Serie "Unser Rhein" Wie der Mensch dem Rhein das Bett macht

Düsseldorf · Der Fluss gräbt sich immer tiefer in sein Bett. Darum werden ihm Kies und Sand zugeführt - teilweise aus einem anderen Flussabschnitt.

Düsseldorf aus der Luft
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Foto: Stadt Düsseldorf/ Kurt Nellessen

Victor Hugo war ein großer Bewunderer des Rheins. "Der Rhein vereinigt alles - er ist schnell wie die Rhone, breit wie die Loire, eingeschlossen wie die Mosel, gewunden wie die Seine, klar und grün wie die Somme, geschichtlich wie der Tiber, königlich wie die Donau, geheimnisvoll wie der Nil, goldbesät wie ein Strom Afrikas, bedeckt mit Sagen und Geistern wie ein asiatischer Fluss", schrieb der französische Schriftsteller 1842.

DerSchwärmerei des 19. Jahrhunderts sind harte Wirtschaftsfakten im 21. Jahrhundert gewichen. Laut Statistischem Bundesamt berührten 2013 knapp 194 Millionen Tonnen der in Deutschland auf einem Binnenschiff beförderten Güter den Rhein. Das sind 85 Prozent. 57 Prozent der Güter wurden dabei ausschließlich auf dem Rhein transportiert. Der Bund als Eigentümer verwaltet die Bundeswasserstraßen durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) als eigene Behörden - eine Art Autobahnmeisterei des Rheins.

Das ist Stephan Kaluzas "Rhein-Projekt"
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Doch es gibt nach WSV-Angaben ein großes Dilemma. Ist der Rhein besonders breit, fließt er sehr langsam und lagert sein Geschiebe ab. Diese Verlandungen behindern die Schifffahrt. Wird der Rhein aber zu stark eingegrenzt, nimmt der Strom zu. Der Fluss nimmt wiederum zu viel Geschiebe von seinem Grund auf, was er bei geringerer Strömung wieder ablädt. Die Rheinsohle sinkt ab, was als Erosion bezeichnet wird. Ein fataler Kreislauf - der Kosten in Millionenhöhe verursachen kann.

"Der Rhein hat, weil ihm Geschiebe fehlt, die Tendenz, sich einzugraben", sagt Andreas Wietecki, Sachbereichsleiter Neubau beim Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Rhein. Durch die Erosion gräbt sich der Rhein immer tiefer in sein muldenförmiges Flussbett, das sich dadurch in eine tiefe Rinne verwandelt. Entstandene tiefe Löcher werden auch Kolke genannt. Wasser- und Grundwasserspiegel sinken. Die Rheinsohle ist laut WSA in Kolkbereichen seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts um teilweise über fünf Meter abgesunken.

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Die Sohle des Flusses muss also stabilisiert und eine Vertiefung vermieden werden. Es geht um ein kluges Management des sogenannten Geschiebes, darunter sind Geröll, Kies und Sand zu verstehen. Dem Rhein wird dickeres Gestein zur Stabilisierung zugefügt und dünnes Geschiebe, damit er sich nicht an seinem Flussbett bedient. Entscheidend ist, dass angelieferte Wasserbausteine sowohl chemisch als auch physikalisch die gleichen Eigenschaften wie das Rheinmaterial besitzen. Die Qualitätsanforderungen sind entsprechend groß.

Im niederländischen Spijk, nur wenige Kilometer entfernt von Emmerich, wurde die Rheinsohle bereits teilweise stabilisiert. In einem deutsch-niederländischen Gemeinschaftsprojekt wurden für die Verfüllung einer mehr als fünf Meter tiefen Kolke rund 425 000 Tonnen Wasserbausteine wie Basalt und Kalksteine verwendet. Investitionsvolumen: über 20 Millionen Euro.

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Foto: rpo, Johannes Bornewasser

Dieses Geschiebe stammt nicht immer aus dem Rhein. Das externe Geschiebe kommt beispielsweise aus Kiesgruben und Steinbrüchen in Belgien oder niederrheinischen Städten. Internes Geschiebe wird mit einem Bagger an Stellen entnommen, wo es unerwünscht anlandet, und wird dort wieder aufgeschüttet, wo Bedarf besteht. "Wann immer wir etwas aus dem Rhein entnehmen, setzen wir es woanders auch wieder ein", sagt Wietecki. Der Rhein beliefert sich selbst mit Ressourcen.

Der WSV sieht dieNatürlichkeit des Rheins durch seine Maßnahmen nicht verändert. "Unsere Zielrichtung ist, nicht massiv ins Rheinregime einzugreifen", sagt Renate Schäfer von der Außenstelle West der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt. Eingriffe seien daher stets so gering wie möglich. Es gehe darum, den Rhein im Gleichgewicht zu halten. "Der Rhein macht, was er will. Er hat seine eigenen Gesetze", sagt Schäfer. Das bedeutet: Ohne Eingriffe gäbe es in kürzester Zeit an vielen Stellen tiefe Mulden. Als Konsequenz wäre der Rhein dann irgendwann nicht mehr als Wasserstraße nutzbar. Genau das soll verhindert werden.

Das bestätigt Andreas Wietecki vom Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Rhein. "Wir gewährleisten mit unserer Arbeit die Erhaltung des Ist-Zustandes des Rheins", sagt er. Maßnahmen sollen der Erosion entgegenwirken, dürfen unter anderem den Hochwasserschutz nicht verschlechtern.

Wie Victor Hugo lag der Rhein auch anderen bedeutenden Schriftstellern am Herzen. Heinrich Heine griff den Fluss in "Deutschland - ein Wintermärchen" auf. Darin heißt es: "Sei mir gegrüßt, mein Vater Rhein, / Wie ist es dir ergangen? / Ich habe oft an dich gedacht / Mit Sehnsucht und Verlangen."

(RP)
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