Barbara Havliza aus Düsseldorf gewährt Einblick Richterin trotzt der Bedrohung

Düsseldorf · Barbara Havliza ist eine der drei Vorsitzenden des Staatsschutz-Senats am Düsseldorfer Oberlandesgericht. Sie hat es mit Mördern und Islamisten zu tun. Die Richterin gewährt einen seltenen Einblick in ihr Seelenleben.

 Richterin Barbara Havliza hat einen der härtesten Jobs in der deutschen Justiz

Richterin Barbara Havliza hat einen der härtesten Jobs in der deutschen Justiz

Foto: dpa, mku jai

Wenn man Barbara Havliza nur danach fragt, was ihre Rolle am Oberlandesgericht (OLG) in Düsseldorf sei, dann erklärt sie, dass sie dafür da sei, das angeklagte Unrecht nachzuweisen und eine angemessene Strafe für den Beschuldigten zu finden. Sie sei kein Moralapostel. Sie spreche Recht. Wie es ihr dabei zumute sein muss, wenn sie die Urteile über diejenigen fällt, die brutalste Gräueltaten begangen haben, kann man nur erahnen. Sie selbst sagt: "Das Grauen, mit dem wir uns häufig auseinanderzusetzen haben, bleibt nicht in unseren Roben hängen."

Vorsitzende des Fünften Strafsenats

Die 58-Jährige, die 2007 aus Niedersachsen nach Düsseldorf ans OLG gekommen ist, ist Vorsitzende des Sechsten Strafsenats, der ausschließlich mit staatsgefährdenden Fällen zu tun hat — mit rechtsradikalen, linksextremistischen und islamistischen Terroristen und Wirrköpfen. Sie hat damit einen der härtesten Jobs in der deutschen Justiz. Immer wieder sind die Blicke der Öffentlichkeit auf sie gerichtet, verlassen sich die Bürger auf ihr Urteilsvermögen. Erst vor wenigen Wochen hat ihr Senat 14 Jahre Haft für den Attentäter verhängt, der die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit einem Messer fast umgebracht hat.

Für die Islamisten, insbesondere für die der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), aber, ist sie ein Feindbild. Ihre Aufgabe sei durchaus mit persönlichen Einschränkungen verbunden, räumt sie ein. "Es gibt immer wieder Drohungen gegen uns Richter, auch im Internet", sagt sie. Die Richter, die sich dieser Gefahr aussetzen, müssen häufig ihr Haus sicherheitstechnisch aufrüsten lassen. Es sei schwierig, neue Leute in den Senat zu bekommen, betont Havliza. Sie hat dafür Verständnis. "Man kann es niemandem verübeln, wenn er die Arbeit in diesem Aufgabenbereich als belastend empfindet." Man müsse damit umgehen können, "wenn Ehepartner und Kinder zu Hause sitzen und fragen: ,Was machst du denn da?'"

In den Videos wird häufig Deutsch gesprochen

Vor der 58-Jährigen sitzen oft junge Männer, die mehr Kind als Mann sind, aber schon im Auftrag des IS in Syrien gemordet haben. Häufig sind es sogar Deutsche aus Nordrhein-Westfalen, die zum Islam konvertiert sind, die die Gräueltaten begangen oder daran mitgewirkt haben. So wie die Mitglieder der "Lohberger Brigade" aus Dinslaken und die Islamisten aus der Solinger Salafistenszene um die mittlerweile verbotene Moscheegemeinde Millatu Ibrahim. Havliza muss sich immer wieder Videos von diesen Radikalen ansehen, in denen sie Menschen enthaupten. "Da gehen Sie nicht nach Hause und haben das vergessen", sagt Havliza. "Das kann man nicht vergessen, wenn lebendigen Menschen die Köpfe abgeschnitten werden." In den Videos wird häufig Deutsch gesprochen.

Auf einem aktuellen Propagandafilm, mit dem sie sich derzeit auseinandersetzen muss, meint sie die Stimme eines bekannten Terroristen aus NRW zu hören, der schon viermal für tot erklärt worden ist. Havliza ist sich ziemlich sicher, dass er das nicht ist. Denn auch die Verbreitung von Fehlinformationen gehört zum Geschäft des IS. Der, den sie meint, wiedererkannt zu haben, bezeichnet in der verwackelten Kamera-Sequenz am Boden liegende, gefallene Soldaten als "Dreck". So nenne der IS alle Andersgläubigen, erklärt sie.

"Von Ihnen geht keine Gefahr aus"

Trotz alledem — oder vielleicht gerade deswegen — lebt Havliza für ihren Job. "Wir alle üben unseren Beruf mit Leib und Seele aus", sagt sie. Auch wenn sie es im Gerichtssaal stets vermeidet, den Moralapostel zu geben, versucht sie, die jungen Angeklagten mit gezielten Befragungen dazu zu bewegen, dass sie ihr Fehlverhalten einsehen und erkennen, wohin ihre Verrohungsfantasien führen. Einige seien über sich selbst zutiefst entsetzt, wenn sie im Gerichtssaal sitzen. In diesen Momenten schöpft Havliza ein wenig Hoffnung. Ihr gelingt das, indem sie versucht, auf die Angeklagten zuzugehen. So hat sie zum Beispiel Nils D., ein Mitglied der "Lohberger Brigade", zum Prozessauftakt mit den Worten begrüßt: "Guten Morgen, Herr D. Sie brauchen nicht hinter dem Sicherheitsglas sitzen. Kommen Sie zu mir nach vorne. Von Ihnen geht keine Gefahr aus."

In vielen Fällen, das gesteht sie aber offen ein, kann sie einen überzeugten islamistischen Täter nicht erreichen.

(csh)
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