Prozessauftakt in Bonn Säugling im Rucksack ausgesetzt: Mutter gesteht unter Tränen

Bonn · Im Bonner Totschlags-Prozess um das ausgesetzte "Baby Paul" hat die angeklagte Mutter ein umfassendes Geständnis abgelegt. "Ich habe das Kind nicht gewollt", sagte die 21-Jährige am Montag unter Tränen vor dem Landgericht.

Die 21-Jährige ist angeklagt, den Säugling Ende Juni vorigen Jahres in einem Rucksack in einem Gebüsch in Bonn abgelegt zu haben. Am Montag begann der Prozess vor dem Bonner Landgericht.

Die 21-Jährige ist angeklagt, den Säugling Ende Juni vorigen Jahres in einem Rucksack in einem Gebüsch in Bonn abgelegt zu haben. Am Montag begann der Prozess vor dem Bonner Landgericht.

Foto: dpa, mb tmk

Der Vater, ein zwölf Jahre älterer Mann aus Koblenz, mit dem sie eine Wochenendbeziehung führte, sei nicht ihre "Liebe" gewesen. "Als ich merkte, dass ich schwanger war und es zu spät für eine Abtreibung war, habe ich alles verdrängt."

Als sie von ihrem Fußballtrainer, von Freundinnen oder auch den getrennt lebenden Eltern auf ihre körperliche Veränderung angesprochen wurde, reagierte sie mit Ausreden: Neue Pille oder auch zu viel gegessen. Schließlich habe sie eine "Panik davor gehabt, dass ihre Eltern von ihrer Schwangerschaft erfahren könnten". Der Kindsvater war ebenfalls nicht eingeweiht.

"Das Kind in meinem Bauch gehörte irgendwie nicht zu mir", erinnerte sich die Angeklagte, die von allen als einen "sehr liebe", "fröhliche", "kameradschaftliche", aber auch "konfliktscheue" Person beschrieben wird. Auch nach der Geburt habe sie keine Beziehung zu dem Kind gehabt, die Angst vor einer Entdeckung sei größer gewesen.

In diesem Rucksack fanden zwei Männer den bereits völlig unterkühlten kleinen Jungen. Er lebt heute bei einer Pflegefamilie.

In diesem Rucksack fanden zwei Männer den bereits völlig unterkühlten kleinen Jungen. Er lebt heute bei einer Pflegefamilie.

Foto: Polizei

Die Staatsanwaltschaft wirft der Sportstudentin versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Sie ist angeklagt, den Säugling Ende Juni vorigen Jahres in einem Rucksack in einem Gebüsch in Bonn abgelegt zu haben. Nur durch Zufall hörten drei vorbeikommende Jugendliche ein Wimmern und fanden den stark unterkühlten Jungen. Er konnte in einem Krankenhaus gerettet werden und lebt heute bei Pflegeeltern.

Eine Babyklappe gibt es in Bonn nicht, wie die junge Frau nach der Geburt gegoogelt hatte. Nach eigener Aussage war sie mit dem Baby im Rucksack zwei Stunden lang auf dem Fahrrad unterwegs, um einen geeigneten Ablageort zu finden. Vor allem Klöster, Kirchen und Krankenhäuser habe sie angefahren, aber es sei immer zu viel los gewesen.

Im Prozess beteuerte sie, sie habe gewollt, dass ihr Kind gefunden wird. Die Staatsanwältin jedoch glaubt ihr nicht: Der Fundort des ausgesetzten Kindes sei sehr einsam und versteckt gewesen; auch sei der Rucksack fest verknotet gewesen. Dass das Kind überlebt habe, sei reiner Zufall.

Für die Rettung ihres Kindes bedankte sich die Angeklagte am Montag bei den Jugendlichen, die als Zeugen gehört wurden. "Es ist für mich heute schwer nachvollziehbar, wie ich damals gehandelt habe."

Eine psychiatrische Gutachterin soll Auskunft geben, ob die Angeklagte zur Tatzeit möglicherweise eingeschränkt schuldfähig war. Seit Ende Oktober ist sie auf freiem Fuß und lebt bei ihrer Schwester.

(lnw)
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