Serie "Unterwegs im Nahverkehr" Die Suche nach dem gerechten Tarif

Duisburg · Das Tarifsystem im öffentlichen Nahverkehr empfinden viele Kunden als kompliziert und überteuert. Preiserhöhungen verstärken diesen Eindruck. José Luis Castrillo, Vorstand des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), zeigt dafür Verständnis.

Das sagen Fahrgäste zum Tarif des VRR 2014
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Das sagen Fahrgäste zum Tarif des VRR 2014

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Für Semina Zekirova sind 70 Euro viel Geld - das sie in ein Monatsticket investieren muss. Die 26-jährige Düsseldorferin ist auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. "Ich finde die Ticketpreise viel zu hoch", sagt die junge Mutter, "die Bahnen sind oft verspätet, und für meinen Kinderwagen finde ich meist keinen Platz." Neben den Verspätungen ist das Tarifsystem für die Kunden ein dauerndes Ärgernis. Brigitte Sövegjarto aus Duisburg etwa bemängelt, dass die Preise zu oft und zu stark erhöht würden. Im Januar hebt der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) die Preise um 3,8 Prozent an, die Deutsche Bahn erhöht ab 14. Dezember um 2,9 Prozent (Regionalverkehr: 1,9 Prozent). Beim VRR zeigt man für derlei Kritik, die nach dem Aufruf in unserer Zeitung in ähnlicher Form von vielen Lesern geäußert wurde, sogar Verständnis. "Wir arbeiten daran, die Tarife gerechter zu gestalten", sagt VRR-Vorstand José Luis Castrillo, "etwa, indem wir dahinkommen, kilometerbezogen abzurechnen."

Castrillo beschreibt die Situation des VRR als Spagat: Einerseits müsse ein leistungsstarkes Nahverkehrssystem angeboten werden, auch um gegenüber dem Auto konkurrenzfähig zu bleiben. Auf der anderen Seite dürften die Kosten nicht explodieren. Der Öffentliche Personen-Nahverkehr wird vom Land und den Kommunen bezuschusst - die Fahrgeldeinnahmen decken nur rund 40 Prozent des tatsächlich entstehenden Preises. "Bei der Kosten-Minimierung sind viele Verkehrsunternehmen bereits an ihre Grenzen gestoßen", sagt Castrillo.

Ziel des VRR ist es, neue Kunden zu gewinnen, um das System auf finanziell breitere Beine zu stellen. Rund 1,4 Millionen Abonnenten sind es derzeit, aber da sei Luft nach oben, sagt Castrillo. Geliebäugelt wird mit denjenigen, die nach intelligenten, aber auch maßgeschneiderten Alternativen fürs Auto suchen - am besten via Smartphone. "Der Zugang zum System darf kein Hindernis sein", erklärt Castrillo. Heißt: Einheitliche Benutzeroberflächen auf Smartphones und Fahrkartenautomaten sollen die Bedienung erleichtern. Die einzige Information, die der Kunde mitbringen müsse, so stellt Castrillo es sich vor, sei sein Start- und Zielort. Alles andere wird dem Kunden abgenommen - mit Tarifstufen oder der Frage, ob sein Ticket auch in einem anderen Verbund gilt, soll er sich nicht mehr beschäftigen müssen.

Noch hapert es aber an der Umsetzung. Jeder der sechs Verkehrsverbünde in NRW hängt an seiner Struktur. Zehn Jahre veranschlagt Heinrich Brüggemann, Geschäftsführer von DB Regio, daher für die Verwirklichung der Pläne - und bezeichnet diese Zeitspanne als anspruchsvoll. "Ab 2016 wollen wir aber anfangen, diesen Weg zu gehen", sagt Brüggemann. "Sonst verlieren wir den Anschluss." Oberste Priorität hat dabei die einfache, landesweit kompatible Nutzung, um so viele Menschen wie möglich anzusprechen. Castrillo stellt sich ein Nebeneinander der Tarife vor - dass man als Abonnent eines Monatstickets etwa bestimmte Strecken auch kilometerbasiert abrechnet.

Vorbei sein soll irgendwann auch die Zeit der komplizierten Übergangstarife, die bei Fahrten durch unterschiedliche Verbundräume entstehen. "Ich verstehe sie im Detail bis heute nicht, wie soll der Kunde sie dann verstehen?", fragt Castrillo selbstkritisch. Ziel sei es, diese Konstrukte zu vereinfachen. Teure Tarifsprünge, die beim Wechsel von einer Tarifstufe zur anderen entstehen (und für manche Kunden unglücklich fallen, weil eine Haltestelle den Ausschlag gibt), ließen sich nie ganz ausschließen - auch nicht bei kilometerbasierten Tarifen.

Auch der Umgang des VRR mit dem Semesterticket wird teils kritisch gesehen. Das Ticket wird zum Sommersemester 2015 von 18,39 auf 19,06 Euro angehoben. Castrillo spricht von einer angemessenen Anpassung, die mehr als moderat sei. "Wir müssen auch auf die Gerechtigkeit gegenüber den normalen Ticketinhabern achten", sagt er. Die Studenten bezahlen für ein Semesterticket nur etwa 20 bis 30 Prozent eines regulären Tickets. Daher hoffe man auf einen sachlichen Dialog mit den Studentenvertretungen.

(RP)
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