Die Woche in der Region Die Städte unserer Kindheit verschwinden

Düsseldorf · Der letzte Tante-Emma-Laden schloss irgendwann in den 80er-Jahren. Es folgte der Juwelier, bei dem die Großeltern den Taufbecher für den Enkel kauften. Der Bäcker, bei dem die Rosinenschnecke nach der Schule lockte, ist längst einer großen Backwaren-Kette gewichen. Erlebt in einer Kleinstadt in NRW. Es könnte wohl jede sein. Nun droht auch Strauss das Ende: 96 Filialen könnten dann aus den Städten verschwinden. Und der Wandel geht weiter.

Das ist Strauss Innovation
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Der letzte Tante-Emma-Laden schloss irgendwann in den 80er-Jahren. Es folgte der Juwelier, bei dem die Großeltern den Taufbecher für den Enkel kauften. Der Bäcker, bei dem die Rosinenschnecke nach der Schule lockte, ist längst einer großen Backwaren-Kette gewichen. Erlebt in einer Kleinstadt in NRW. Es könnte wohl jede sein. Nun droht auch Strauss das Ende: 96 Filialen könnten dann aus den Städten verschwinden. Und der Wandel geht weiter.

Wer nach Jahren durch die Städte seiner Kindheit läuft, wird zahlreiche Geschäfte nicht mehr wiederfinden. Es passiert ganz schleichend: Erst verschwanden die kleinen Spezialgeschäfte. Tante-Emma-Läden, Kurzwarenhandlungen, richtige Schuster - wo gibt es sie noch? Das italienische Eiscafé, in dem das Eis noch mit einem Spachtel in die Waffel gestrichen wurde, hat den Besitzer gewechselt: Nun liegen schreiend bunte und extrem cremige Sorten hinter der Glastheke.

Traditionsgeschäfte in Düsseldorf
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Foto: RPO Stahl

Dann traf es auch die größeren Einzelhändler und Handwerker: Bekleidungsgeschäfte, Juweliere, Bäcker oder Obst- und Gemüsehandlungen. In Leverkusen schließt am 31. Januar nach 169 Jahren eine der ältesten Bäckereien — nur ein Symbol für das Sterben dieses Handwerks in ganz NRW. Es gibt Städte, da gibt es keinen einzigen Bäcker mehr.

Die Gründe sind vielfältig: Steigende Mieten, das Fehlen von Nachfolgern im Alter, dazu Einbrüche im Umsatz, da die Kunden wegbleiben. Viele kaufen lieber in großen Einkaufszentren, Shopping-Malls am Rande der Stadt oder großflächigen Ansiedlungen von Filialisten auf der grünen Wiese. Und nicht nur in Kleinstädten ist der Rückzug der Individualisten im Handel seit Jahren Trend: In Düsseldorf hat das "Modeschlösschen" an der Königsallee nach 60 Jahren aufgegeben. Auch das große und rennomierte Modehaus Eickhoff an der Kö wird es bald nicht mehr geben. Das Familienunternehmen wird dann dem internationalen Luxus-Konzern Dior gehören. Das traditionsreiche Spielwarengeschäft Schaper an der Grabenstraße hat im vergangenen Jahr ebenfalls geschlossen.

Seit Jahren sind auch die Kaufhäuser betroffen: Karstadt, Hertie, Kaufhof. Selbst Drogerie-Discounter Schlecker konnte mit tiefen Preisen und magerer Personalpolitik nicht mithalten. Und jetzt auch Strauss. Das Unternehmen - man vergisst es leicht - ist aus einem Düsseldorfer Einzelhandelsgeschäft entstanden und hat seinen Siegeszug in NRW und schließlich ganz Deutschland angetreten. Die Filialen mit der blauen Leuchtschrift und dem Angebot vom Kashmir-Pulli über Teetassen und Bettdecken bis hin zu Balsamico-Essig, gehören vielerorts zum Stadtbild. Man geht "zum Strauss" — bummeln, gucken, kaufen. Letzteres aber offenbar zu wenig.

Wie wird es weitergehen? Wie sehen die Städte in Zukunft aus? Auch die großen Einkaufszentren sind längst keine Selbstläufer mehr: Dort stehen — ebenso wie in den Innenstädten — häufig Ladengeschäfte leer. In vielen Städten am Niederrhein und auch auf der Benderstraße in Düsseldorf haben die Einzelhändler mit einer ungewöhnlichen Aktion auf das Ausbluten der Innenstädte aufmerksam gemacht: Sie verhüllten ihre Schaufenster schwarz.

Ein starker Konkurrent macht sich hingegen immer breiter: Das Internet. Doch viele Geschäfte haben hier den Anschluss verpasst. Auch Strauss hat erst vor rund drei Jahren mit dem Online-Handel begonnen. Im Internet bekommt der Kunde jederzeit das gewünschte Produkt - dort gibt es alle Marken, alle Designer und auch noch die Jeans in der passenden Größe. Der Preisvergleich passiert in Sekunden. Und wenn etwas nicht gefällt, wird es kommentarlos und meist kostenlos zurückgeschickt. Doch das Bild in den Städten kann der Online-Handel nicht prägen.

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