Debatte um Gesichtsschleier Elternverein: Burkas stören Schulfrieden

Düsseldorf · Die Diskussion um den Gesichtsschleier an Schulen bricht nicht ab: Nicht nur Grundschulen, auch weiterführende Schulen können die Verhüllung per Konferenzbeschluss verbieten. Und auch Arbeitgeber dürfen Vorschriften machen.

 Eine Frau mit Nikab. Der Gesichtsschleier lässt nur die Augen frei.

Eine Frau mit Nikab. Der Gesichtsschleier lässt nur die Augen frei.

Foto: dpa, pen vfd

Mehrere Eltern stehen vor der Adolf-Klarenbach-Schule im Düsseldorfer Stadtteil Holthausen. In wenigen Minuten ist der Unterricht beendet. Eine Muslima mit schwarzem Kopftuch und bodenlangem Gewand blickt über den Metallzaun mit abgeblättertem blauen Anstrich. "Das ist nicht in Ordnung", sagt die 35-Jährige, die sich Aysche nennt. "Meine muslimischen Schwestern werden deshalb nicht den Nikab ablegen", sagt sie. Nikab ist arabisch und meint Gesichtsschleier.

In ihrer neuen Schulordnung hatte die Düsseldorfer Grundschule Nikab und Burka untersagt. Wer sein Kind abholen oder mit Lehrern sprechen will, muss mit unverschleiertem Gesicht erscheinen. Das Schleierverbot wurde auch mit der Angst der Kinder vor Personen in Ganzkörperschleier begründet. Doch wer hat tatsächlich Angst? "Das sind doch nur die Eltern", meint Aysche. Andere muslimische Eltern äußern Verständnis: "Kopftuch? Kein Thema. Schleier? Kein Thema. Aber im Gesicht? Ich muss wissen, wer kommt, wer geht", sagt der 42-jährige Vater Naveed Amjad, ein Pakistaner und Muslim, der den Kurs der Schule unterstützt. "Man weiß nicht: Steckt ein Mann oder eine Frau unter dem Schleier? Da muss man doch Angst haben."

Auch der Elternverein NRW stellt sich hinter die Entscheidung der Düsseldorfer Grundschule. Die Vorsitzende Regine Schwarzhoff erklärt: "Ich halte Burkas an Schulen für absolut unzuträglich. In unserem Kulturkreis wird dadurch die Kommunikation sowie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit beeinträchtigt - sogar der Schulfrieden kann auf diese Weise gestört werden", sagt Schwarzhoff.

Elternvertreter und Gewerkschaften fordern eine landeseinheitliche Regelung. Das Schulministerium hält an der bestehenden Praxis fest: Nach einem Beschluss der Schulkonferenz können Grund- und weiterführende Schulen in ihre Schulordnungen ein Verbot aufnehmen. "Das müssen die Schulen eigenverantwortlich klären, denn die Fälle sind sehr unterschiedlich und nur der Diskurs vor Ort hilft", sagt die Sprecherin des Schulministeriums, Barbara Löcherbach. Anders sieht das bei verhüllten Schülerinnen aus: "Das ist generell nicht erlaubt, denn ein Gesichtsschleier widerspricht dem Prinzip der offenen Kommunikation", sagt Löcherbach.

Vollschleier: Die Welt durch den Niqab gesehen
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Verschleiert: Die Welt durch den Niqab gesehen

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Foto: ap

Wie viele Frauen in Deutschland Burka tragen, ist nicht bekannt. Der Islamwissenschaftler Thomas Volk von der Konrad-Adenauer-Stiftung schätzt, dass die Zahl im niedrigen dreistelligen Bereich liegt. Der Vollschleier werde von Frauen mit einem strengen, orthodoxen Islam-Verständnis ab dem Eintritt in die Pubertät getragen. Volk unterstützt ein Verbot im schulischen Bereich. "In freien und demokratischen Gesellschaften muss es möglich sein, seinem Gegenüber ins Gesicht zu blicken."

Laut Experten ist die Regelung für Schulen nicht eins zu eins auf Hochschulen zu übertragen. Besucherinnen mit Vollschleier können Juristen zufolge nicht einfach vom Gelände verbannt werden. Das öffentliche Hausrecht besagt, dass eine Hochschule eine Person nur des Hauses verweisen kann, wenn eine Gefahr oder Störung von dieser ausgeht, sie den Unterricht stört oder Sachen beschädigt. Das Tragen einer Burka ist wohl nicht als Störung zu werten.

Das ist ein Burkini
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Das ist ein Burkini

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Arbeitgeber darf Kleidervorschriften machen

Bei Studierenden hat die Hochschule eher eine Handhabe, das zeigt ein Fall an der Universität Gießen. Im vergangenen Jahr hatte die Uni erklärt, dass eine Lehramtsstudentin mit Ganzkörperschleier nicht an Hochschulveranstaltungen teilnehmen darf. Die Hochschule begründete das damit, dass ein akademischer Diskurs durch die Verschleierung nicht möglich sei, weil Mimik und Gestik als wichtige Aspekte der Kommunikation fehlen würden.

Eindeutiger sieht das in der Arbeitswelt aus: "Der Arbeitgeber darf grundsätzlich Kleidervorschriften machen", sagt der Arbeitsrechtsprofessor Jacob Joussen von der Ruhr-Universität Bochum, "das ist durch das ihm zustehende Direktionsrecht abgedeckt." Die Anweisungen müssten aber im Rahmen des "billigen Ermessens" erfolgen. "Vereinfacht ausgedrückt heißt das, die Vorschrift muss gerecht und angemessen sein."

Im Falle der Burka oder des Nikabs hätte man zwei Rechte, die miteinander konkurrieren: das Direktionsrecht des Arbeitgebers und die religiöse Auslebung des Arbeitnehmers. "Würde ein solcher Fall vor Gericht landen, würden sich die Richter unter anderem anschauen, ob der Arbeitnehmer in einem Geschäftsfeld mit Publikumsverkehr eingesetzt wird." Einer Putzfrau, die nachts arbeite, wenn alle anderen nicht mehr im Hause seien, könne man das Tragen des Schleiers schwerlich verbieten.

Anders, wenn die Frau in einem Büro mit Publikum eingesetzt werde. In Frankfurt hatte ein Einwohnermeldeamt einer Mitarbeiterin das Tragen untersagt und argumentiert, dass für die Stelle Augenkontakt nötig und die Verschleierung nicht mit der Werteordnung vereinbar sei. Die Behörde bekam Recht. Joussen: "Bei Glaubensfragen werden die Einschränkungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber immer sehr eng, aber der Glaube gewinnt nicht immer."

(RP)
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