Entscheidung zu Diesel-Fahrverbot vertagt Gewissenhafte Leipziger Richter

Meinung | Leipzig/Berlin · Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lässt sich mit seiner Entscheidung zu drohenden Diesel-Fahrverboten nun doch mehr Zeit. Das spricht für die große Bedeutung und Tragweite, die die Richter diesem Urteil beimessen.

 Akten auf einem Tisch während der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Akten auf einem Tisch während der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

Die Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit von Diesel-Fahrverboten hat an diesem Donnerstag mehr Zeit in Anspruch genommen, als von vielen Beobachtern erwartet worden war. Die Leipziger Richter wollen sich zudem nun vier weitere Tage Zeit nehmen, um die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung ausführlich zu prüfen, bevor sie ihr Urteil am 27. Februar verkünden.

Das spricht für die große Bedeutung und Tragweite, die die Richter diesem Urteil beimessen. Und auch dafür, dass die Leipziger Richter die Entscheidung darüber, ob die Städte ein Fahrverbot für Dieselfahrer ohne eine entsprechende bundesgesetzliche Regelung verhängen dürfen, nicht anderen Gerichten überlassen wollen. Sie wollen offenbar selbst zu einem Urteil kommen.

Andere Varianten wie die mögliche Überweisung der Streitfrage an den Europäischen Gerichtshof oder die Rücküberweisung an die Gerichte in Stuttgart und Düsseldorf sind durch die Urteilsverschiebung als Ergebnis unwahrscheinlicher geworden.

Verhandlung machte deutlich, dass ein "Weiter so" keine Option ist

In 70 deutschen Städten werden die EU-Grenzwerte für Stickoxid bereits seit ihrer Einführung im Jahr 2010 überschritten. Ausreichende Gegenmaßnahmen in den betroffenen Kommunen gibt es bisher nicht. Aktuelle Schadstoff-Messungen des Umweltbundesamtes zeigen, dass die NOX-Emissionen in vielen Städten allenfalls um jährlich ein, zwei Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sinken.

Die schlechte Luft kann zu Atemwegs- und auch Krebserkrankungen führen, insbesondere Kinder und ältere Menschen sind gefährdet. Die EU hat deshalb zu Recht ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Wird das Luftproblem nicht bald behoben, drohen Deutschland empfindliche Strafen.

Die Verhandlung in Leipzig machte deutlich, dass ein "Weiter so" auch für die Leipziger Richter keine Option wäre. Die Emissionen müssen runter, und zwar schnell. Umweltexperten halten dafür Diesel- Fahrverbote für das kurzfristig wirksamste Mittel. Würde den Haltern von Diesel-Fahrzeugen, die sie vor zwei, drei oder vier Jahren erst in gutem Glauben gekauft haben, die Einfahrt in die Städte verwehrt, käme dies allerdings einer kalten Enteignung gleich.

Die Richter erörterten daher ausführlich die Verhältnismäßigkeit eines solchen drastischen Schritts. Sie müssen abwägen zwischen dem Umwelt- und Gesundheitsschutz für viele auf der einen Seite und dem Schutz der Eigentums- und Freiheitsrechte der Dieselfahrer auf der anderen Seite. Diesel-Fahrverbote dürften zudem der Autoindustrie schaden, denn der Diesel-Absatz dürfte weiter einbrechen.

"Blaue Plakette" als Kontrollinstrument

In dieser Abwägung muss allerdings der Umwelt- und Gesundheitsschutz für viele schwerer wiegen als der Eigentumsschutz. Deshalb wäre es zu begrüßen, wenn die Richter den Bundesgesetzgeber zwingen würden, die rechtlichen Grundlagen für die Einführung einer "Blauen Plakette" zu schaffen. Dadurch könnten Diesel-Fahrverbote auf bestimmte Innenstadt-Zonen und Modelle beschränkt werden. Sie würden bundeseinheitlich gelten und wären für die Polizei kontrollierbar.

Gleichzeitig muss die Politik die Autoindustrie zwingen, betroffenen Diesel-Fahrern die kostenlose Hardware-Nachrüstung ihrer Autos anzubieten. Bisher verweigert die Industrie wegen der absehbaren Kosten in Milliardenhöhe solche Nachrüstungen. Sie hat jedoch zuletzt wieder kräftig verdient. Der Steuerzahler sollte keinesfalls für Schäden aufkommen müssen, die von der schummelnden Autoindustrie verursacht wurden.

(mar)
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