feiertag will geplant werden — denn die Jüngeren und die Älteren sind sich uneins.

2016 gab es den traditionellen Weihnachtskaffee am 23. Dezember. Das kam den freiwilligen Helfern entgegen. "Denn im Jahr davor, als wir den Kaffee am 24. gemacht haben, sind wir danach nur noch ins Bett gegangen. Wir waren einfach zu müde, um unser eigenes Weihnachten zu feiern", sagt Gisela Hilgenstock. Die 77-Jährige und ihr Mann haben insgesamt schon viermal an Weihnachten zwischen 11 und 16 Uhr Kaffee und Kuchen für die Singles der Gruppe ausgerichtet und geben zu: "Da merkt man eben doch, dass man selbst auch nicht mehr so fit ist."

Auf der anderen Seite stehen jene, die ohne den Kaffeeklatsch Heiligabend alleine sein müssten. Keine leichte Entscheidung für die Gruppe, und so muss die Abstimmung erst mal verschoben werden. Nur eines ist schon klar: Ganz alleingelassen wird auch Ende des Jahres niemand.

(ham)
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