Kranke Feuerwehrleute in NRW Der Krebs, der aus dem Feuer kommt

Düsseldorf · Feuerwehrleute erkranken häufiger an Krebs als der Durchschnitt der Bevölkerung. Als Berufskrankheit ist er bei ihnen jedoch nicht anerkannt, Betroffene fühlen sich allein gelassen. Der Verein Feuerkrebs will das ändern.

 Der Düsseldorfer Feuerwehrmann Klaus Mohr litt an Prostatakrebs und hat eine Operation, 37 Bestrahlungen und zahlreiche Bluttests hinter sich.

Der Düsseldorfer Feuerwehrmann Klaus Mohr litt an Prostatakrebs und hat eine Operation, 37 Bestrahlungen und zahlreiche Bluttests hinter sich.

Foto: Anne Orthen

Klaus Mohr ahnt nichts Schlimmes. Wie jedes Jahr ist er zur Routineuntersuchung beim Urologen. Seine Frau blättert im Wartezimmer in einer Zeitung, als der Arzt ihm eröffnet, dass er Prostatakrebs hat. Aus heiterem Himmel. Dass sein Beruf als Feuerwehrmann an der Diagnose Schuld sein könnte — der Gedanke kommt ihm erst später. Heute sind ihm allein bei der Düsseldorfer Feuerwehr 15 Kollegen bekannt, die auch an Krebs erkrankt sind.

Tatsächlich gibt es Studien aus den USA, in denen Feuerwehrleuten ein um bis zu 30 Prozent höheres Risiko für einige Krebsarten nachgewiesen wurde als im Durchschnitt der Bevölkerung. "Hierzulande aber gibt es keinerlei Erhebungen, welche Auswirkungen Einsätze auf das Krebsrisiko der Kollegen haben", sagt Marcus Bätge. Doch er ist sicher: Das Risiko ist ähnlich hoch. Um Feuerwehrleute in Deutschland besser abzusichern, hat er die "Gesellschaft Feuerkrebs" mitgegründet. Sie setzt sich für die Anerkennung von Krebs bei Feuerwehrleuten als Berufskrankheit ein.

Schwieriger Ländervergleich

Der 47-Jährige arbeitet bei der Feuerwehr Hamburg und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema. "Ein hoher Prozentsatz von Kollegen ist in der Vergangenheit an Krebs erkrankt, das hat mich hellhörig gemacht", sagt er. Bätge und andere Mitglieder von Feuerkrebs haben sich deshalb mit Mitarbeitern des Bundesarbeitsministeriums in Bonn getroffen, um auf das Thema aufmerksam zu machen. "Dort war man sofort alarmiert und hat um Daten gebeten", sagt Bätge.

Doch die müssen erst erhoben werden. Die Ergebnisse aus den USA oder der Fakt, dass Krebsarten bei Feuerwehrleuten in Kanada als Berufskrankheit anerkannt sind, reichen nicht. Man müsse mit dem Vergleich zwischen den Ländern vorsichtig sein, sagt Stefan Boltz von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung — die im Krankheitsfall Therapien und Renten zahlt. "In Nordamerika sind die Häuser oft aus Holz, in Deutschland meist aus Stein gebaut", sagt er. Bei einem Brand würden also andere Stoffe freigesetzt, mit denen die Feuerwehrleute konfrontiert werden.

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Foto: dpa, Christian Charisius

Bei jedem Brand werden andere Schadstoffe freigesetzt

Eine Operation, 37 Bestrahlungen und zahlreiche Bluttests nach der Diagnose sitzt Klaus Mohr in einem Düsseldorfer Café. Gerade kommt er von der Feuerwache, wo Kollegen und Vorgesetzte ihn in den Ruhestand verabschiedet haben, mit 60 Jahren. Wenn er auf sein Berufsleben zurückblickt, hat er längst nicht nur Häuser aus Stein gelöscht.

Da war der Brand am Düsseldorfer Flughafen 1996, bei dem 17 Menschen an Rauchvergiftungen starben. Der Einsatz im Düsseldorfer Hafen, bei dem Mohr und seine Kollegen Ölmühlen löschten. Brennende Autos auf der Autobahn gehörten zu seinem Alltag, ebenso wie Feuer in Fabrikanlagen.

Eben weil bei jedem Brand andere Schadstoffe freigesetzt werden, ist es so schwierig, Krebs als Berufskrankheit bei Feuerwehrleuten anzuerkennen. Denn dafür muss ein direkter Zusammenhang zwischen einer Konfrontation mit gewissen Schadstoffen im Beruf und der Krankheit bewiesen werden.

Die Schadstoffe müssen auf einer Liste bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin stehen, und es muss die dort vermerkte Dosis oder Zeit nachgewiesen werden, die ein Arbeitnehmer einem Gefahrenstoff ausgesetzt war. Bei Feuerwehreinsätzen wird so etwas oft nicht gemessen und ausgewertet. Nur in Einzelfällen wurde Krebs bei Feuerwehrleuten bisher als berufsbedingt anerkannt, zum Beispiel, wenn asbestbelastete Gebäude gelöscht wurden.

Kampf für verbesserte Einsatzhygiene

Einen Knackpunkt sieht die Organisation Feuerkrebs bei der Ausrüstung der Feuerwehrleute. "Jedes Mal, wenn wir zu einem Brand fahren, lagern sich Rußpartikel auf der Uniform ab. Über die Haut gelangen die giftigen Stoffe dann in den Körper", sagt Bätge. Wie das genau passiert und welche Auswirkungen das haben kann, soll eine Studie der Unfallversicherung klarstellen.

Als Klaus Mohr 1978 Feuerwehrmann wurde, war die Ausrüstung eher "eine Art Konfirmationsanzug", sagt er — Hemd, Krawatte, Anzug mit vier Knöpfen. Seit dem Flughafenbrand habe sich die Ausrüstung deutlich verbessert. Heute habe jeder Düsseldorfer Feuerwehrmann drei Anzüge zum Wechseln, die chemisch gereinigt werden. Trotzdem: "Unter der Dusche schrubbt man sich das Schwarze von der Haut und stinkt danach immer noch", sagt Mohr.

Bätge kämpft daher zusammen mit seinen Kollegen dafür, die Einsatzhygiene zu verbessern. "Ein erster Schritt wäre es, wenn jeder Kollege nach dem Einsatz seinen Helm reinigt, und die Uniform nicht im selben Raum lagert, in dem er schläft." So könne vermieden werden, dass die Retter dauerhaft mit giftigen Stoffen in Kontakt kommen.

Hoffen auf die Studie

Klaus Mohr wird das nichts mehr bringen. Ihm geht es aber auch um seine jüngeren Kollegen. Bei ihnen beobachtet er eine gewisse Gleichgültigkeit beim Thema Krebs. "Ich hätte gedacht, das kommt schneller an", sagt er. Nun hofft er auf die Studie der Unfallversicherung und auf den Verein Feuerkrebs.

Seine Erkrankung gilt derzeit als überwunden, jetzt will er den Ruhestand mit seiner Frau genießen. Mit einem Segelboot soll es in den kommenden Jahren von den Niederlanden bis zum Mittelmeer gehen. In einer kleinen Wohnung in Neuss haben die beiden ihre wichtigsten Gegenstände zurückgelassen. Mohrs Feuerwehrhelm ist auch dabei.

(mre)
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