Neues Jagdgesetz in NRW "Das geht: Ich bin Tierfreund und jage dennoch"

Düsseldorf · Zur Klarstellung dies vorab: Ich bin Jäger und habe in den vergangenen Jahren unter anderem einige Rehe und Wildschweine erlegt. Damit bin ich in den Augen mancher Menschen ein Tiermörder. Wer so denkt, weiß wenig über die Jagd in Deutschland.

Unser Redakteur Hans Onkelbach ist Jäger und daher oft mit seiner Hündin Lotte in der Natur unterwegs.

Unser Redakteur Hans Onkelbach ist Jäger und daher oft mit seiner Hündin Lotte in der Natur unterwegs.

Foto: Bretz, Andreas

Weil NRW bald ein neues Jagdgesetz bekommt, erhitzt das Thema Jagd und Tierschutz zur Zeit einmal mehr die Gemüter. Etlichen Jägern ist das neue Gesetz ein Gräuel. Weil sie sich eingeschränkt, missverstanden und gegängelt fühlen. Das stimmt in Teilen auch, aber man kann das durchaus unterschiedlich sehen. Der größte Aufreger sind die Katzen. Seit Jahren durften Jäger sie schießen, wenn sie mehr als 200 Meter entfernt vom nächsten Haus herumstreunten, künftig soll das verboten sein. Jäger protestieren - sie wissen, was Mieze draußen anrichtet. Katzenfreunde dagegen sehen ihre Vorurteile gegen Jäger bestätigt - schießwütige Tiermörder halt.

Womit wir beim Thema "der Mensch und seine Tiere" wären. Einige essen wir, die anderen dürfen aufs Sofa. Oder sogar ins Bett - Tierliebe treibt komische Blüten. Manche schätzt der Mensch durchgegart, andere kuschelnd hautnah. Werden liebestolle Erpel aus dem Park verscheucht oder gar geschossen, weil sie - von allzu viel Futter gemästet und daher hormonell austickend - in Gruppen die weiblichen Enten vergewaltigen, gibt's Protest. Hängen sie beim China-Mann knusprig am Grill, ist alles ok.

Irgendwie merkwürdig, oder?

Mitten drin wir Jäger. Oft - das Interesse ist wirklich sehr groß ! - werden wir gefragt "Warum jagst Du, wieso tötest Du Tiere? Das ist doch grausam!" Die flapsige Antwort ist: Glaubst Du, das Rind, dessen Steak Du isst, hat Selbstmord begangen? Oder sich tot gelacht?

Die ernsthafte Antwort: Weil es ein großartiges Erlebnis ist, der Natur so nahe zu sein. So viel zu wissen über den Wald, die Pflanzen, die Tiere, die Jahreszeiten und das, was sie für Vögel, Rehe, Sauen und Hirsche bedeuten. Zu erleben, wie abends die Sonne untergeht, Ruhe einkehrt und der Begriff Dunkelheit zwischen und unter Bäumen eine bis dato nie gekannt Realität bekommt. Wie das Ohr auf einmal seine Empfindlichkeit verdreifacht und ich Geräusche höre, die ich im Hellen vermutlich nicht wahrgenommen hätte. Oder: Morgens vor Sonnenaufgang draußen zu sein, den Nebel über Wiesen und Feldern zu sehen, das langsame Erröten des Himmels und schließlich die Sonne, wenn sie über den Horizont kommt. Die nachtaktiven Tiere sind dann schon in der Deckung, die tagaktiven werden munter.

Ich bin Jäger, weil ich sonst nie eine Ricke beobachtet hätte, deren Kitze fünf Meter vor mir im Gras gelegen haben, ohne dass ich sie entdeckt hätte - und die sie mit zartem Fiepen anlockt. Ich hätte nicht diesen unfassbar schönen Hirsch bestaunt, der mir bei Sonnenaufgang aus dem Wald entgegenkam und eine Stunde lang vor mir graste, ohne mich zu wittern, weil der Wind für mich günstig stand. Ich war Zeuge beim Liebesspiel der Rehe und eines Wildschweinrudels, dessen Anführerin die wuselige Truppe immer im Auge behielt. Ich habe einen Bussard bewundert, als sein längst flügge gewordenes Junges partout nicht fliegen wollte - und mit viel Geduld doch dazu gebracht wurde. Ich sah eine Hirschkuh (oder vielmehr nur deren Kopf), hörte ihr Rudel hinter ihr im Wald warten - und erlebte, wie das Leittier, das mich offenbar erahnte, sich nach Minuten des Witterns ganz langsam zurückzog - und mit ihm die anderen. Nie würden die Tiere die Anordnungen der Chefin missachten. Sie wissen: Ihr Leben hängt davon ab.

Das wurde früher von Wölfen, Luchsen und Bären bedroht, heute ausschließlich vom Menschen, also von mir. Aber anders als für diese vierbeinigen Jäger ist unser Tun streng reglementiert: Schonzeiten für alle jagdbaren Tiere sind eisern einzuhalten, viele dürfen aus unterschiedlichen Gründen gar nicht erlegt werden. Aber, und das erstaunt viele Laien, viele müssen geschossen werden. Dazu gibt es so genannte Abschusspläne. In denen legt die örtliche Jagdbehörde die Zahlen fest. Der Hintergrund: Zu viele Rehe richten erhebliche Schäden an Bäumen an, auch Hirsche knabbern die Rinde vom Holz - und das mindert oder zerstört deren Wert, was der Eigentümer (manchmal die Kommune, manchmal private Eigner) natürlich nicht wollen. Die Vorstellung mancher, der Jäger geht in den Wald und knallt wahllos ab, was ihm vor das Gewehr läuft, ist also schon allein deshalb falsch. Hinzu kommen weitere Einschränkungen durch Schonzeiten: Alle jagdbaren Tiere dürfen nur zu geregelten Zeiten ins Visier genommen werden. Ist man nicht sicher, schießt man nicht - jedenfalls gilt das für seriöse Jäger. Die wollen das richtige Tier erlegen, und auf jeden Fall tödlich treffen. Wer behauptet, das gelinge immer, lügt. Auf jeden Fall ist der richtig platzierte Schuss die humanste Art, ein Tier zu töten: Es hört den Knall nicht, die Kugel ist schneller als der Schall. Bis zu dieser Sekunde hat es artgerecht gelebt - und musste nicht, wie die bedauernswerten Schnitzel- und Chicken-Wings-Lieferanten, in fensterlosen Ställen entwürdigt vegetieren.

Und damit kommen wir zu einem weiteren Grund für mich, zu jagen: Frikadellen, Braten, Gulasch oder Würstchen von Wildschwein, Hirsch und Reh sind einfach lecker.

(RP)
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