Britischer Botschafter bei IHK-Empfang in Düsseldorf "Briten verlassen EU, aber nicht Europa"

Düsseldorf/Köln · Der britische Botschafter Sebastian Wood warb beim Neujahrsempfang der IHK Düsseldorf für eine "faire Lösung" zum EU-Austritt. Kanzlerin Merkel forderte einen engen Schulterschluss von Politik und Wirtschaft bei den Brexit-Verhandlungen.

Die Wirtschaftswelt trifft sich bei der IHK
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Foto: Bretz Andreas

Mit Spannung blicken Wirtschaft und Politik heute nach London. Dort will die britische Premierministerin Theresa May erklären, wie sie sich den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union vorstellt. Gestern Abend machte Sebastian Wood, britischer Botschafter in Deutschland, klar, dass der Brexit auf jeden Fall komme.

"Der Wille der Wähler muss geachtet werden." Da sich die Mehrheit der Briten bei der Abstimmung im Juni für den Austritt entschieden hätten, werde die Regierung dies umsetzen, sagte er beim Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf (IHK). "Für die Premierministerin ist die klarste Botschaft des Referendums, dass wir mehr Kontrolle brauchen: Kontrolle über die Zuwanderung nach Großbritannien; Kontrolle über unsere Rechtssprechung. Wir werden deshalb keine unbegrenzte Arbeitnehmerfreizügigkeit mehr zulassen, und die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs in Großbritannien beenden."

Die EU hat aber ihrerseits klar gemacht, dass es keine Rosinenpickerei geben werde. Wenn die Briten die Freizügigkeit der Arbeitnehmer aufkündigen, soll es auch keinen freien Handel mit Waren und Dienstleistungen mehr geben. Woods warb dennoch vor rund 1000 Gästen aus Wirtschaft und Politik dafür, eine gute Vereinbarung zu finden. "Wir brauchen eine ausgeglichene, faire Lösung, die die Sorgen der britischen Bürger, aber auch den Zusammenhalt der EU berücksichtigt."

Spekulation um Theresa Mays Brexit-Pläne

Die engen wirtschaftlichen Beziehungen sollten möglichst erhalten bleiben. "Unsere und alle Unternehmen in der EU, die Waren und Dienstleistungen handeln wollen, sollten dies so frei und ungehindert wie möglich tun können." Damit widersprach Wood - wie zuvor Mays Sprecherin - indirekt Berichten von britischen Medien, wonach London einen "harten Brexit", also auch das Verlassen des EU-Binnenmarktes, plane.

Britische Medien spekulieren, dass Theresa May am Dienstag einen harten Schnitt mit der EU ankündigen könnte. Das schickte auch das britische Pfund auf Talfahrt. Es fiel unter die Marke von 1,20 Dollar. Seit dem Brexit-Votum hat es ein Fünftel seines Wertes verloren. Ebenso wurden die Börsen unruhig.

Für beide Seiten stehe viel auf dem Spiel, betonte auch Wood. "Großbritannien ist für Deutschland der zweitwichtigste Exportmarkt weltweit. Deutsche Unternehmen in Großbritannien beschäftigen mehr als 350.000 Arbeitnehmer. Sie erwirtschaften einen Umsatz von 173 Milliarden Euro - mehr als in jedem anderen europäischen Land." Zugleich versicherte er, dass Großbritannien Europa jetzt nicht den Rücken kehre. "EU-Austritt bedeutet nicht, dass wir Europa den Rücken kehren. Wir verlassen die EU, aber nicht Europa."

Kanzlerin Angela Merkel, die gestern beim Empfang der IHK in Köln zu Gast war, forderte einen engen Schulterschluss von Politik und Wirtschaft bei den Brexit-Verhandlungen. Sicher sei man aus vielen Gründen weiter an einem guten Verhältnis mit Großbritannien interessiert, sagte sie. Aber wenn Großbritannien die vier Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes nicht akzeptieren wolle, dass könne es keinen vollen Zugang mehr erhalten, sagte Merkel. "Ich bitte Sie als Vertreter der Wirtschaft, dass wir da gemeinsam handeln."

Andreas Schmitz, der Ulrich Lehner als Präsident der IHK Düsseldorf abgelöst hat, erinnerte sich an den Tag nach dem Brexit-Votum: "Meine erste Reaktion als Asterix-Fan war: Die spinnen, die Briten". Dennoch gelte es nun, das Votum der Wähler zu akzeptieren. Schmitz, der lange Chef der Bank HSBC Deutschland war, hofft darauf, dass der Brexit das schläfrige Europa wach rüttele. "Das Königreich war immer der Gradmesser, wie viel Eigensinn und Volkswillen die EU verträgt." Die EU sollte sich Großbritannien zum Vorbild nehmen - "mit bewachten Grenzen, mit starker Währung, mit innerem Zusammenhalt und selbstironischem Stolz auf die eigenen Leistungen". Wood scherzte, hätte er gewusst, dass Wolf Doldinger und seine Freunde (inklusive Ulrich Lehner) Blues spielen würden, hätte er einen Brexit-Blues komponiert. Doch auch so sei er überzeugt: "Wir werden und müssen Freunde bleiben."

(anh)
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